(Sunday Best Recordings, 2012)
Trinken, Tanzen,
Tradition
Londons junge Folkszene
bekommt mit Skinny Lister einen Neuzugang und sind doch ganz anders
als Mumford & Sons, Johnny Flynn, Laura Marling und Konsorten. Während
diese sowohl musikalisch als auch lyrisch viel auf einer
gefühlsduseligen Ebene arbeiten, steht bei den 4 Jungs plus
Partybiene Lorna eher die Party im Vordergrund. Auf Konzerten mit der
Vans Warped Tour, beim SXSW Festival und auf dem Haldern Pop
erspielten sie sich einen Ruf als großartige Liveband, die sich
nicht um Abstinenz, Schamgefühl und Akkuratesse kümmern braucht. So
ist der Ausruf „Let's get wasted“ wohl die Zeile vom Album
Forge&Flagon die am ehesten hängen bleibt und könnte so
auch in ihrem Parteiprogramm stehen. Unweigerlich erscheinen
bierbäuchige, bärtige, betrunkene, weißbehaarte Männer vor dem
geistigen Auge, die in der irischen Provinz Volkstänze zu diesem
Album aufführen könnten, nachdem sie vorher eine stattliche Anzahl an Pints vernichtet
haben. 4-to-the-floor-Beat, um die 120 bpm und mehrstimmiger Gesang
sind die nicht gerade außergewöhnlichen Zutaten zu diesem unüblichen Album,
welches viel mehr nach Tradition klingt, als die oben angesprochenen
anderen Jungfolkbands, die ihrem Folk ohne Frage eine Verjüngungskur
verpasst haben. Ob es jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen ist,
dass die kleinen Hobbits Merry und Pippin aus Peter Jacksons Herr
der Ringe mit ihrem „Grünen Drachen“-Song einem in
den Sinn kommen, weiß ich jetzt auch nicht genau.
Dass die 5 Londoner aber
auch anders können, beweist der Closer Colours,
der sich mit zuckersüßem Gesang weiter und weiter hoch schaukelt und
dabei nichts anderes vor hat, als simpel die unterschiedlichen Farben des Sommers zu
preisen: von grasgrünen Knien, über rote Hände vom Beerenpflücken,
bis hin zu unterkühlten blauen Lippen, vom Schwimmen in der Nordsee.
Das
was dieses Album so außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass
jedem Song eine ganz spezielle Eigenart innewohnt, dabei aber kohärent bleibt. Sei es das
gröhlende a cappella - Stück John Kanaka,
die wundervolle Alkoholverherrlichung in Wild As The Wind
Blows, die förmlich zu spürende
Reiselust in The Gaff Won't Let Us Down,
die unglaubliche Einfachheit von Polkas
oder das schon angesprochene zuckersüße Colours.
Wem Mumford & Sons und Kollegen irgendwie zu unauthentisch sind,
sei dieses Album also wärmstens empfohlen. (Marius Wurth)