Mittwoch, 31. Oktober 2012

NMZS & Danger Dan - Aschenbecher

(Antilopen, 2012)



Nachdem Daniel und ich uns letztes Mal in eine hitzige Argumentation verwickelt haben, ist es nun wohl noch mal an der Zeit ein paar Worte über den Mann mit zwei Identitäten und seine Zusammenarbeit mit seinem Kollegen NMZS ein paar Worte zu verlieren. In unserem Diskurs verstiegen wir uns letztes Mal zu der Aussage, dass Danger Dan wohl nicht wirklich gut singen könnte. Kurz darauf lasen wir in einem Interview mit Herrn Merkt, dass dem mitnichten so sein kann und wie zum Trotz singt Danger Dan auf dem neuen Album mehrstimmiger, mutiger und besser als je zuvor.
Wie schon bei ihrer Kollaboration „Rumsitzen“ (auf der „Dinkelbrot und Ölsardinen“) angedeutet, feiern die beiden Rapper von der Antilopengang in ihren Texten ihre Zerissenheit zwischen APPD-Mentalität und ihrem studierten (oder zumindest studierfähigem) Verstand („Nichts gemeinsam“), zwischen plattem (!) Blödel-Humor und Verzweiflung angesichts der Gesellschaft („Die Gesellschaft! Die Gesellschaft! Die Gesellschaft!“) und ihrer Entwicklung: „Der Mensch erschuf die Sprache und überlegte Schriftzeichen und am Ende dieser Kette schrieb er für die Bildzeitung“ („So Ungefähr“).
Der Reiz steckt wieder einmal – wie auch schon bei den vorherigen Danger Dan Veröffentlichungen – in der fehlenden Trennschärfe zwischen den Eigenschaften, die man der Kunstfigur Danger Dan nun zuschreiben möchte, denen, die man sogar auf den Künstler dahinter projizieren möchte, und den offensichtlichen und überzogenen Scherzen, die die Rapper gekonnt in ihre Texte verflechten.
Inhaltlich erinnert das Album wieder eher an Dangers letzte Kollaboration, das „Traurige Clowns“-Album, das er mit der Antilope Koljah 2010 veröffentlichte. Auch musikalisch und flow-technisch liegt das Album wieder eher bei der „Traurige Clowns“-LP, als bei Danger Dans experimentellem letzten Solo-Ausflug. Schade, aber sicherlich trotzdem nicht schlecht gemacht.
Doch trotz dieser eher Verständnis-fördernden Tendenzen, bleibt das (selbstverstäbndlich kostenlose) Album ein eher schräges Machwerk, das es dem Zuhörer nicht ganz leicht macht. Man ist hin- und her-gerissen zwischen einem Lächeln (oder auch einem herzhaften Facepalm) über einen lauen Scherz und einem empörten Aufschrei. Es bleibt also spannend um den pseudo-mysteriösen Anti-Studenten? Wir werden sehen! (Sören Reimer)

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Muse - The 2nd Law

(Warner, 2012)


 

Die Entwicklung einer Band ist ein sehr interessantes Sujet: In den Augen vieler Fans macht die Band alles richtig, wenn sie sich in einem kleinen Feld zwischen dem bestehenden Stil der Band und Innovation bewegt. Um den Herren Kritiker auf der anderen Seite allerdings überzeugen zu können muss die Band entweder mit größeren Innovationen auffahren beziehungsweise sich besonders intelligent in ihrem Referenz-Kosmos (mal wieder Postmoderne) bewegen. Die Schnittmenge an Bands, die es also schaffen Kritiker und Fans gleichermaßen über eine lange Zeit zu begeistern ist dementsprechend gering.

Muse aus London sind da so eine Band, die es schafft sich auf jedem Album konsequent weiterzuentwickeln, keine Frage. Lange Zeit haben sie sich dabei auch genau in jenem kleinen Feld bewegt, dass sie für die Fans interessant hielt, jedoch hat bereits das letzte Album nicht viele positive Kritiken hervorgerufen; damals experimentierten sie mit Einflüssen aus dem Bereich der Black Music ("Undisclosed Desires") auf der einen Seite und Orchestralen-Konzept-Werken ("Exogenesis Symphony Pt. 1-3")auf der Anderen. Auf dem aktuellen Album "The 2nd Law" (in Anlehnung an die Grundgesetze der Thermodynamik) experimentieren Muse nun weiter mit eben diesen Einflüssen. Außerdem schwebt die Aura einer anderer großen britischen Gruppe über dem Album: Queen, eine ebenso wandlungsreiche Band, die immer am Puls der Zeit spielte, haben Matthew Bellamy, den (Haupt-)Songwriter, Gitarristen, Keyboarder und Sänger von Muse, bei diesem Album deutlich hörbar beeinflusst. Außerdem wurden die musikalischen Exkurse in die Gebiete Elektronische Musik und (vor allem) Dubstep ausgeweitet. Zu alledem kommt noch hinzu, dass zum ersten mal der Bassist der Band – Chris Wolstenholme – als Songwriter und Lead-Sänger in Erscheinung tritt. Im Interview mit der Visions sagten die Musiker dazu, dass sie noch nie so viel Spaß an der Produktion eines Albums gehabt hätten. Leider verschließt sich dieser Spaß dem Hörer zunächst ein wenig. Zu viel scheint gewollt und zu wenig erreicht. Hier ein bisschen "Bohemian Rhapsody" (nichts gegen Queen, vor allem ihr Werk aus den 70ern ist großartig), dort ein bisschen "Wish You Were Here" (mit Symphonieorchester natürlich!) und hinter der nächsten Ecke lauert Skrillex mit dem Hackebeil um alles wieder in Radiogerechte Stückchen zu zerhacken.

Irgendwie stellt sich nach mehrmaligem Hören dann doch ein gutes Gefühl ein und viele Stücke gewinnen mit der Zeit deutlich. Dennoch bleibt insgesamt der Eindruck bestehen, dass Muse sich in einem Findungsprozess befinden und dieses Album eher ein Schnappschuss aus den wirbelnden Geistern des Trios darstellt. Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft und Thermodynamik. Klingt komisch und ist es in diesem Fall auch. Aber man kann ja auch nicht nur großartige Alben machen. (Sören Reimer)

Freitag, 19. Oktober 2012

Folk, Folk, Folk

Kaum eine Musikrichtung erfährt seit einigen Jahren ein so ein großes Revival wie Folkmusik. Seit Mumford & Sons, Avett Brothers, Bon Iver, Laura Marling etc. ist Folk wieder uneingeschränkt salon- und mainstreamfähig. Die Gründe dafür scheinen auf der Hand zu liegen: Besinnung auf Ruhe, Intimität und Emotion in einer – Verzeihung für's Klischee – sich immer schneller drehenden Welt mit Smartphones, Ständiger Erreichbarkeit, Anonymität in Städten. Kennt man ja.
Vorstellen möchte ich einige aufstrebende Folkbands, die es musikalisch verdient hätten auf die große Bühne gestellt zu werden. Ob das für die Wirkung der Darbietung ab- oder zuträglich wäre, sei dahingestellt.



Trampled By Turtles (US)

Die 5 Jungs aus Minnesota veröffentlichten über BanjoDad Records dieses Jahr schon das 6. Album ihrer Bandgeschichte namens Stars and Satellites, was ihnen endgültig zum Durchbruch zu verhelfen scheint. So waren sie im April in David Lettermans Late Show, spielten u.a. das Sasquatch Festival, Austin City Limits, Lollapalooza und Bonnaroo und das Album stieg es in den Amerikanischen Billboard Charts direkt auf Platz 32 ein. Vor 10-15 Jahren quasi undenkbar, dass eine so rückständige Musik einen so großen Anklang findet. TbT spielen größtenteils Bluegrass, welcher immer wieder gerne in eine folkige Singer-Songwriter Ecke abdriftet. Harmoniegesang, ein wenig Hall, emotionsschwangere Texte („Love and Love and nothing else.“), Banjo, Fiddle und Mandoline dürfen hierbei natürlich nicht fehlen. Klingt langweilig, ist es aber ganz und gar nicht. Durch tolle Melodien, großartiges Songwriting („Alone“ !!!), tanzbares Bluegrass-Picking und den kompletten Verzicht auf Percussioninstrumente überflügeln sie ihre Bartträgerkollegen von beispielsweise Mumford & Sons locker, da man von TbT eben nicht immer wieder zum Four-to-the-Flour genötigt wird. Das perfekte Album für den Abend eines heißen Sommertags – um mal wieder mit der Klischeekeule zu kommen. 




Larry and his Flask (US)

Schon als Vorband der Dropkick Murphys, Streetlight Manifesto und – was eine Überleitung – Trampled By Turtles unterwegs gewesen, durfte die Band aus Oregon an der diesjährigen Vans Warped Tour teilnehmen und Frank Turner auf seiner US-Tour begleiten. Schon 2003 gegründet veröffentlichten sie letztes Jahr ihr 4. Full-length Album All That We Know und im September diesen Jahres eine sechs Song starke EP namens Hobo's Lament (beide via Silver Sprocket Bicycle Club), auf der sich schon herauskristallisiert weshalb die Dropkick Murphys oder die Macher der Warped Tour auf Larry und seinen Flachmann setzten: Es klingt zuweilen wie eine (Ska-)Punk Version der Avett Brothers, die sich um Posaune, Trompete und Baritonhorn verstärkt haben. Die Vollbartfraktion kommt hier natürlich auch nicht zu kurz („So Long“), auch wenn die Gesichtsbehaarung hier eher an Obdachlose als an Trivago-Werbung erinnert. Mit diesem Outlawimage wird nicht nur im Gesicht gespielt, sondern augenscheinlich auch in Band- und Liednamen („Flask“, „Hobo's Lament“), was ihnen aber gut – nun ja – zu Gesicht steht. Überschäumende Konzerte scheinen bei dieser Musik auch auf großer Bühne garantiert.



The Paper Kites (AUS)

Ganz anders verhält sich das bei den Australiern von The Paper Kites. Christina Lacy und ihre vier männlichen Mitstreiter veröffentlichten vor kurzem mit der Young North EP den Nachfolger zu ihrer tollen letztjährigen Woodland EP (beide selbst released). Auch wenn das Debütalbum scheinbar noch ein wenig auf sich warten lässt, bildet sich schon – hauptsächlich in Australien - eine Fangemeinschaft, angestachelt auch durch eine Tour mit den mittlerweile schon altbekannten Boy & Bear. Von denen sind sie auch musikalisch nicht ganz so weit entfernt. Zurückgenommene Folksongs schmeicheln einem hier die Gehörgänge, laden zum Träumen ein und passen ganz eindeutig nicht auf große Bühnen. Womit wieder das alte Dilemma zwischen fanatischem Unterstützen und Angst vor dem „Ausverkauf“ zu Tage kommt. Diese Rufe sind bei den Melbournern momentan noch ganz weit weg, also: Die Woodland EP hier kostenlos runterladen, einschalten, den einfachen, aber schönen Liedern der beiden sehr empfehlenswerten EPs lauschen und unbedingt das großartige Video zu A Maker Of My Time anschauen und abfeiern.



The Lumineers (US)

Die Rufe nach Ausverkauf gibt es bei den Lumineers aus Denver schon, was nicht weiter verwundert mit einem Debütalbum (The Lumineers, via Dualtone) auf Platz 11 der Billboard Charts – übrigens höher als Babel von Mumford & Sons – und knapp 9,5 Millionen Views der Single Ho Hey auf YouTube und als Support der nicht mehr wirklich alternativen Dave Matthews Band im kommenden Dezember. Musikalisch passiert hier nichts ungehörtes, jedoch kann halt auch das unglaublichen Spaß bereiten. Sei es die Eingängigkeit des Klavierstakkatos bei Submarines, die Eingängigkeit des Refraintextes bei Ho Hey oder die … nun ja ... Eingängigkeit des Rhythmus' von Big Parade, der einen direkt das Tanzbein schwingen lässt. Was jetzt böse klingt ist gar nicht so gemeint, weil sie dabei musikalische und lyrische Authentizität wahren. Ein Album was auf großen Bühnen funktionieren kann, aber nicht muss. Wenn es weiterhin so bergauf geht, wird man es zwangsläufig bald erfahren.
(Marius Wurth)

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Mono - For My Parents


(Temporary Residence, 2012)



Man könnte es glatt wagen zu behaupten, dass Instrumental-Musik dieser Art die internationalste aller Musiken ist. Keine sprachliche Barriere hindert am Verstehen, Schwelgen und Genießen. Die Titel der Alben und Songs dürfen lediglich als Denkanstöße betrachtet oder gänzlich ignoriert (Stichwort: Mogwai) werden. Genau so ist es auch bei der japanische Band Mono. Seit Jahren gehören sie zur Speerspitze der cinematischen Ambient-Musik. Ihr malerischer, opulenter Post-Rock spricht die verschiedensten Geschmäcker an und erzählt epische Geschichten – ganz ohne Worte.
Auch das neue Album "For My Parents" schafft es mit Leichtigkeit den Hörer in fremde Welten zu entführen, wenn man sich nur darauf einlassen mag. Wo bei anderen Bands in dem Bereich Effekt-Spielereien oder melancholische Monotonie (Haha! Letzteres ist in diesem Kontext übrigens überhaupt nicht negativ zu verstehen, sondern ein besonderes Qualitätsmerkmal dieser Musik) überwiegen, malen Mono mit ihren Arrangements bunte Bilder in die Fantasie der HörerInnen. Harmonisch fügen sich Rockband und Orchester ineinander und schaffen eine Klangfülle, wie sie häufig angestrebt, aber eigentlich nie so perfekt erreicht und genutzt wurde. Dem ein oder anderen mag das vielleicht ein wenig zu zuckersüß in den Ohren zerfließen, wenn die Gitarren geigenartig Melodien in die Luft zaubern, die an japanische Filmmusik (Oh? Doch ein Nationalkolorit? Aber irgendwo müssen die Einflüsse - im postmodernen Sinne - ja her kommen und mal im Ernst: Wer seine Musik nach "Nationalität" untersucht, sollte sich mal selbst untersuchen lassen!) erinnern; doch auf der anderen Seite ist gerade das ein Grund für die starke Eingängigkeit des Albums.
Das erste Stück auf dem Album heißt "Legend" und wurde mit einem Video voller Zeitrafferszenen aus Island verbunden. Diese einfache Idee passt zu dem Lied wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge und zeigt, welch einfache Bilder durch die Musik mit völlig neuem Charakter aufgeladen werden.
Das Stück beginnt mit leisen Streichern, über denen zwei cleane E-Gitarren sanft in das Stück einleiten. Eine tremolierende E-Gitarre setzt sich dann auf einmal leicht rechts davor in den Klangkosmos und wird dabei wunderbar von dem vollen Streichersatz samt Percussion gestützt. Auf der linken Seite lässt sich bald eine zweite E-Gitarre vernehmen, die in das Thema mit einfällt. Dann werden die beiden von den Streichern übertönt, die das erste Thema wieder aufgreifen und ausarbeiten. Danach steigen die beiden leicht verzerrten Gitarren wieder mit ein und heben das Stück in neue, epische Dimensionen. Steigt man an dieser Stelle (nach drei von zwölf Minuten also schon) aus, mag man sich fragen: Sonatenhauptsatzform? Irgendwie doch alles Klassik? Wo steckt da das Neue? Vielleicht. Viel interessanter ist doch aber die Feststellung, dass Mono es mit diesem Album mal wieder schaffen, die Hörer in völlig andere Welten zu heben, vielleicht gerade weil sie sich keiner von Menschen gemachten Sprache bedienen. (Sören Reimer)

Freitag, 12. Oktober 2012

Wintersleep - Hello Hum

(Roll Call Records, 2012)


Wie sollte eine Plattenkritik sein? Sie sollte die Musik ein wenig beschreiben, in einen historischen Kontext einordnen, Vergleiche ziehen können, dabei möglichst objektiv bleiben und eine auf mehr oder weniger festen Fakten beruhende Bewertung folgen lassen.
Wie sollte Musik sein? Musik muss gefühlsbeladen sein, sie muss subjektiv rezipiert, verstanden und erlebt werden. Der Genuss musikalischer Erzeugnisse darf – oder sollte - nicht auf Fakten über den Künstler/die Band beruhen. Wer würde ansonsten noch Pete Doherty oder die Gallaghers hören? Musik muss einen abholen, mitschleifen und emotional ausgelaugt liegenlassen.

Abholen. Was ist besser geeignet einen mitzunehmen als eine butterweiche, betörende, einnehmende Stimme die schon im Opener des Albums einem sein ganzes Lebensleid offenbart: „I can only find you/ if you are looking for me“. Eine herzöffnende Ansage, ohne Gnade, ohne Schutz, ohne Selbstmitleid, ohne Versteckspiel. Das pure leid, das pure Gefühl. „Where will I go?

Mitschleifen. Das Hauptaugenmerk bei dieser Platte fällt zwangsläufig auf Paul Murphy's Stimme und die wunderbar einfachen, aber prägnant einfachen Texte, welche einen über die gesamte Spielzeit immer wieder in den Bann ziehen und mitnehmen. Ein Lösen von eben jener ist nur bei Call Me Maybe-Sängern oder gefühlskalten Eismenschen vorstellbar. Die – zugegeben – nicht unglaublich hohe lyrische Qualität wird durch die Stimme Murphys aufs Abstellgleis verfrachtet. Zeitweise macht sich der Eindruck breit, als ob man seinem Opa beim Geschichten erzählen beiwohnen würde, so vertraut und heimisch wird einem der wunderbare Singsang irgendwann. „I wanna stay/ If it's alright

Liegenlassen. Nach der vollen Spielzeit dieses Albums ist man keineswegs körperlich, geistig oder intellektuell überfordert. Auf emotionaler Ebene ist dieser Seelenstrip von Album jedoch in gewisser Hinsicht anstrengend oder wenigstens mitreißend. Doch was passiert danach? Man wird achtlos zurück auf die Straße zurück geworfen und hofft, dass einen nochmal jemand mitnehmen kann. Ein so großes Herz haben in der wirklichen Welt leider nicht so viele, so wird man auf der Straße liegend gnadenlos von der Wirklichkeit überfahren oder mindestens dort bis zum erfrieren liegen gelassen wird.

All jokes aside“ Innovationsdrang, Exklusivität oder gar Avantgardismus werden auf dieser Platte vollkommen außen vor gelassen, was ein herzloser Kritiker als Anlass nehmen könnte, diese Platte in den Boden zu stampfen. Jedoch sollte Musik sich nicht zwingend auf Fortschritt beschränken, sondern einen abholen, mitschleifen und liegenlassen können. Emotionen für alle!
Die seit Jahren immer wieder aufkommende Frage, warum diese überaus grandiose Band immer noch keine Stadien füllt, ist nur mit dem fehlenden Starpotential zu beantworten, den sie einfach nicht besitzen und wohl auch niemals besitzen werden. Auch nach dem mittlerweile 5. Album bleibt diese Frage stehen. Wahrscheinlich ist diese dadurch verursachte Intimität jedoch besser um immer wieder aufs Neue abgeholt, mitgeschliffen und liegen gelassen zu werden.
You're still the one
(Marius Wurth)

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Papa Roach – The Connection


(Eleven Seven Music, 2012)


Papa Roach, meine alte Jugendliebe (John Miles), haben mit "The Connection" mittlerweile ihr nunmehr siebtes Album veröffentlicht. Seit 13 Jahren begleiten sie mich nun durch mein Leben; Grund genug, einmal genüsslich zu resümieren, was bisher geschah.
In der Grundschule kam ich das erste mal mit "Infest" in Berührung. Speziell mit den Songs "Last Resort" (natürlich, noch einen anderen Song, anyone?), "Broken Home" und "Dead Cell". Diese Musik, die so sehr mit dieser faszinierenden, dunklen und zornigen Energie aufgeladen war schlug mich schon damals in ihren Bann. Doch wer ist in der Grundschule schon so weit, sich ausführlich mit Musik zu beschäftigen (W.A. Mozart). Dennoch fand sich das zweite Album – von den Kritikern verteufelt und von mir bis heute innig geliebt – "Lovehatetragedy" etwa 2003 in meiner privaten Sammlung ein (die damals immerhin schon rund eine Handvoll Cds umfasste) und kurz darauf konnte ich einmal in meinem Leben das erwartungsvolle Hoffen auf ein Album erleben, von dem die großen Alten immer so schwärmen (so richtig mit Single kaufen und Monate lang darüber diskutieren, ob sie gut ist oder nicht und ob sie das kommende Album repräsentiert). Und als dann 2004 das Album "Getting Away With Murder" erschien konnte ich einmal das Gefühl erleben, wie sich alle Freunde von der Lieblingsband abwenden und man selber – schon aus Trotz allein – eisern an der Band festhält, obwohl man mit der neuen Musik selber eigentlich gar nicht glücklich ist. Wo waren sie hin, diese Energie und der Zorn, die Papa Roach so spannend gemacht hatten? Immerhin ein vermeintlich kommerzkritisches Video konnte mir das Album noch schönreden. Und siehe da, mit der Musik bin ich dann auch noch warm geworden. Die folgenden Alben "The Paramour Sessions" und "Metamorphosis" vollzogen dann den Wandel von der NuMetal Band zur glamourösen Rock-Band vollständig. Dennoch hatte sich die alte Liebe hartnäckig gehalten. Und vor allem der Besuch eines Live-Konzertes während der Metamorphosis-Tour (endlich! Länger hätte man wohl nicht warten können), verstärkte dieses Gefühl noch mehr. Genau wie der – natürlich längst abonierte und mittlerweile zum Facebookfeed konvertierte – eMail -Newsletter machte dieses Konzert und jedes Fitzelchen Information, dass mir beim Stöbern in den Weiten des Zwischennetzes in die Finger kam, die Band noch sympathischer.
Und so könnte ich jetzt noch lange damit zubringen zu erklären, wie sich seit "Time for Annihilation" und vor allem auf dem Neuen "The Connection" langsam elektronische Einflüsse und (noch mehr) Pop ("Before I Die") auf der einen Seite, aber auch wieder härtere Riffs ("Where Did The Angels Go") und sogar vereinzele Rap-Parts ("Still Swingin'") in die Musik einschleichen. Aber das würde Niemanden mehr interessieren. Der gute Teil der Geschichte ist jetzt vorbei. Aber es tut gut mit einem Teil seiner Geschichte in Verbindung zu sein (Bernd Begemann). (Sören Reimer)

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Instrument – Olympus Mons


(Broken Silence, 2012)




Wenn man über neue und innovative Musik spricht, bezieht man sich häufig nicht auf Bands und KünstlerInnen aus Deutschland. Viel eher kommt solch spannende Musik nämlich aus Ländern und Gegenden wo der Puls der Zeit schlägt: Ost- und West-Küste der USA, die Ballungsräume in Großbritannien und die skandinavischen Musik-Metropolen. Vielleicht hängt das aber auch damit zusammen, dass Musik in solchen Gegenden einfach mehr gefördert wird oder es eine bessere Infrastruktur innerhalb der Szene gibt, als es in Deutschland der Fall ist. Doch immer wieder beweisen einige Bands und KünstlerInnen, dass auch hier spannenden neue Musik entstehen kann. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Band mit dem – überaus Google-unfreundlichen – Namen Instrument. Diese drei Jungs aus München (Großstadtphänomen? Man denke an Berlin, Hamburg, Köln und eventuell auch Stuttgart) haben gerade ihr nunmehr zweites Album „Olympus Mons“ veröffentlicht. Und wenngleich die Musik auf diesem Album auf der einen Seite schwer fassbar ist, kennt man doch auf der anderen Seite die Elemente, aus denen sie besteht, schon; denn Instrument gehen auf diesem Album einen interessanten, aber zunächst auch verwirrenden Weg zwischen Post-Rock (Explosions in the Sky, Mogwai aber auch Tortoise), Post-Hardcore (Thrice), Pop, Filmmusik und vielen weiteren Einflüssen, die hier und da kurz aufblitzen (Die Solo-Gitarre, die im Titeltrack auftaucht erinnert ein wenig an den Scat-Gesang fähiger Jazz-Sänger). Dabei bleiben Instrument (zum Glück) nicht der reinen Instrumental-Musik treu, was im Post-Rock ja eher üblich wäre: Gerade die Mischung aus gesungenen – oder vielmehr vom Gesang unterstützten – Liedern und instrumentalen Nummern lockert das Album angenehm auf und bietet so auch Leuten, die sich (noch) nicht für Post-Rock interessieren, genug Anhaltspunkte um mit der Musik etwas anfangen zu können. Auch in Punkto Sound und Songwriting zeigt sich die Band experimentierfreudig: Beim großartigen „Doing Nothing is Art“ zum Beispiel treffen Metal-Gitarren auf Pop-Gesang, die sich dann gemeinsam immer weiter steigern, bis sie gemeinsam einen Thrice-esquen Charakter erreicht haben (man verzeihe mir den Mangel der Referenzen, das wird noch nachgeholt).
Insgesamt erzeugt das Album eine eigenartige, energiegeladene Stimmung, die sich auf den Hörer überträgt. Man ist stets zwischen dem energischen Rucken des Nackens und dem taktvollen Wippen des Zeigefingers hin und hergerissen. Instrument beweisen somit eindrucksvoll, dass es auch spannende Musik aus Deutschland gibt. Und natürlich ist das generell auch der Fall. Aber vielleicht sollte man sich mal fragen warum man (also in diesem Fall des Autors Wenigkeit) auf so großartige Musik nur auf dem Wühltisch eines Post-Rock-(also-Nischen-)Konzertes oder in einem winzigen Artikel in der Musikpresse stößt. (Sören Reimer)