Im April veröffentlichten
Ventura ihr drittes Album Ultima Necat, auf dem das Trio aus Lausanne eine
düstere Mischung aus Noise- und Postrock präsentiert. Wir sprachen mit dem
Sänger und Gitarristen Philppe Henchoz über die Inspiration zu Ultima Necat, den
Einflüssen der Band und die Zusammenarbeit mit David Yow von The Jesus Lizard.
Das neue Album Ultima Necat ist nach einem lateinischen Sinnspruch über Zeit und
Vergänglichkeit benannt. Wieso habt ihr dieses Motto als Albumtitel gewählt?
Philippe Henchoz: Der
Tod ist nun mal das Einzige im Leben, dessen man sich sicher sein kann. Ich bin
wohl ein wenig von diesem Thema besessen und hatte außerdem noch
gesundheitliche Probleme im letzten Jahr. Das lässt einen darüber nachdenken,
wo die Reise letztendlich hingeht. Der zweite Grund für den Albumtitel ist
meine Faszination für die römische Kultur. Ich hatte Latein in der Schule und
mochte das Fach. „Vulnerant omnes ultima necat“ („Alle [Stunden] verletzen, die
letzte tötet“) ist eine realistische Beobachtung.
Außerdem passt es wohl auch gut zu der
dunklen und depressiven Stimmung der Songs?
Genau!
Habt ihr diesen dunklen Sound bewusst
gewählt oder ergab sich dieser durch die gesundheitlichen Probleme?
Die
Hälfte der Songs hatten wir bereits zuvor geschrieben, die andere Hälfte
entstand danach. Also war diese dunkle Stimmung schon vor den gesundheitlichen
Problemen zu spüren. Es war keine bewusste Entscheidung, ein depressives Album
aufzunehmen. Es ist einfach so passiert.
Was sind die größten Unterschiede zu den
beiden Vorgänger-Alben Pa Capona und
We Recruit?
Das
Songwriting auf Ultima Necat ist persönlicher, außerdem sind die Songs simpler. Was
ich persönlich sehr gut finde, denn wenn ein Song 25 verschiedene Parts hat,
dann nervt das auf Dauer. Aber vieles haben wir beibehalten. Wir haben das neue
Album mit dem Produzenten Serge Morattel aufgenommen, der auch schon den
Vorgänger betreute. Wir waren sehr glücklich mit dem Klang von We Recruit und dem ausgewogenen
Verhältnis zwischen allen Instrumenten und wollten deshalb kaum etwas ändern.
Seid ihr auch beim Songwriting und bei
den Aufnahmen ähnlich vorgegangen wie beim Vorgänger?
Ich
denke, dass wir dieses Mal etwas besser vorbereitet waren. Wir hatten die Songs
bereits arrangiert, bevor wir ins Studio gingen. Vielleicht hört man das nicht
immer, aber so war es! (lacht) Serge Morattel ist ein großartiger Musiker und
machte bei den Aufnahmen zu We Recruit
gute Vorschläge. Aber dieses Mal waren die Arrangements größtenteils fertig,
deshalb sagte er lediglich: „Ich denke, das klingt gut. Lasst uns so
weitermachen!“ Außerdem sind die Songs ja simpler, das machte es einfacher.
Aber Nothing Else Mattered war
schwierig einzuspielen, weil es sehr schnell ist und wir alle Songs live
aufgenommen haben. Natürlich gibt es einige Overdubs und die Stimme wurde erst
nachträglich eingesungen, aber den Rest haben wir gemeinsam live in einem Raum
eingespielt.
Ventura - Nothing Else Mattered
Was beim Hören eures neuen Albums auffällt: Die Stimme rückt in der Produktion sehr in den Hintergrund, scheint sich manchmal beinahe hinter den übrigen Instrumenten zu verstecken. Liegt das an den persönlichen Texten, von denen du eben gesprochen hast?
Ich
könnte nicht in einer rein instrumentalen Band spielen, aber ich möchte meine
Stimme auch nicht in den Vordergrund stellen, denn ich bin nicht sehr glücklich
mit ihrem Klang. Ich mag Musik mit Gesang, aber dieser sollte nicht zu sehr im
Mittelpunkt stehen. Ich mag es, wenn die Stimme in den Gitarren verschwindet.
Die meisten Sänger, die man in der Rockmusik hört, sind wütende und schreiende
Sänger. Ich kann das nicht mehr hören. Deshalb singe ich mehr als ich schreie,
dadurch gerät die Stimme aber auch automatisch in den Hintergrund.
Amputee ist mit Abstand der längste Song auf
dem Album. Würdest du sagen, dass er das Herzstück des Albums darstellt?
Ja,
ich bin sogar der Meinung, dass es der beste Song ist, den wir je geschrieben
haben. Wir waren uns zuerst nicht sicher, ob wir diese lange Version für das
Album nutzen sollten. Aber ich bereue es nicht und bin sehr stolz darauf. Serge
überzeugte uns davon, die lange Version auf das Album zu packen und den Song an
zentraler Stelle im Album zu platzieren. Jemand, der die Band bereits seit
Längerem kennt, ist eventuell etwas überrascht, wenn er Amputee hört.
Ventura haben in der Vergangenheit
relativ viele Split-Singles mit anderen Bands aufgenommen. Mögt ihr den
kreativen Austausch mit anderen Musikern oder weshalb habt ihr diese
Veröffentlichungsform gewählt?
Ich
habe früher viele Split-Seven- und Ten-Inches gekauft, ich war ein echter
Sammler. Mittlerweile habe ich damit aufgehört, aber ich mag immer noch die
Idee dahinter. Ich kaufte mir die Split-Single wegen einer Band, entdeckte dadurch
aber auch eine andere. Unsere Split-Singles entstanden immer mit Bands, die wir
getroffen hatten und mochten und mit denen wir mehr machen wollten, als uns
lediglich zu betrinken. Es sind auch stets schöne Erinnerungen an tolle
Begegnungen mit anderen Musikern.
Die Zusammenarbeit mit David Yow von The
Jesus Lizard war sicherlich auch eine dieser besonderen musikalischen
Erfahrungen?
Definitiv,
das war besonders. (lacht) Mit David Yow zusammenzuarbeiten war großartig und
völlig unerwartet. Wir wollten mit einem internationalen Star zusammenarbeiten
und machten deshalb eine Liste mit möglichen Partnern für Kollaborationen, aber
Yow war nicht einmal auf dieser Liste. Ich nehme an, dass der einfache Grund
für seine Zusage war, dass er zu der
Zeit nichts zu tun hatte und dafür bezahlt wurde. Es war ziemlich schwierig für
uns, aber mit Sicherheit auch für ihn. Er flog aus den Staaten hierher, kannte niemanden und musste auf der Stelle in ein kleines Studio, um die Vocals
für einen Song aufzunehmen, den er ebenfalls kaum kannte. Das war sicher nicht einfach. Aber die zwei Songs sind trotzdem gut und es war eine Ehre, mit ihm zu
arbeiten.
Am
meisten wird mir von dieser Begegnung in Erinnerung bleiben, was für ein cooler
und netter Mensch David Yow ist – und wie lustig er sein kann. Er hat das Image
eines Clowns, aber er ist das genaue Gegenteil. Er kann zwar lustig sein, aber
er ist ein sehr intelligenter und gefühlvoller Typ. Er war zu der Zeit krank
und auf Antibiotikum, deshalb konnte er nichts trinken. Das hat nicht gerade
geholfen, dadurch fühlte er sich wohl noch etwas verlorener… (lacht)
Ventura feat. David Yow - It's Raining On One Of My Islands
Würdest du sagen, dass Yow und seine Band zu euren Einflüssen gehören?
Fast
alle unsere musikalischen Einflüsse stammen aus den 90er Jahren: Drive Like
Jehu, Nirvana, Stanford Prison Experiment, Quicksand, Helmet, Superchunk. The
Jesus Lizard entdeckte ich durch eine Split-Single mit Nirvana, aber ich
verstand deren Song nicht. Ich mochte Nirvana, aber Jesus Lizard klang einfach
nur komisch. Heute verstehe ich es und mag es, aber ich würde sie nicht als
Einfluss bezeichnen. Duane Denison ist so ein verdammt guter Gitarrist, ich
könnte nicht einen seiner Songs nachspielen. (Daniel Welsch)