Freitag, 29. Juni 2012

Storm Corrosion - Storm Corrosion

(Roadrunner Records, 2012)




Die Dunkelheit hatte sich bereits über das kleine Dorf gesenkt als Herr W sich auf seinem Weg nach Hause von einem unwirklichen Gefühl ergriffen wurde. Ihm war, als würde die Landschaft an ihm vorbeigleiten und der Månd raunte ihm leise etwas zu. Erschreckt schüttelte Herr W den Kopf, um diesen bösen Traum, der sich wie ein Schleier über ihn gelegt hatte, zu lösen. Obschon er nicht länger die Stimme in seinem Kopf vernahm, war ihm doch, als würde der Mond ihm gehässig zu grinsen. Und die Schatten der Bäume um ihn herum schienen sich klauenartig nach ihm auszustrecken.
Von dieser ungewissen Furcht getrieben, beschleunigte W seine Schritte. Er wog sich schon beinahe wieder in Sicherheit als die Stimme wieder in seinem Kopf erschallte. Und zudem hörte ein leises Rascheln im nahen Gebüsch, das ihn zusammen fahren ließ. Es war in diesem Moment, als W alle falsche Gelassenheit fahren ließ und panisch los rannte. Wie zum Hohn erklang in seinem Kopf gleich ein ganzer Chor aus Stimmen, die ihn all seiner Lügen und Missetaten gemahnten.
Als er sein Haus erreichte, öffnete er hastig die Tür und schlug eben diese dann hinter sich zu, um sich von seinen Peinigern zu trennen. In der Tat verstummten alle Stimmen und Geräusche für einen Moment. Doch dann sah W den Månd zum Fenster hinein scheinen.

In einem unweit gelegenen Fluss spiegelte sich das Mondlicht auf dem Blätterwerk der umliegenden Bäume. Es tanzte gemächlich über die bemoosten Steine, die am Ufer lagen und der Fluss tat es ihm gleich. Ein schwaches Blinken ging von einem Gegenstand am Ufer aus. Es handelte sich um einen längliches, metallenes Objekt, das mit einem Griff versehen und halb im Wasser liegend so aussah, als habe es Jemand dort verloren. Die Spitze des Gegenstandes ragte noch ebenso in das Wasser des Flusses und dieser vermochte so die dunkle Flüssigkeit, die dort vor einiger Zeit kleben geblieben war, wieder abzuspülen. Es war als würde der Mond, im Angesichte dessen, was er dort unten sah, sein Antlitz hinter einigen Wolken verbergen wollen und Dunkelheit umhüllte wiederum die Szenerie.
Als er sich dann langsam wieder zeigte, erhellte sein Licht zunächst zwei lange weiße Dinge, die im Fluss lagen. Während sich das Licht ausbreitete, erhellte es dann ein gefärbtes Stück Stoff, dass im Wasser aussah, als würde es von einem sanften Wind bewegt. Schon kurz darauf hatte er den gesamten Körper einer jungen Frau bloßgelegt, die reglos im Fluss lag. Aus ihrer Brust strömte, wie ein Faden, eine dunkle Flüssigkeit. Erneut verbarg der Mond sich hinter einer Wolke und sendete schwere Tränen gen Erdboden.

Auf der anderen Seite des Dorfes lebte eine alte Einsiedlerin, die von all diese Geschehnissen wusste und auch ihre Bedeutung zu lesen vermochte. Doch sie war stumm und von der Gesellschaft ausgeschlossen. Niemand schenkte ihr Gehör und so dachte sie bei sich, dass die Menschen ihr Schicksal selbst gewählt hatten.
In einem großen Kessel kochte sie verschiedene Kräuter nach einem uralten Rezept zu einem mächtigen Trank. Der Sud brodelte und zischte und sie fürchtete fast, dass man die Geräusche bis in das nahe Dorf hören könnte. Doch der Lärm verstummte bald und die alte Frau setzte ihr Werk unbescholten fort.
Sie sprach alte Wörter, deren Bedeutung die Menschen bereits vergessen hatten und sang ein Lied, das seit Generationen von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurde.
Draußen nahm der Sturm an Kraft zu und das Rauschen der Bäume und das Prasseln des Regens untermalten den Gesang der Frau auf unheimliche Weise.
Nach einiger Zeit blickte sie zufrieden auf das Ergebnis hinab. Nun würde sie warten müssen.

Nur eine andere Person wusste ebenfalls um all diese Vorgänge. Ein tränenüberströmter Jüngling taumelte hilflos durch die Gassen des Dorfes. Von schweren Krämpfen der Trauer geschüttelt war er auf seinem ziellosen Weg durch die Nacht.
Vor dem Haus des Herrn W hielt er kurz an und richtete sich auf. In seiner Hand blitzte der metallerne Gegenstand auf, den er am Fluss aufgelesen hatte. Doch dann übermannte ihn einmal mehr die Trauer und er schleppte sich schluchzend fort in Richtung des Waldes. Von dort vernahm er ein unheimliches Rauschen und Klappern und er erinnerte sich an die Sagen, die in diesem Dorf schon so lange erzählt worden waren und die ihm bis heute die Furcht in die Glieder trieben.
Während er noch zaudernd am Waldrand wartete, trat aus den Schatten der Bäume die alte Einsiedlerin auf ihn zu und reichte ihm wortlos ein kleines Fläschchen, das mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt war. Erstaunt blickte er zu ihr hin, doch sie war bereits verschwunden.
Langsam, als müsste er erst erneut lernen sich seiner Glieder zu bedienen, ging er zurück zum Haus des Herrn W. Er besah sich die kleine Flasche und sah, wie ihn sein eigenes, verzerrtes Spiegelbild ebenfalls ansah. Da überkam ihn eine vollkommene Ruhe und er wusste, was zu tun war. (Sören Reimer)

Donnerstag, 28. Juni 2012

Das TEED-Phänomen





Totally Enormous Extinct Dinosaurs. Dieses Musikprojekt des Engländers Orlando Higginbottom begeistert momentan sowohl Kritik als auch Publikum. Woran liegt das? Die Genese dieser breiten Akzeptanz bzw. eher Begeisterung zu ergründen soll hier das primäre Ziel sein.
Beginnen wollen wir mit der Person des ausgestorbenen Dinosauriers. Am auffälligsten ist für mich – noch vor den Kostümen – sein immerwährender Gesichtsausdruck, welcher sich irgendwo zwischen Traurigkeit, Melancholie, Gleichgültigkeit, Konzentration und Relaxtheit bewegt, vielleicht vergleichbar mit da Vincis Mona Lisa, deren Gemütslage auch nicht wirklich bestimmbar ist. Hinzu kommt das bei vielen Pressebildern zu sehende, astronomisch anmutende Gebilde auf seinem Kopf, was diese Undefinierbarkeit nochmals immens verstärkt. Allein das entwickelt einen undurchschaubaren Mythos, welcher einen nach weiteren Hintergrundinformationen lechzen lässt. Die sollen hier natürlich nicht vorenthalten werden, da sie dies nur noch weiter unterstützen. Allein Higginbottoms bürgerlicher Name ist schon so außergewöhnlich – ganz zu schweigen von seinem Künstlernamen, dass man mehr als zweimal hinschauen muss, um sich beide wirklich merken zu können. Hinzu kommt, dass er der Sohn des Leiters des New College, University of Oxford Chors ist und selber jahrelange hochklassige Chorerfahrung hat, was auf den ersten Blick nicht eindeutig in der Musik wiederzufinden ist. Insofern wirkt das Verschwinden in der Masse eines Chors und seine undefinierbare Gemütslage zuzüglich unüblichem Kopfschmuck als sehr introvertiert.
Das mutet alles in gewisser Weise spießbürgerlich an. Im krassen Gegensatz dazu stehen ganz augenscheinlich sein Bühnenoutfit, sowie seine Show. Die Bühne betritt er kategorisch nur kostümiert, sei es in prachtvoller Indianermontur, welche einen gewollt oder ungewollt an die Village People denken lässt, oder in diversen Dinosaurierkostümen. Künstlerischen Charme versprühen diese nicht unbedingt, eher erinnern sie an eine professionalisierte Version von üblichen sogenannten „Party“kostümen, wie beispielsweise Morphsuits, karnevaleske Bäreneinteiler oder auch Verkleidungen auf Trashparties, dabei aber immer eine nerdige Attitüde bewahren. Sein Bühnenbild hat sich im letzten Jahr weiter entwickelt, nachdem er zu Beginn (erster Deutschlandauftritt: Melt-Festival 2011) nur einen mit seiner Ausrüstung vollgestopften Tisch und zwei Tänzerinnen vorweisen konnte, hat er mittlerweile seine Peripherie auf der Bühne weiter ausgebaut. So befinden sich neuerdings drei blinkende Feder- oder  Sargartige Gebilde in seinem Rücken, sowie mehrere grell leuchtende, aufs Publikum gerichtete Leselampen in seinem Umfeld. Die Tänzerinnen – die ständig die Kostüme wechseln - sind immer noch anwesend und kompensieren seine Zurückgezogenheit während des Konzerts. Ebenso zünden sowohl er, als auch die Damen bei Drops gerne mal Konfettikanonen oder werfen tierige Luftballons in die Menge.
Womit wir bei der Musik wären. Diese changiert zwischen allen Möglichen elektronischen Stilrichtungen wie Dance, Techno, 2Step, House, Eurodance, Dancehall, Dubstep und so weiter und so fort, dabei aber immer ein gewisses Indie (was auch immer das jetzt bedeuten mag) anmutendes Klangbild erzeugt. Eine eindeutige Kategorisierung seines Schaffens ist unmöglich, zu einzelnen Songs wäre dies zwar möglich, jedoch müßig und hier jetzt eher nicht hilfreich. Wichtig ist, dass er damit viele unterschiedliche potenzielle Zuhörer bedient und das auch mit Erfolg. So ist zwischen Indiemädchen und Technoheads alles auf seinen Konzerten zu finden. Diese Diskrepanz wird wiederum verstärkt dadurch, dass Hot Chips Joe Goddard TEEDs erste EP All In One Sixty Dancehalls auf seinem Nerdlabel Greco-Roman veröffentlichte, was Kritikerherzen höher schlagen lässt und dass seine Musik bei einem großen Telekommunikationsanbieter in der Fernseh- und Kinowerbung zu hören ist. Wer sich von dieser Diversität selber überzeugen möchte sollte sich auf der einen Seite Dipper oder Blood Pressure, auf der anderen Seite Garden zu Ohren kommen lasssen; man wird verwundert sein.
Wie jetzt hoffentlich deutlich geworden ist, lässt sich bei TEED auf fast allen Ebenen ein krasses Changieren zwischen entgegengesetzten Polen finden. Dies macht mit Sicherheit einen großen Teil der Faszination und des unglaublichen Hypes um Higginbottoms Musik und auch Person aus. Ob man von da aus jetzt auf eine neue Bewegung innerhalb der Popmusik schließen mag, welche (fast) alles zusammenbringt und nicht nur einzelnes rezitiert sollen Andere beurteilen. (Marius Wurth)

Totally Enormous Extinct Dinosaurs Debütalbum Trouble ist seit dem 08.06.2012 via Polydor/Universal erhältlich.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Death Grips - The Money Store

(Epic Records, 2012)




OK Motherfucker, let's do this!

Es gibt Alben die einen tanzen lassen wollen, die anstrengend sind, die einen schockieren, die einen begeistern, die einen abstoßen, die einen faszinieren, die häufiges Hören erfordern, die direkt beim ersten Hören sich einem erschließen.
Und es gibt Alben die das alles auf einmal tun. The Money Store von Death Grips fällt in diese Kategorie. Death Grips ist das Projekt des Rappers Stefan Burnett (MC Ride), des Produzenten/Drummers Zach Hill (u.a. von Marnie Stern) und des Produzenten/Keyboarder Andy Morin. Nach ihrem heftigen Mixtape Exmilitary, welches sich hauptsächlich auf die Vergangenheit Stefan Burnetts als Soldat bezog, ist dies nun das erste offizielle Album.
Wer sich das zu Gemüte führen möchte – was ich jedem nur empfehlen kann – der sollte sich auf einiges gefasst machen. Wo soll man anfangen? Bei den experimentellen Beats oder doch lieber beim untypischen Rapstil? Bei den Störgeräuschen die das komplette Album durchziehen oder doch lieber bei den krassen Lyrics? Bei dem schon viel erzählendem Cover oder bei den untypischen Videos?
Vielleicht beim Körper von Stefan Burnett, der auf seine eigene Art und Weise schafft die ganze Musik von Death Grips in sich zu vereinigen. Übersät mit Tattoos wechselt der physiologische Eindruck von kurz vor Zusammenbruch bis hin zu einem durchtrainierten Cage-Fighter. So wirken auch die Beats und Burnetts zwischen abgeklärtem Erzählen und schreien changierender Rapstil (gut zu beobachten bei The Cage) ständig so, als ob sie jeden Moment in sich zusammenbrechen könnten. Dabei liefern sie einem jedoch so viel Energie, dass man trotzdem immer mitgeht, fast mittanzen möchte. Hierbei würde es sich zwar um einen Kriegstanz oder wenigstens Violent Dancing handeln, das soll hier aber jetzt mal eine untergeordnete Rolle spielen. Das geht nicht immer leicht ins Ohr und ist unglaublich anstrengend, so sollte man anstatt Metallica besser dieses Album in Guantanamo spielen. Nicht, dass ich das irgendwie gutheißen, akzeptieren oder akzeptabel finden würde, aber dieser Gedanke ist nicht so weit entfernt. Mehr als zwei Durchgänge hintereinander sind schwer durchzustehen. Danach muss dann auf Beach House oder ähnliches ruhiges zurückgegriffen werden.
Gleichzeitig gibt es dann so Momente auf dem Album die einem direkt im Ohr bleiben und da auch nicht mehr rauszukriegen sind. Beispiele hierfür wären der Refrain der ersten Single Get Got oder das geloopte Sample bei Hustle Bones.
The Money Store ist ein Album, das so wohl noch nie jemand veröffentlicht hat (wenn doch: Ich bitte um Information).Und da sage nochmal jemand Hip Hop sei tot und würde keine Neuerungen mehr bringen. Und jetzt geh ich Beach House hören. (Marius Wurth)

Montag, 25. Juni 2012

Soap&Skin - Philharmonie Köln, 24.06.2012

Das finale Konzert.





Das finale Konzert. Ein langes Wochenende c/o pop neigt sich immer mehr dem Ende zu. Nach 5 beat-, alkohol- und nikotinlastigen und anstrengenden, aber nichtsdestotrotz wunderbaren Tagen konnte in der ehrwürdigen Kölner Philharmonie der Auftritt der schüchternen Österreicherin Anja Plaschg a.k.a. Soap&Skin bewundert werden.
Ein Konzert oder auch nur Veranstaltung in der Philharmonie hat immer etwas erhabenes, hochkulturelles (was bei Soap&Skin nicht so weit hergeholt ist) und erlauchtes. So herrschte auch hier vor Beginn des Konzerts einige Minuten königliche Stille im lange nicht ausverkauften Saal. Durch das unerwartet laute und erwartet großartige Erklingen Narrows elektronischstem Song Deathmental wurde die Ruhe jäh und absolut begeisternd unterbrochen. Eine leise Ahnung machte sich breit, wie erinnernswert dieser Auftritt werden sollte.
Als jungfräulicher Hörer dürfte einem diese leicht experimentelle, leidende, gefühlvolle, wunderbare und tiefgehende Musik der jungen Schweinemästerstochter erschreckend und abstoßend vorkommen. Das soll sie vermutlich teilweise auch, ist dafür aber in den anderen Stücken eindeutig zu herzlich, liebe- und gefühlvoll, um tatsächlich fürchtend zu wirken.
Wirklich fürchten sollte man sich eher um Anja Plaschg, die durch ihren Seelenstriptease auf der Bühne nicht nur einmal erschreckend zerbrechlich wirkt; als ob sie jeden Augenblick kollabieren könnte. Im krassen Gegensatz dazu steht ihre alles ausfüllende Stimme (welche Zeitweise durch eine Backgroundsängerin nochmals verstärkt wurde), welche einen vom ersten Ton an vollkommen in den Bann zieht. Ein Loslassen gibt es bei Soap&Skin sowieso nicht. So wünscht sie sich im ersten und besten Song des kürzlich veröffentlichten Mini-Albums Narrow als Made in den Sarg ihres verstorbenen Vaters. Die Songauswahl konzentrierte sich glücklicherweise nicht auf die neueste Veröffentlichung, sondern setzte sich aus beiden Alben, sowie wenigen Covern zusammen, z.B. ein wunderbares des Kelly Family Songs She's Crazy.
Als komplett schüchterne und zurückgezogene Künstlerin trat man sie noch bei ihrem 2009er Konzert in der Kulturkirche auf. Dies hat sich mittlerweile – wodurch auch immer – ein wenig aufgelöst. So sah man sie in den Phasen, in denen nur ihr 6-köpfiges (mit unterstützender Sängerin 7-köpfig) Ensemble spielte ein wenig im ausdruckstänzischen Sinne sich bewegen, was teilweise schon dirigentische Assoziationen weckte. Ihre immer noch währende, aber vollkommen sympathische Unsicherheit und Schüchternheit wurde jedoch des öfteren deutlich, am auffälligsten vor dem letzten Song, als der auf dem Flügel aufgebaute Laptop zwar abspielte, jedoch keinen Ton von sich gab. Quittiert wurde das vom guten Publikum mit herzlichem und verzeihendem Applaus. Irgendwelche Beanstandungen wären zu diesem Zeitpunkt auch nichts anderes als eine Farce gewesen, zu herausragend war dieser unvergessliche Abschluss der c/o pop. Auf dem kompletten Heimweg redeten mein Begleiter und ich gerade einmal 2 Sätze miteinander - losreißen unmöglich nach diesem unglaublichen Schlussakt. So unvergesslich war es, dass nach dem Konzert der Gedanke kam, dass dieses Konzert nichts mehr toppen könne und man deswegen auch eigentlich nie wieder eins besuchen müsse. Das finale Konzert. (Marius Wurth)

Freitag, 22. Juni 2012

Tortoise – Millions Now Living Will Never Die

(Thrill Jockey Records, 1996)



Über ein Album zu schreiben, das einen so großen Namen hat, ist mit Sicherheit eine undankbare Aufgabe. Im kollektiven Gedächtnis hat es bereits eine feste Stellung erreicht und die wird von einer mickrigen Kritik nicht angekratzt werden können. Doch wozu schreibt man sie dann überhaupt noch? Ist es ein Verneigen vor der – doch eh schon längst anerkannten – Kunst oder ein unnötiges Aufzeigen der eigenen Hör-Bildung? Oder einfach nur ein Erinnern an ein Stück Musik, das man selbst erst kürzlich (wieder) entdeckt hat und im aktuellen Diskurs für relevant hält? Und wo ist da bitte der Unterschied?
Doch zur Sache: „Millions Now Living Will Never Die“ teilt sich quasi nach dem ersten Song. „Djed“ heißt das Stück und dauert gut 21 Minuten. Schicht wird hier auf Schicht gestapelt und mit elektronischen Effekten werden Verzierungen, Zäsuren und Trennungen markiert. Immer wieder schön dabei, wie sehr Tortoise mit den Erwartungen des Hörers spielen und sie dann ungefragt über den Haufen werfen um mit einem überraschenden neuen Thema fortzufahren. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Sammlung kürzerer Riffs und Patterns irgendwo zwischen Jazz und Easy Listening, die so verbunden und in Relation zueinander gebracht werden. Diese Musik aus der Früh-Phase des Post-Rock hat mit aktuellen Bands wie Mogwai, Long Distance Calling oder Blueneck (die ich erst kürzlich im Rahmen dieses Blogs rezensiert habe) wenig gemein. Hier wird dem Rock in Post-Rock noch viel stärker aus dem Weg gegangen (zumal der Begriff in der Zeit ohnehin eher ein Hilfeschrei von Simon Reynolds war, als er eine Tortoise-Platte kritisieren sollte). Außerdem zeichnet sich insbesondere der Sound von Tortoise durch den ausgiebigen Einsatz von Mallet-Instrumenten (also Vibraphon, Marimbaphon, Xylophon etc.) und die dadurch entstehende Polyrhythmik aus (man darf sich stellenweise sicherlich zurecht an Stücke wie Steve Reichs „Music for eighteen musicians“ erinnert fühlen). Die zweite Hälfte des Albums besteht aus fünf Stücken, von denen zwei – die auch deutlich kürzer sind – quasi als Verbindungen dienen. Diese Stücke sind – und das nicht nur Aufgrund ihrer Kürze – etwas griffiger als das kolossale Hauptstück. Zwar mag das Bass-Solo-Stück „A Survey“ zu Beginn etwas nervig anmuten (obwohl es eigentlich genau das tut, was Post-Rock ausmacht: ein Riff in hypnotischer Länge wiederholen), allerdings fällt auch hier bei mehrfachem Hören die geschickte Themenvorstellung aus dem anschließenden „The Taut and Tame“ auf. Insgesamt können die kürzeren Stücke, die von ihren Riffs her fast poppig wirken, aufgrund ihrer – in der Kürze liegt die Würze – Memorabilität sogar noch mehr überzeugen als „Djed“.
Zurück auf Null: Warum also der Hype um diese Platte? Begeisterung über das kunstvolle Arrangement des ersten Titels? Oder eher über die griffigen Stücke des zweiten Teils? Wohl ein bisschen von Beidem, vermute ich. Vor allem jedoch zeigt sich beim Hören dieser Stil auf, der viel geprägt hat und doch seines Gleichen sucht. Um also auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen handelt es sich wohl vor allem um ein Erinnern oder – im Sinne der Postmodernen Theorie – um eine Neu-Kontextualisierung dieser Aufnahme. Denn zwar konnten Tortoise damals nicht ahnen – und ich unterstelle ihnen, dass es auch nie ihre Absicht war – wie viele Musiker sie begeistern und beeinflussen würden, wir aber sind heute in der Lage die verschiedenen Bands in eine Reihe zu stellen und Quer-Verbindungen zu finden oder zu konstruieren. Und das klingt jetzt wissenschaftlicher als es gemeint ist. (Sören Reimer)

Montag, 18. Juni 2012

Joey Bada$$ - 1999

(Pro. Era, 2012)


„And they told me not to be so complex. Dumb it down to accomplish articles in Complex.“

Das Complex Magazine hat eine Liste der 25 besten Rapper, die 25 Jahre oder jünger sind, veröffentlicht. Joey Bada$$ landete dort auf dem 17. Platz, obwohl er sein erstes Mixtape gerade erst veröffentlicht hat. Songs wie „Survival Tactics“, „Hardknock“ und das Mac-Miller-Feature „America“ brachten ihm jedoch vorab schon viel Aufmerksamkeit und Lob (unter anderem outete sich Big K.R.I.T. als Fan). Auch die beiden übrigen Rapper auf dem Song „America“ haben es in die Complex-Liste geschafft, Casey Veggies mit seinen 18 Jahren auf Platz 22, Mac Miller (20 Jahre) ist sogar in den Top Ten gelandet. Angeführt wird die Liste übrigens vom 25-jährigen Drake.

 „Since nine five, momma been working nine five.“

Joey Bada$$ rappt hier tatsächlich von seinem Geburtsjahr: 1995 geboren, also gerade einmal 17 Jahre alt, hat er noch acht Jahre Zeit, um sich an die Spitze der Liste zu kämpfen und Drake zu verdrängen. Doch Joey klingt hier nicht wie ein Teenager und die immer wieder gezogenen Vergleiche mit Tyler, The Creator oder Earl Sweatshirt von der OF-Posse sind daher auch völlig fehl am Platz. Zwar ist auch Joey Teil einer Crew (Pro. Era Crew) und lässt alle Mitglieder im finalen zwölfminütigen Stück „Suspect“ zu Wort kommen (ähnlich wie Odd Future bei ihrem Posse Cut „Oldie“), doch herrscht hier nicht der jugendliche Übermut und Wahnsinn, für den Odd Future bekannt sind. Stattdessen agiert Joey Bada$$ deutlich entspannter und abgeklärter, als man es von einem 17-jährigen erwartet hätte.

„Traded in my Nikes for a new mic. I guess it’s safe to say he sold soles for his new life.“

Auch wenn er schon als Hoffnungsträger und Zukunft des Hip Hop gehandelt wird, auf seinem ersten Mixtape beschäftigt sich Joey Bada$$ eher mit der Vergangenheit des Hip Hop, ohne allerdings in die Retro-Falle zu tappen. Schon der Titel ist aufschlussreich: 1999 als das letzte Jahr in der goldenen Dekade des Hip Hop, für Joey ein „‘last hope’ type of thing“. Neben Nas, Jay-Z und B.I.G. gehört MF Doom zu seinen Lieblingskünstlern, für zwei Songs verwendete er Beats der Produzentenlegende. Auch bei anderen Größen wie J Dilla, Lord Finesse und Statik Selektah hat er sich bedient, zeigt aber, dass er auch über experimentellere Beats (beispielsweise „Killuminati“) von Knxwledge bestechend gut rappen kann. Wer also auf Eastcoast-Rap, auf „Illmatic“ von Nas, gute Wortspiele, nachdenklich-melancholische Momente („Waves“, „Hardknock“) aber auch kampflustigere Tracks („Survival Tactics feat. Capital STEEZ“) steht, sollte 1999 definitiv eine Chance geben. Zumal es kostenlos ist.

„They don't feel the name.  But they say that music dope though.“

Der Künstlername und vor allem die zwei Dollar-Zeichen darin sind tatsächlich blöd. Allerdings kann ich mich Joeys Rat, der sich früher übrigens JayOhVee  nannte, nur anschließen: „Fuck it. It’s not really about the name. Just listen to the music.“ (Daniel Welsch)

Dienstag, 5. Juni 2012

Rocket Juice & The Moon – Rocket Juice & The Moon

(Honest Jon’s Records, 2012)





Damon Albarn und Honest Jon’s versuchen mal wieder den Ruf der Weltmusik zu retten, wobei diese völlig zu Recht in Verruf geraten ist (man denke nur an die furchtbare Weltmusik-Abteilung in jedem Elektronikmarkt!). Schon der Begriff an sich ist irreführend, meint man bei Weltmusik doch meistens scheinbar afrikanische/asiatische Einflüsse in den Werken von Pop-/Jazzmusikern, welche diesen einen exotischen Touch verleihen sollen. In dieser Hinsicht wäre der Begriff bei Rocket Juice & The Moon schon eher angebracht, waren hier doch immerhin Musiker aus England, Amerika, Australien, Ghana und Mali beteiligt (aufgenommen wurde zudem in London, Paris und New York, gemastered in Berlin).
Bei Rocket Juice & The Moon handelt es sich um eine „Supergruppe“, die im Kern aus Damon Albarn, dem Chili Pepper Flea am Bass und Tony Allen, der als Schlagzeuger in Fela Kutis legendärer Band den Afrobeat entscheidend prägte, besteht. Allen und Albarn hatten ja bereits bei The Good, The Bad & The Queen (auch so eine „Supergruppe“) zusammengearbeitet, Flea lernten die beiden angeblich beim Flug nach Lagos kennen.
Trotz des „Supergruppen“-Etiketts drängen sich beim ersten Hören des Albums eher die größtenteils weit weniger bekannten Gastmusiker in den Vordergrund: Die Sängerinnen Erykah Badu und Fatou Diawara, der Rapper M.anifest oder das Hypnotic Brass Ensemble. Vor allem Damon Albarn hält sich meist im Hintergrund auf, steuert zu vielen Songs nur vereinzelte Synthie- oder Elektrosounds hinzu, einzig das von ihm gesungene „Poison“ trägt deutlich seine Handschrift: Es ist der einzige Song des Albums, der an die Britpop-Zeiten Albarns bei Blur erinnert. Ansonsten bewegt sich das Album irgendwo zwischen Afrobeat, Soul, Funk, Dub und Hip Hop, wobei die Hälfte der Songs Instrumentalstücke sind.
Es handelt sich zwar um sehr repetitive und grooveorientierte Musik, die in gemeinsamen Jam-Sessions entstanden ist, doch wer jetzt mit langen und ausufernden Songs rechnet, der irrt: Gerade die instrumentalen Stücke sind meist nur um die zwei Minuten lang und wirken oft wie Songskizzen. Manche dieser Skizzen hätten dabei ruhig ein wenig länger ausgearbeitet werden können. Trotzdem handelt es sich bei diesen Instrumentalstücken, die in der Regel hauptsächlich aus einem Groove von Schlagzeug und Bass bestehen, um weit mehr als nur Lückenbüßer, auch wenn die Highlights des Albums eher bei den übrigen Stücken zu finden sind.
Zu diesen gehören sicherlich der Gastauftritt von Erykah Badu in „Hey, Shooter“ und die vier Songs, in denen M.anifest aus Ghana rappt. Die rhythmusbetonte Musik erweist sich als ideale Grundlage für seinen Sprechgesang und auch die Einwürfe des Hypnotic Brass Ensemble können sich darüber gut entfalten. Die Sängerinnen und Sänger sorgen zusammen mit dem Brass Ensemble außerdem dafür, dass auch die Melodien bei diesem Projekt nicht zu kurz kommen. Allerdings liegt hier das Problem des Albums: Es scheint seltsam hin und her gerissen zwischen den klassischen Popsongstrukturen in diesen Stücken und der offeneren Form der Instrumentaljams, die eher an Tracks der elektronischen Tanzmusik erinnern. Dies führt dazu, dass man das Album als zweigeteilt wahrnimmt und als Hörer gefordert ist, diese beiden Pole irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Was sich allerdings durchaus lohnen kann!
Bleibt am Ende nur zu hoffen, dass Rocket Juice & The Moon nicht bei Saturn in der Abteilung Weltmusik landen. (Daniel Welsch)

Samstag, 2. Juni 2012

Ja, Panik – DMD KIU LIDT

(Staatsakt, 2011)
(Daniel Welsch)


Festivals an sich.


Die Festivalsaison ist mittlerweile in vollen Zügen dran, Zeit für eine kurze Typisierung dieser Großveranstaltungen.



Es ist augenscheinlich, dass in den letzten Jahren immer mehr, immer kleinere und immer lokalere Festivals aus dem Boden geschossen sind, wodurch auch ein immer größerer Prozentsatz auch nicht musik-interessierter Musikhörer die wohlbekannten und immer wieder wohlbegutachteten Bändchen mit Stolz um sein sonnengegerbtes Handgelenk trägt. Da will man natürlich seinen Freunden und Bekannten in nichts nach stehen und sucht sich das nächstbeste Umsonst & Draußen Festival aus, auf welchem man häßliche orange-schwarze Bänder zu 2€ erstehen kann, die einen dann die nächsten 1-2 Jahre begleiten, bevor sie zu abgewrackt aussehen, als dass man es noch länger ertragen könnte sie an sich zu lassen. Das Trinken und Eskalieren, das Entfliehen von den noch sehr mächtigen Eltern und das Ausrasten dürfen machen den Tag, sofern noch in der Erinnerung vorhanden, zu einem ganz besonders tollem Erlebnis, endlich darf man sich mal als Teil einer nicht-mehr-ganz-so-Subkultur fühlen. Die Musik ist natürlich auch MEGAGEIL, Culcha Cundela haben die beste Party, die Broilers den fettesten Moshpit, Madsen sind ja eh die Coolsten,die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt sooooo schön, .
Nach 2-3 Jahren des Besuchs dieser Feierlichkeit stellt man fest, dass einem das nicht mehr reicht. Man ist ja schließlich schon fast volljährig, trinkt mehr, ist – so gaukelt man sich gekonnt vor – unabhängiger von Mami und Papi und will weiter.
Erste Adresse sind dann selbstverständlich die Massenfestivals à la RaR/RiP und Hu/So, die neben altgedienten – böse Zungen würden sagen ausgedienten – Bands auf viel zu großen Bühnen vor viel zu großen Publikumsräumen mit mehreren Leinwänden, auch mit 5 Tage Dauercampen und vor allem -saufen dienen können. Der Alkoholkonsum wird hier zu neuen Grenzen getrieben, genau wie eine Assozialität die von purer Zerstörungswut (abgebrannte Zelte, auseinandergenommene Pavillions, umgekippte Dixis), bis hin zum Anbieten bepisster Bratwürste an Mitfestivalgänger reicht. Nach diesen 3-6 Tagen wird ein Saustall hinterlassen, der seinesgleichen sucht. Wozu gibt es denn auch Mülldienste und Putzfrauen? Die verlieren sonst ja ihren Job. Ach ja, die Dauerbeschallung durch die Böhsen Onkelz darf hier natürlich nicht fehlen.
Mit ein wenig Erziehung, eintretender geistiger Reife und einer Portion Glück, kommt es nach den üblichen 2-3 Jahren zu einem erneuten Sinneswandel. Dieser äußert sich in einer Fokussierung auf kleinere und andere Festivals. Hier steht der typische Festivalgänger an einem Scheideweg. Entscheidet er sich dafür auf den angesprochenen Massenfestivals zu bleiben, für die kleinere Version der Massenfestivals oder für eine pseudo-subkulturelle Version.
Fall 1: Alles bleibt so wie es ist. Deichkind machen die beste Party, Slayer und RATM haben die geilsten Moshpits, die Ärzte aus Berlin sind einfach die beste Band der Welt, die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt mal wieder sooooo schön.
Fall 2: Die ganze Schose verteilt sich nicht mehr auf 60-80.000 – für 5 Tage im Jahr glückliche – Seelen sondern auf 10-30.000. Ein Unterschied zu den Umsonst & Draussen bzw. den Massenfestivals ist kaum auszumachen. Frittenbude macht die beste Party, Rise Against haben die geilsten Moshpits, die „Beatsteaks aus Berlin“ sind einfach die beste Liveband der Welt, die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt immer noch sooooo schön. Solche Festivals zeichnen sich dann auch gerne durch extrem schlechtes Wetter („Rocco del Schlammo“) oder gewollt coole Nähe zur Natur aus („Wir beim Taubertal haben das Festivalgelände direkt an einem Fluss, wir sind ja solche Hippies!!!!“)
Fall 3: Dieser dritte Fall ist ein spezieller. Hier sind es beinahe Auserwählte, die dieses Festival besuchen dürfen (ca 4-8.000) und genauso auserwählt ist dann die Musik. WhoMadeWho machen die beste Party, Iceage haben die geilsten Moshpits, Wir sind Helden aus Berlin sind die beste Band der Welt, die Gitarristin der Blood Red Shoes ist einfach super heiß und Clueso, ähm Phillip Poisell singt sooooo schön. Hier wird die Assozialität zurückgeschraubt und zu einem wirklichem Pseudo-Hippietum – nicht wie oben genannt zu einem Möchtegern-Pseudo-Hippietum – umfunktioniert. Die Umwelt, die Dorfgemeinschaft und die Musik sind hier die wahren Werte und nicht einmal im Jahr aus dem grauen Alltagstrott herauszutreten und 5 Tage sich so benehmen können wie man möchte.
Flunkyball, der Sport des heruntergekommenen, stimmungs- und alkoholbedürftigen Festivalgängers wird auf allen gespielt. Ausnahme davon ist eine besondere Art des Festivals, ich nenne es jetzt mal die Stadtfestivals wie das Berlin Festival, das Reeperbahnfestival in Hamburg oder die c/o-pop in Köln. Hier wird sich dann vollkommen auf die Musik konzentriert, die Zeltplatzparty davor oder danach wird vollkommen vermieden, man geht nach den Konzerten und den Aftershowparties brav zu sich nach Hause oder in das gemietete Ho(s)tel und schläft gemütlich und langweilig in gemachten Betten, bevor es am nächsten Tag ausgeruht und in alter Frische weitergeht.

Jetzt bleibt mir nur noch eins: Dir viel Spaß zu wünschen auf dem Festival deiner Wahl. Für mich werden es dieses Jahr mindestens 4 werden. (Marius Wurth)

Freitag, 1. Juni 2012

Japandroids - Celebration Rock

(Polyvinyl, 2012)



 Ein neues Jahr beginnt

Das Gefühl eines neuen Jahres macht sich breit auf dem lang erwarteten neuen Album – mal abgesehen von der zwischenzeitlich erschienenen, grandiosen Veröffentlichung älterer Songs und B-Seiten namens No Singles – des aus Vancouver stammenden Duos, bestehend aus Brian King (Gitarre, Vocals) und David Prowse (Schlagzeug, Vocals). Zum Jahreswechsel werden bekanntermaßen Böller gezündet, im Opener The Nights Of Wine And Roses auch. Wie gewohnt liefern die Japandroids auf den ersten drei Stücken gekonnt ein Feuerwerk ihres gewohnten Garagesounds ab. „On Fire's Highway tonight“ passt da natürlich wie die oft zitierte Faust aufs Auge.
King's Gitarre baut hier wieder Wände auf, dass man glaubt The Grateful Dead ständen leibhaftig vor einem oder wenigstens, als ob eine Basketballmannschaft auf diversen elektrischen Saiteninstrumenten hemmungslos in die Vollen ginge. Dazu das treibende Schlagzeugspiel von Prowse, das Übersteuern in einigen Liedern (For The Love Of Ivy) und man möchte sofort in den nicht vorhanden Moshpit in seinem Wohnzimmer springen. Die Sonne, die gute Laune und die langen und ausufernden Sommernächte sind nach langer Wartezeit endlich wieder da.
Wer die Japandroids schon ein wenig länger verfolgt wird aufgefallen sein, dass die Cover der verschiedenen Veröffentlichungen sich stark ähneln. Same procedure as every year? Nicht ganz. Als 2-Mann starke Band sind die Entwicklungsmöglichkeiten natürlich eher begrenzt, die augenscheinlichste Weiterentwicklung ist jedoch eindeutig die Produktion, die viel ausgereifter und professioneller wirkt, dabei jedoch in keinster Weise den amateurhaften Charme verliert, der sie bisher auszeichnete.
Bei der herausragenden ersten Single The House That Heaven Built geht es dann – es ist ja schließlich mittlerweile Herbst geworden - ein bisschen nachdenklicher, aber keineswegs ruhiger und weniger energetisch („Tell them all to go to hell) zu.
Zum Abschluss werden zur Abwechslung ruhigere Töne angestimmt, das Jahr neigt sich dem Ende zu, der Winter ist gekommen, es wird besinnlich und man reflektiert den anhaltenden Donner der vergangenen Monate. Die Knallkörper kehren ganz am Ende noch einmal zurück und man weiß es war ein verdammt gutes Jahr und ist davon überzeugt, dass das nächste Jahr mindestens genauso gut wird. Und das danach. Und so weiter. (Marius Wurth)