Ich schreibe der Musik eine Aufgabe zu.
Musik soll fühlen lassen. Sich erfühlen, nachfühlen
und ein Mitfühlen zulassen. Mutig ist der Künstler, der seine
eigene Person und Seele in dem Maße zum Gegenstand der Musik macht,
dass sie die Gefühle auf einer Ebene transportieren, welche abholt.
Die dich versinken lässt, in deine Gedanken, deine Emotionen.
Hast du einen Künstler gefunden, der genau das in dir
auslöst, dann wird das Hören einer neuen Veröffentlichung zur
Mutprobe. Es soll weder in alten Schubladen gekramt, noch eine nicht
nachvollziehbare 180Grad Wendung vollzogen werden.
Ich habe mich 2 Monate nicht an die Veröffentlichung
des 9. Studioalbums von Chan Marshall, alias Cat Power, getraut.
Zu großartig ist das alte Schaffen der
Singer-/Songwriterin, zu sehr wurde Sun von Kritikern
als komplette Abkehr aller Gewohnheiten gesehen.
Von bisherigen oftmals
souligen und blueslastigen Einflüssen und Vorlieben, wie sie auf The
Greatest (2006) letztmalig aus
Marshalls eigener Feder oder auf der 2008 erschienenen Coverplatte
Jukebox zu vernehmen
waren, ist reinweg nichts mehr zu hören. Auch wurde nun der
instrumentale Teil merklich heruntergeschraubt: alleingestellte
kratzige Gitarrenlastigkeit und zerrissene Pianoklänge in der
Begleitung - für die Cat Power der 90er typisch (etwa Moon
Pix 1998) - nehmen nur noch
einen minimalen Teil der Aufnahmen ein.
Ein Griff in die
Schublade von Bekanntem ist das Experimentieren mit Beat wie schon
bei You Are Free,
sowie eine nur Cat Power eigene Art, Songtexte zu verfassen: So
findet man minimalistisch gehaltene Traumsequenzen in sich
wiederholenden, hypnotischen Schleifen und teilweise greifbare Sätze,
welche in eine undurchsichtige Poesie ausschweifen, wieder.
Cat Power war in
vielen Songs die nacktere, kaputtere und reduziertere PJ Harvey. Die
zerbrechlich-entrückte Chan Marshall, geprägt von Alkohol, Drogen,
Außenseitertum, Selbstmordgedanken- vor allem aber der damit
einhergehenden Verletzlichkeit in Gesang und Instrumentierung- ist
auf Sun weit weniger
präsent. Warum? Dieses Album soll einen Weg heraus aus der
Depression, der Verletzlichkeit aufzeigen:
„Moon Pix
handelte noch von extremer Isolation und dem Überleben in diesem irren Kampf. […] Sun ist dagegen ein Nicht-
Zurücksehnen und Weitermachen. Ein zuversichtlicher Gang in die eigene Zukunft, hin
zu persönlicher Kraft und Erfüllung.“
Mit diesem Konzept im Hinterkopf lässt sich viel aus dem Album ziehen, welches in vollkommener Selbstbestimmung von Marshall selbst geschrieben, eingespielt, produziert und mit Opfern auch finanziert wurde. Eine ungeheure Bandbreite ergibt sich, welche von tanzbar-elektronisch, über Rap-inspiriert, bis hin zu Latin Loops, wabernden Gitarrensounds und hypnotischen Meditationssequenzen reicht. Die Produktion, gemastert von Philippe Zolar, erscheint sehr nah, einfach und unfertig im Mix. Hier ist die Bass Drum zu präsent über jeglichen anderen Instrumenten, dort verliert sich Marshalls Stimme - doch die DIY-Attitüde ist dadurch gegeben.
Die ersten Songs weisen einen treibenden, nach vorne gerichteten Beat auf, der poppiger klingt als alles, was bisher von Cat Power geschrieben wurde. Gerade der Opener „Cherokee“ besticht durch großartige Drumbeats, gepaart mit Synthies, einer durchgängigen Klaviermelodie und einem unverkennbaren verschleiert-wabernden Gitarrenriff. Die eigene Stimme wird typischerweise mit Filtern überzogen und im Hintergrund geschichtet. Es ist ein eigenwilliger, aber verdammt hörenswerter Remix des Songs von Nicolas Jaar im Internet verfügbar!
Auch „Sun“, der Titeltrack des Albums, spricht von Befreiung und Erlösung („We are free, with me, we can finally run“). Eine einfach gehaltene Gitarre, durchgehend gezogene Synthieeinwürfe, basierend auf vornehmlich 2 Akkorden und der beschwörende Gesang lassen dem Groove nichts ab.
Korruption und Zerstörung auf globaler Ebene werden mit dem Album ebenfalls gehandelt, so will es der Idealismus. Die Leadsingle „Ruin“ stellt mit einer stempelgleich einprägenden Melodie auf eine treibende vorwärtsgerichtete Weise mit Hilfe eines Piano Loops und einer klar erklingenden Gitarre einen popkompatiblen Song dar. Klingt viel, ist es für Cat Power-Verhältnisse auch. Es handelt sich hier um den einzigen Song, bei dem Hilfe mit im Spiel war: Gitarre, Bass und Schlagzeug wurden von externen Musikern eingespielt.
Doch nicht nur in diesem Song appelliert Chan Marshall an die Menschheit: „Peace and Love“, der würdige Closer des Albums, macht auch dem Ärger über Welt und Politik Luft. Ein launischer Groove und „victory refrains“ in Form von einfachem „Na na na“- Gesang sind entfernt der Punkrockattitüde entlehnt. Der gesamte Song erscheint übersät mit rauer unebener Elektronik und Gitarre, Besonderheit hierbei ist das fast schon Rap-Lastige. Ab etwa der Hälfte des Albums stellt sich eine gediegenere Ruhe ein. „Always On My Own“ erinnert entfernt an eine Meditation, auch „Human Being“ hat eine hypnotische Wirkung, bei der auf eine dahinschweifende Gitarre über Individualität sinniert und auf Rechte gepocht wird („You've got a right to be/ What you want and where you wanna be“). Mit „Manhattan“ wird noch ein seichter Elektropop eingeschoben. Persönliche Highlights auf Cat Power Platten sind definitiv ausufernde Sinnier-Songs. „Nothing But Time“ möchte diesen Moment des schweifenden Nachdenkens geben. Wie der Titel es schon andeutet, werden lebensbejahende „Kopf-Hoch-Jeder-Kann-Ein-Superheld-Sein“-Zeilen über 11 Minuten gezogen. Das ist leider auch das richtige Wort hierfür: gezogen. Die Länge erscheint zäh, dazu trägt auch die Dezimierung auf 2 Akkorde bei. Die Besonderheit des Songs sollen die Back Up Vocals von Iggy Pop darstellen. Iggy wer? Eine vollkommen kitschig anmutende, vibratoübernutzte Stimme mischt sich als gedachter Höhepunkt zum Ende des Songs ein, die dort nichts zu suchen hat.
Sei sowohl über Mr. Pop als auch über die unheimlich viele Elektronik als meine kleinen Aufreger hinweggesehen, so stellt sich nach mehrmaligem Hören und Verstehen die typische Gediegenheit nach dem Hören eines Cat Power Albums ein.
Denn Cat Power ist eine Künstlerin, die genau das Mitfühlen ermöglicht, die abholt. Sie ist mutig, macht sie doch ihre Seele zum Gegenstand ihrer Musik. Auch elektronische Grenztests kann ich als Synthie-Muffel ihr nicht verübeln, bleibt sie dahinter doch stets ehrlich. Meine Lieblingsplatte ist es von ihr zwar nicht geworden, aber immerhin eine beachtlich hörenswerte. (Maxi Wüstenberg)
Mit diesem Konzept im Hinterkopf lässt sich viel aus dem Album ziehen, welches in vollkommener Selbstbestimmung von Marshall selbst geschrieben, eingespielt, produziert und mit Opfern auch finanziert wurde. Eine ungeheure Bandbreite ergibt sich, welche von tanzbar-elektronisch, über Rap-inspiriert, bis hin zu Latin Loops, wabernden Gitarrensounds und hypnotischen Meditationssequenzen reicht. Die Produktion, gemastert von Philippe Zolar, erscheint sehr nah, einfach und unfertig im Mix. Hier ist die Bass Drum zu präsent über jeglichen anderen Instrumenten, dort verliert sich Marshalls Stimme - doch die DIY-Attitüde ist dadurch gegeben.
Die ersten Songs weisen einen treibenden, nach vorne gerichteten Beat auf, der poppiger klingt als alles, was bisher von Cat Power geschrieben wurde. Gerade der Opener „Cherokee“ besticht durch großartige Drumbeats, gepaart mit Synthies, einer durchgängigen Klaviermelodie und einem unverkennbaren verschleiert-wabernden Gitarrenriff. Die eigene Stimme wird typischerweise mit Filtern überzogen und im Hintergrund geschichtet. Es ist ein eigenwilliger, aber verdammt hörenswerter Remix des Songs von Nicolas Jaar im Internet verfügbar!
Auch „Sun“, der Titeltrack des Albums, spricht von Befreiung und Erlösung („We are free, with me, we can finally run“). Eine einfach gehaltene Gitarre, durchgehend gezogene Synthieeinwürfe, basierend auf vornehmlich 2 Akkorden und der beschwörende Gesang lassen dem Groove nichts ab.
Korruption und Zerstörung auf globaler Ebene werden mit dem Album ebenfalls gehandelt, so will es der Idealismus. Die Leadsingle „Ruin“ stellt mit einer stempelgleich einprägenden Melodie auf eine treibende vorwärtsgerichtete Weise mit Hilfe eines Piano Loops und einer klar erklingenden Gitarre einen popkompatiblen Song dar. Klingt viel, ist es für Cat Power-Verhältnisse auch. Es handelt sich hier um den einzigen Song, bei dem Hilfe mit im Spiel war: Gitarre, Bass und Schlagzeug wurden von externen Musikern eingespielt.
Doch nicht nur in diesem Song appelliert Chan Marshall an die Menschheit: „Peace and Love“, der würdige Closer des Albums, macht auch dem Ärger über Welt und Politik Luft. Ein launischer Groove und „victory refrains“ in Form von einfachem „Na na na“- Gesang sind entfernt der Punkrockattitüde entlehnt. Der gesamte Song erscheint übersät mit rauer unebener Elektronik und Gitarre, Besonderheit hierbei ist das fast schon Rap-Lastige. Ab etwa der Hälfte des Albums stellt sich eine gediegenere Ruhe ein. „Always On My Own“ erinnert entfernt an eine Meditation, auch „Human Being“ hat eine hypnotische Wirkung, bei der auf eine dahinschweifende Gitarre über Individualität sinniert und auf Rechte gepocht wird („You've got a right to be/ What you want and where you wanna be“). Mit „Manhattan“ wird noch ein seichter Elektropop eingeschoben. Persönliche Highlights auf Cat Power Platten sind definitiv ausufernde Sinnier-Songs. „Nothing But Time“ möchte diesen Moment des schweifenden Nachdenkens geben. Wie der Titel es schon andeutet, werden lebensbejahende „Kopf-Hoch-Jeder-Kann-Ein-Superheld-Sein“-Zeilen über 11 Minuten gezogen. Das ist leider auch das richtige Wort hierfür: gezogen. Die Länge erscheint zäh, dazu trägt auch die Dezimierung auf 2 Akkorde bei. Die Besonderheit des Songs sollen die Back Up Vocals von Iggy Pop darstellen. Iggy wer? Eine vollkommen kitschig anmutende, vibratoübernutzte Stimme mischt sich als gedachter Höhepunkt zum Ende des Songs ein, die dort nichts zu suchen hat.
Sei sowohl über Mr. Pop als auch über die unheimlich viele Elektronik als meine kleinen Aufreger hinweggesehen, so stellt sich nach mehrmaligem Hören und Verstehen die typische Gediegenheit nach dem Hören eines Cat Power Albums ein.
Denn Cat Power ist eine Künstlerin, die genau das Mitfühlen ermöglicht, die abholt. Sie ist mutig, macht sie doch ihre Seele zum Gegenstand ihrer Musik. Auch elektronische Grenztests kann ich als Synthie-Muffel ihr nicht verübeln, bleibt sie dahinter doch stets ehrlich. Meine Lieblingsplatte ist es von ihr zwar nicht geworden, aber immerhin eine beachtlich hörenswerte. (Maxi Wüstenberg)