Dienstag, 27. August 2013

Deafheaven – Sunbather

(Deathwish Music, 2013)


Black Metal gehört wohl zu den ewig strittigen Genres (auf der anderen Seite: Welches Genre tut das nicht? Gemeint ist hier natürlich die heftige Anfechtung der Musik durch den größten Teil der Bevölkerung). Und dennoch verbirgt sich hinter der düsteren Fassade eine so ausdrucksstarke Musik, wie man sie selten findet. Vielleicht ist es gerade dieser Überschwang an Emotion, der die Musik für viele so schwer zu ertragen macht.
Dass der Black Metal sich trotzdem auf dem Vormarsch befindet, kann man an den aktuell populären Erscheinungen des Genres erkennen:
Wolves in the Throne Room und Liturgy haben in der jüngeren Vergangenheit den Anfang gemacht und Bands wie Altar of Plagues und Deafheaven ziehen jetzt nach.
Natürlich ist auch die Musikpresse darauf aufmerksam geworden. Beziehungsweise hat die Musikpresse durch ihre Aufmerksamkeit die Musik erst in der Fokus gerückt und flugs wurde das Prädikat "Hipster Black Metal" geprägt, das diese so vollkommen unterschiedlichen Bands nun auf einmal zu fassen gedenkt.
Doch halten wir uns nicht mit der Strittigkeit und vermeintlichen Bedeutungsschwere dieses Vorgangs auf, sondern schauen wir doch mal genauer in die Musik. Das neue und insgesamt zweite Album von Deafheaven heißt Sunbather und hält tatsächlich, was dieser merkwürdige Titel verspricht: Die Musik wirkt positiv und sonnendurchflutet und ja – das funktioniert eben gerade im Black Metal hervorragend.
Die geschrebbelten Gitarren-Akkorde klingen strahlend und voll – und durch die hallige Produktion wirkt sie in einigen Momenten geradezu orchestral. Natürlich können sie auch – wie es im (in Abgrenzung zum modernen amerikanischen, hippen Pendant sogenannten) klassischen, norwegischen Black Metal üblich ist – auch düster und schmerzerfüllt klingen, doch das doch stets nur um sich dann wieder in eben jenen grundpositiven Duktus aufzulösen.
Außerdem gönnen Deafheaven dem Hörer mit den kurzen, ruhigen Interludien, die sie geschickt in den Fluss des Albums eingewebt haben kleine Verschnaufpausen um bei Akustikgitarre und Ambient-Sounds Kräfte für die nächste Walze komprimierter Emotionen zu sammeln.
Textlich beschäftigen sich Deafheaven mit – und das entspricht mal wieder erschreckend genau dem Klischee – dem Tod und der Todessehnsucht (
Dream House) oder aber auch mit Selbstfindung (Sunbather), weswegen dieser ätherische Charakter der Musik hervorragend dazu passt.



Wie auch die anderen eingangs genannten Künstler wurden Deafheaven in der Musikpresse für ihr neues Album mit Lob überschüttet und dies auch völlig zurecht. Es bleibt zu hoffen, dass sich der zum Übel aller musikalischen Schöpfungen stigmatisierte Black Metal in Zukunft eines breiteren Publikums und einer gerechteren Beurteilung seiner Fasskraft gegenüber sieht. (Sören Reimer)

Falls Of Rauros - The Light That Dwells In Rotten Wood

(Replenish Records, 2013)


Daniel sagte mal zu mir, dass Labels früher mal richtig für was standen, dass irgendein bekannter Musikjournalist mal davon geschrieben hatte, wie er jede Platte von Virgin nicht nur bereitwillig, sondern geradezu in freudiger Erwartung hörte. Heute dominieren aber die sogenannten Big Four das Musik-Geschäft und vereinen so viel Musik unter ihrem Dach, dass sich über die allgemeine Qualität generell nichts mehr sagen lässt.
Doch auf der anderen Seite sind die kleinen Indie-Labels auf dem Vormarsch und – im Gegensatz zu den früheren und heute in die Big Four eingegliederten Indielabels – sind durch das Internet und die insgesamt gesunkenen Produktionskosten durchaus in der Lage ihre Musik komplett nach ihren Vorstellungen zu einem gelungenen Produktkatalog zusammen zu stellen.
So geschehen zu Beispiel bei Replenish Records. Dieses amerikanische Label vertreibt seine Musik – sofern ich das weiß und beurteilen kann – hauptsächlich via Bandcamp im sogenannten "Name Your Price"-Deal. Musik kostet eben nur noch so viel wie sie einem Wert ist. Der Ethos vom Musiker, der davon lebt nur Musik zu machen, wurde endlich und zum Glück in den Wind geschrieben. Und damit nimmt die Musik eine Stelle ein, die ihr viel besser steht, als die der lukrativen Gelddruckmaschine: Sie wird wieder zur Nebensache und räumt die Bühne für die wirklich dringenden Betätigungsfelder.




Doch nun endlich in medias res: Das Falls Of Rauros-Album The Light That Dwells In Rotten Wood ist ein höchst stimmungsvolles Black Metal-Album, das vom Stil stark an Wolves In The Throne Room erinnert (um mal ein aktuelles Beispiel zu wählen), aber gleichzeitig auch in seinen ruhigen Momenten an die norwegischen Gründerväter der Musik erinnert (man könnte sogar so weit gehen und sagen, dass die cleanen Gitarren so schön und stimmungsvoll sind wie sonst nur bei den Melo-Death-Helden von Opeth).
Und weil sie es so gut können eröffnen Falls Of Rauros ihren Longplayer deswegen auch gleich mit einem fast vier Minuten langen Akustik-Stück, das sich langsam aufbaut und so das Bett bereitet für das nahtlos angeschlossene Banished, bei dem die Band aus Washington D.C. zum ersten Mal zeigt, was sie so an Härte und Düsternis hinter dem sphärischen Schleier verborgen hält. Und das ist Einiges, was da auf den unbescholtenen Hörer losbricht (ohne dabei jedoch die vorher aufgebaute, harmonisch-melancholische Stimmung zu zerreißen – vielmehr wird darauf aufbauend eine äußerst heftige Lethargie geformt und heraus geschrien).
Und ganz ähnlich wie auch Deafheaven auf ihrem aktuellen Album, verbinden auch Falls Of Rauros ihre lauten, schrebbeligen Kernstücke mit akustischen Zwischenstücken, wenn auch die gewählte Klangsprache viel weniger modern anmutet und stattdessen eher (ganz dem Metal-Klischee verbunden) an das erinnert, was sich junge, weiße Männer in den USA unter mittelalterlichen Klängen vorstellen.
Insgesamt liefern Falls of Rauros einen höchst stimmungsvollen und toll produzierten Metallklumpen ab und man darf ehrlich gespannt sein, was die Labelkollegen noch in näherer Zukunft veröffentlichen, denn es wird ohne Frage genau so gut sein. (Sören Reimer)

The March on Kazaan – Appeased/Appalled

(2013)


Von Zeit zu Zeit gibt es unter den Bands, die wir hier im Blog besprechen recht interessante Überschneidungen (unmusikalischer Art). Dazu gehört neben den Offensichtlichen (wie die Labelzugehörigkeit) auch auf jeden Fall die Folgende: The March on Kazaan und Anteater teilen sich den Proberaum.
Und schon hat man sich sowohl Anlass als auch Maßstab für Vergleiche geschaffen. Wie einfach das Leben (und Schreiben) doch sein kann.
Doch aber nun: Die Überschneidungen (musikalischer Art) zwischen Anteater und The March On Kazaan sind recht knapp gehalten. Zwar betiteln Beide ihre Musik (auch) unter dem Label "Post-Hardcore", wählen aber dennoch so weit voneinander getrennte Spielweisen dieses Stils, dass die Unterstellung der künstlerischen Kopie (so unter Proberaumgenossen) völlig ausgeschlossen scheint.
Wo Anteater zornig und rasend losstürmen und den Hörer in einen Straßenkampf verwickeln, wählen Kazaan eher den subtilen Schlag in den Magen, den man nicht kommen sieht und nachher um so mehr spürt. Überhaupt machen die vier Herren, die auf ihrem Bandfoto lakonisch grinsend im Anzug posieren, dem Zuhörer nicht all zu leicht. Ziemlich progressiv und immer auf der Suche nach einem möglichst überraschenden Bruch (passend zum Albumtitel, der etwa so viel bedeutet wie "besänftigt und abgestoßen" – glänzend!), winden sie sich durch die acht Songs.




So fängt beispielsweise der Opener "Walking With Lions" mit einem leisen Vinyl-Knistern und einem zerlegten Gitarren-Akkord an, in den allmählich Schlagzeug, verzerrte Gitarrenakkorde und chorischer Gesang einfallen, bis plötzlich – über der gleichen ruhigen Kulisse – das Geschrei losbricht. Und dann nimmt die Musik zunehmend Fahrt auf, bis sie sich in eine post-rockig anmutende Trance hochschaukelt, in der sich das Riff so lange hypnotisch im Kreis dreht, nur um dann in eine ruhige Bass-Figur zusammenzubrechen. Und gerade als man denkt, die Band berappelt sich und bricht wieder los, da wird es noch ruhiger und langsam setzen wieder der cleane Gesang und die Gitarren ein um sich (gemeinsam mit dem Rest der Band) noch ein letztes Mal zu einem melodischen Chorus aufzuschwingen, der dann ins Nichts verhallt.
Ähnlich abwechslungsreich und spannend sind auch die meisten anderen Songs gestaltet und bereiten dem Hörer ein ausgezeichnetes Hörvergnügen, wozu auch der gut gemischte Sound beiträgt. Zwar insgesamt etwas dünner als bei den Proberaumkollegen, dafür wesentlich differenzierter, überzeugt die Produktion dennoch auf einem guten Niveau.
Insgesamt bieten The March On Kazaan mit ihrem dritten Release also ein wirklich gutes Album an und wer weiß vielleicht kann man demnächst (wieder unter dem Stichwort unmusikalischer Überschneidungen) über ein gemeinsames Konzert der so unterschiedlichen regionalen Post-Hardcore-Bands berichten. (Sören Reimer)