Donnerstag, 24. Juli 2014

ClickClickDecker – Ich glaub dir gar nichts und irgendwie doch alles

(Audiolith, 2014)


Da ist er auf einmal wieder – der sommerliche „ich wollte doch eigentlich noch“-Stress. Zwischen Klausuren, Festivals, „richtigem Urlaub“ und sonstigen Aktionen wird die Zeit für das „Dazwischen“ knapp. Deswegen sitze ich am Abend vor einer Klausur, für die ich nur halbherzig gelernt habe, an meinem Schreibtisch und schreibe einen Brief, der seit Wochen überfällig ist. Dabei höre ich das ClickClickDecker-Album, denn eine Rezi wollte ich auch noch schreiben, bevor ich weg bin.
Glücklicherweise haben beide Dinge etwas mit Schreiben zu tun und glücklicherweise haben beide Dinge auch etwas gemeinsam. Während ich also im Brief versuche in Worte zu fassen, wie sich das Einleben in eine Stadt anfühlt – und dabei auf die völlig abgenutzte Metapher einer Leinwand zurückgreife – fällt mir zu dem textlich verschachtelten Album auf: Auch hier sind verschiedene Impressionen und Ideen Collagen-artig miteinander kombiniert.



ClickClickDecker haben sich für ihr Album „Ich glaube dir gar nichts und irgendwie doch alles“ in ein abgelegenes Tonstudio zurückgezogen. Soweit, so gewöhnlich, möchte man meinen und denkt dabei an selbstgebaute Hütten in amerikanischen Wäldern, ein gewisses Tonstudio in der kalifornischen Wüste oder eine abgelegene Soßenfabrik in Rhode Island. Und auch hier wird wie so häufig die „Magie“ des Ortes beschworen und „dass es für das Album gut war“. Natürlich – man kann ja auch nicht wissen, wie es unter anderen Umständen geworden wäre.
Dabei ist es gerade abseits dieses Überbaus – den man getrost vergessen kann – dass ClickClickDecker, die nun erstmals als Duo arbeiten, ein ganz bemerkenswertes Album geschaffen haben. Die Musik ist abwechslungsreich und bietet von der fröhlichen Schützenfest-Blaskapelle, über typisch-verspielte Akustik-Gitarren, bis hin zu pluckernder Elektronik alles, was den beiden Herren in den Sinn kommt. Überraschenderweise bricht die Musik aber dennoch nie aus dem Gesamtwerk heraus, sondern passt sich von der Stimmung immer harmonisch an.
Die Texte punkten mit klugen und witzigen Zeilen, die ihren Zusammenhalt vor allem in der Musik finden.

„Frühstück im Tierpark Neumünster,
Verstopfung und ein Todesfall.
Der Himmel ist träge und wütend.
Kaffee wie Schwermetall.
[…]
Und das Alter zieht seinen Schlitten
Mitten durch dein Gesicht.
Ich weiß manchmal gefällts dir
Und manchmal eben nicht.“
- Tierpark Neumünster

Und gerade da dieses Album seinen Charme im Zusammenhang entwickelt, man die einzelnen Textfragmente dann in den passenden Situationen nicht mehr aus dem Kopf kriegt („Das mit uns, das liegt glaube ich an dir“, „Kein Satz wird dadurch besser, dass du ihn ständig wiederholst“, „Sag nicht ab, sag einfach gar nicht erst zu.“ oder „Siehst du den Mann dort mir den selbstgebauten Flügeln? Er glaubt nicht an Engel – er hat noch nie einen gesehen“ und viele mehr) und sich so nach und nach Situationsbilder an die weiße Leinwand des Albums hängen (wie die Freundin zum Anfang von „Tierpark Neumünster“ wie wild lostanzt oder wie ich zu „Schaumburgen und Ellipsen“ Fahrrad fahre), ergibt sich so ein ganz individuelles Kunstwerk. Und obwohl die Platte so ganz in grau daher kommt, ist sie so doch irgendwie für mich zu einem Sommeralbum geworden. (Sören Reimer)