Mittwoch, 25. Juni 2014

Damon Albarn – Everyday Robots

(Parlophone, 2014)




Ich möchte an dieser Stelle einmal Stellung beziehen. Als das Solo-Debüt „Everyday Robots“ von Blur- und Gorillaz-Mastermind Damon Albarn im Musikmagazin Visions besprochen wurde, wurde ihm löblicherweise eine „Vier-Ohren-Rezension“ zugedacht. Dies ist verständlich, da Albarn es mit seiner Art doch seit jeher schafft zu polarisieren. Deswegen kann auch Jan Schwarzkamp die miserable Wertung von 4 Punkten zugestanden werden. Ob aber mit dem Verweis „Besser hören: Paul Simon – Graceland“ dem Album genüge getan wird, steht auf einem anderen Blatt.

Ja, es ist richtig, dass beide Alben „westliche“ Songwriter-Musik mit afrikanischen Spirituals und Gospel-Chören vermischen. Und ja, es ist auch richtig, dass mit „Mr. Tembo“, bei dem dieser Aspekt am dicksten aufgetragen wird, einer der – für sich – schwächsten Songs des Albums gefunden wurde. Aber: Gleichzeitig wirkt der Song im Kontext des Albums wo er – umgeben von noch wesentlich langsameren und düstereren Songs – ungleich passender und Gospelchöre sind ja nichts, was Paul Simon für sich gepachtet hätte (die Großartigkeit von Graceland will ich dabei in keiner Sekunde auch nur antasten).

Das Problem ist – in meinen Augen – die Rückwärtsgewandheit von Musikhörern, die in ihrer umfassenden Kenntnis ein zwanzig Jahre altes Album lieber noch einmal hören, als sich mit aktuellen Ansätzen zu beschäftigen. Ob man nun den Stil der beiden Songwriter überhaupt miteinander vergleichen kann, ist dabei noch überhaupt nicht geklärt.




Doch der Reihe nach: Das Album „Everyday Robots“ beginnt direkt mit dem Titelsong und schließt dann in kurzer Folge mit „Hostiles“ und „Lonely Press Play“ zwei ganz ähnlich gestrickte Songs an. Diese – allesamt sehr getragenen und tief melancholischen – Songs über Technisierung des Alltags, Entfremdung und Heimweh (ja, inhaltlich zeigt Albarn sich nicht von der stärksten Seite – aber wer hätte das erwartet?) gehen zunächst nicht direkt ins Ohr und wirken ein wenig sperrig. Das intensive Hören belohnt die Hörerschaft dann aber doch mit packenden Ohrwürmern und packenden Melodien. Das bereits erwähnte „Mr. Tembo“ wirkt in dem Kontext dieser Songs ungleich auflockernd und wirft ein paar Sonnenstrahlen in die düsteren Bilder der ersten drei Songs. Die beiden elektronischen Skizzen „Parakeet“ und „Seven High“ sind nicht mehr als das: Kleine Bruchstücke, die vielleicht zu ausgewachsenen Songs hätten werden können. Man kann verstehen, warum Albarn diese netten Ideen nicht verkommen lassen wollte – warum er sie aber in dieser Form veröffentlichen wollte nicht. Der konkrete „Nutzen“ im Kontext des Albums, den diese Doodles allerdings erfüllen, ist, dass sie die anschließenden Songs „You & Me“, „The Selfish Giant“, „Hollow Ponds“ und „Photographs (You Are Taking Now)“ in kleinere Päckchen unterteilen und so den Fluss ein wenig unterbrechen. Denn zugegebenermaßen hat das Album hier seinen kleinen Tiefpunkt was die Raffinesse der Songs angeht. Allerdings befindet sich dieses Tief immer noch auf einem hohen Niveau – denn auch bei diesen Balladen hat Albarn wieder schöne Melodien und memorable Refrains gebaut, die sich mit der Zeit in die Gehörgänge fressen. Das fraglos große Finale bietet sich dann im letzten Song „Heavy Seas of Love“, bei dem Produzent und Keyboard-Legende Brian Eno Vocals beisteuert. Diese unschlagbare Hymne konnte man ja bereits vorab hören und ist eigentlich schon für sich genommen Grund genug, dieses Album zu kaufen.



Zurück zum Ausgangspunkt: Damon Albarn hat mit „Everyday Robots“ ein wirklich schönes Songwriter-Album vorgelegt, dass von seiner typischen melancholischen Art getragen wird. Fans des Stils werden das Album lieben. Wer aber lieber schöne Upbeat-Songwriter-Musik sucht, findet auch da etwas in der aktuellen Musik, das ihm super gut gefallen könnte. Immer wieder auf die gleichen Meilensteine eines Genres zu verweisen, ist doch langweilig. (Sören Reimer)