(4AD,
2013)
Wenn ich
nun sagte, dass Daughter eine ganz typische Indie-Band wären,
hätte ich damit wohl etwa zu gleichen Teilen Recht und Unrecht. Denn
zwar bedient das Trio aus London alle Klischees des Genres, aber auf
der anderen Seite haben sie doch eine Art, den Zuhörer zu berühren,
die ihnen völlig zu eigen ist.
Das
fängt schon bei den textlichen Bezügen an – der Name Daughter
gibt es bereits ein Stück weit vorweg. Elena Tonra macht in ihren
Texten ein zerbrechliches, ungeschütztes Gefühl erfahrbar, wie es
wohl Kinder fühlen würden, würde ihnen der ihnen eigene Idealismus
und ihre Naivität fehlen. Und dies ist tatsächlich nicht nur ein
mittelmäßig gewähltes Bild, sondern eine textliche Darstellung,
die sich beim Hören geradezu aufdrängt:
„You
will always find another place to go,
You will
always find another womb to grow.“
-
Lifeforms
Bei
diesem Zitat handelt es sich sogar um den einzigen Text-Fetzen, den
Daughter quasi programmatisch in ihrem bunt bebilderten Booklet
angeben. Aber es gibt noch weitere Passagen in den Texten, die das
Kindliche des (der) Lyrischen Ichs unterstreichen oder zumindest
andeuten:
„In
the darkness I will meet my creators,
And they
will all agree that I'm a suffocator.
Oh,
look: I'm sorry if smothered you.
I'm
sorry if smothered you.
I sometimes wish I stayed inside my mother,
I sometimes wish I stayed inside my mother,
Never to
come out.“
-
Smother
Ansonsten
kreisen die Texte in wunderschönen Bildern um das Lieben und Leben
junger Erwachsener und dabei ist die bittersüße Hit-Single „Youth“
nur die Spitze des melancholischen Eisbergs (hier besonders schön
die Feststellung: „And if you are in love then you are the lucky
ones,/ For most of us are bitter over someone./ Setting fire to our
insides for fun,/ Collecting names of the lovers that went wrong.“).
Musikalisch
nutzen Daughter, wie oben schon erwähnt, die musikalischen Klischees
des Genres vollkommen aus. Unverzerrte elektrische Gitarren,
verhallter Gesang, tiefe Toms am Schlagzeug, dezente Elektro-Sounds
und all das in einer an Post-Rock erinnernden Melange, die den
ruhigen, introvertierten Gesang (der irgendwo zwischen Feist
und The XX anzusiedeln ist) untermalt. Zudem erfährt jeder
Song gegen Ende hin eine ganz besondere Steigerung, die sich voll
düsterer Energie über dem Zuhörer entlädt. Einzig der Song
„Human“ (der die zweite Single-Auskopplung aus dem Album ist),
fällt – als durchgehend treibend-laute Up-Tempo-Nummer – aus
diesem Schema raus. Insgesamt fügt sich das Album aber doch
harmonisch und an keiner Sekunde langweilig zusammen. Aber es kann
durchaus ein paar Hördurchgänge dauern, bis alle Songs eben die Stärke
gewinnen, die dem Hörer bei Youth sofort ins Ohr geht.
Die
Produktion des ganzen Albums klingt wunderbar wie aus einem Guss und
der Sound schmeichelt dem Zuhörer angenehm, sodass man sich leicht
auf die Texte oder musikalische Feinheiten konzentrieren kann, wenn
man das möchte.
Insgesamt
legen Daughter mit ihrem Debüt also ein durchaus überzeugendes
Exemplar ihrer Zunft vor, dass doch noch so viel Eigenständigkeit
besitzt, dass man sich sicherlich noch länger daran erinnern wird.
(Sören Reimer)