Dienstag, 28. August 2012

Skinny Lister - Forge & Flagon

 (Sunday Best Recordings, 2012)





Trinken, Tanzen, Tradition

Londons junge Folkszene bekommt mit Skinny Lister einen Neuzugang und sind doch ganz anders als Mumford & Sons, Johnny Flynn, Laura Marling und Konsorten. Während diese sowohl musikalisch als auch lyrisch viel auf einer gefühlsduseligen Ebene arbeiten, steht bei den 4 Jungs plus Partybiene Lorna eher die Party im Vordergrund. Auf Konzerten mit der Vans Warped Tour, beim SXSW Festival und auf dem Haldern Pop erspielten sie sich einen Ruf als großartige Liveband, die sich nicht um Abstinenz, Schamgefühl und Akkuratesse kümmern braucht. So ist der Ausruf „Let's get wasted“ wohl die Zeile vom Album Forge&Flagon die am ehesten hängen bleibt und könnte so auch in ihrem Parteiprogramm stehen. Unweigerlich erscheinen bierbäuchige, bärtige, betrunkene, weißbehaarte Männer vor dem geistigen Auge, die in der irischen Provinz Volkstänze zu diesem Album aufführen könnten, nachdem sie vorher eine stattliche Anzahl an Pints vernichtet haben. 4-to-the-floor-Beat, um die 120 bpm und mehrstimmiger Gesang sind die nicht gerade außergewöhnlichen Zutaten zu diesem unüblichen Album, welches viel mehr nach Tradition klingt, als die oben angesprochenen anderen Jungfolkbands, die ihrem Folk ohne Frage eine Verjüngungskur verpasst haben. Ob es jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, dass die kleinen Hobbits Merry und Pippin aus Peter Jacksons Herr der Ringe mit ihrem „Grünen Drachen“-Song einem in den Sinn kommen, weiß ich jetzt auch nicht genau.
Dass die 5 Londoner aber auch anders können, beweist der Closer Colours, der sich mit zuckersüßem Gesang weiter und weiter hoch schaukelt und dabei nichts anderes vor hat, als simpel die unterschiedlichen Farben des Sommers zu preisen: von grasgrünen Knien, über rote Hände vom Beerenpflücken, bis hin zu unterkühlten blauen Lippen, vom Schwimmen in der Nordsee.
Das was dieses Album so außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass jedem Song eine ganz spezielle Eigenart innewohnt, dabei aber kohärent bleibt. Sei es das gröhlende a cappella - Stück John Kanaka, die wundervolle Alkoholverherrlichung in Wild As The Wind Blows, die förmlich zu spürende Reiselust in The Gaff Won't Let Us Down, die unglaubliche Einfachheit von Polkas oder das schon angesprochene zuckersüße Colours. Wem Mumford & Sons und Kollegen irgendwie zu unauthentisch sind, sei dieses Album also wärmstens empfohlen. (Marius Wurth)