(Speech Development, 2011)
Introdiction: Was für ein
Opener! Dem Album vorangestellt das Motto und gleichzeitig auch eines
der grundlegendsten Probleme, mit denen sich Pip beschäftigt: „I
saw the dead fish on the pavement and thought: „What did you
expect? There's no water 'round this stupid. It should've stayed
where it was wet.“. “. Danach rezitiert der bärtige Meister
alles was ihn ausmacht in gewohnt hoher Geschwindigkeit und mit dem
für ihn typischen Witz:
„Hello my name is Pip,
And I would like to speak some lyrics.
Into this microphone,
That's amplified so you can hear it.
This piece of diction is the intro to
Distraction Pieces.
It's all the shit that flies around my
head and keeps my sleepless.
Such little food for thought my fucking
brain feels anorexic.
So many typo's when I write. Oh I'll
claim I'm dyslexic.“
Dabei setzt sich der Autor dieser
Zeilen natürlich auf ein hohes Ross und – so viel sei jetzt schon
verraten – diese Haltung behält er weitgehend während des Albums
auch bei. Dabei ist aber nicht so, dass er sich selbst für einen
besseren oder gescheiteren Menschen hält, sondern im Gegenteil: Er
erinnert daran, dass wir alle unsere kleinen Ausflüchte und Fehler
haben, die uns zwar liebenswert machen, aber auch – in ihrer Summe
– das Bild der Gesellschaft prägen, auf die man so gerne schimpft.
Let 'em come: Auf diesem Song
teilt Pip die Strophen zwischen sich, P.O.S. und Sage
Francis auf. Das ist in sofern besonders reizvoll, als
dass alle drei völlig unterschiedliche Vortragsarten haben (oder für
diesen Song wählen) und auch ihre Texte völlig unterschiedlich
strukturieren. Der Chorus ist dabei einer der stärksten auf dem
Album und – vor allem mit der Steigerung, die er am Ende durchgeht
– unwiderstehlich energetisch. Inhaltlich kann der Song wohl als
Mutmach-Lied für eine desillusionierte Generation aus Teens und
Twens verstanden werden, die ihrer Frustration und Angst Luft machen
müssen (und sollen).
Domestic Silence: Die Geschichte
eines Außenseiters, der feststellen muss, dass ihm ein wenig
Konversation von Zeit zu Zeit ganz gut tut, wird mit einem groovenden
Flow und mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit vorgetragen. Der
Beat basiert – wie alle Beats auf dem Album – auf den Sounds
einer Band und lädt zum konspirativen Kopfnicken ein. Das Thema mag
vielleicht auf den ersten Blick etwas seicht oder wenig ergiebig
erscheinen, doch hier muss man dem Künstler zugute halten, dass er
auf häufig völlig unterschätzte Themen den Finger legt und dazu
anhält über das eigene Verhalten kurz nachzudenken.
Try Dying: Ein Lied zu einem
Thema, dem Wolfgang Müller mit Über die Unruhe ein ganzes Album
gewidmet hat: Schätze dein Leben wert, denn du kannst es nicht
wiederholen. Doch der große Unterschied zu dem eben genannten
Künstler ist – neben Genre und Sprache und anderen
offensichtlichen Kriterien – dass Pip seinen Zorn über die
Lebensverachtung, die er erlebt, hörbar macht und seine Aussagen
auch nicht hinter Bildern und Parabeln versteckt.
Death of the Journalist: Gerade,
da diese Rezension auf einem Blog veröffentlicht wird, kann und darf
dieser Song als direkte Kritik aufgefasst werden. Aber keine Sorge:
Das Album wurde in Gänze gehört und auch die Rechtschreibung wurde
überprüft. Insgesamt darf dieser Song – der definitiv zu den
anstrengenderen auf dem Album gehört – als berechtigte Kritik an
der im Internet geübten, vorschnellen Selbstjustiz verstanden
werden, allerdings macht es sich der Künstler auch ein wenig
einfach, wenn er dabei die Chancen und Möglichkeiten dieser
Plattformen außen vor lässt.
Soldier Boy Kill 'Em:
Ein Power Song, bei dem Pip von dem hoch-energetischen B.
Dolan unterstützt wird. Dieser
bietet durch seinen schnellen Flow mit Doubletimes den passenden,
kraftvollen Gegenpart zu Mister Scroobius. Bezüglich des Inhalts
lässt sich vielleicht das Zitat: „Kein Protestlied ist jemals
umsonst.“ (so oder so ähnlich angeblich von Nena) anbringen. Trotz
seiner Energie kein Song zum abfeiern; eher wenn man den Zug noch
kriegen muss und gerade erst die Wohnung verlässt.
The Struggle:
Johnny Cash-Rap. Der Country-esque Beat geht einfach sofort ins Ohr
und macht Spaß. Pip parodiert hier einen erfolgreichen Jet-Setter,
der sich in seinem „Leben“ völlig aufreibt und den Verstöße
gegen seinen selbst gesetzten Moralkodex vor sich selbst mit
Halbwahrheiten versteckt. ...und außerdem irgendwas mit Johnny Depp.
Broken Promise:Gegen
Ende des Albums wendet sich Pip den ruhigeren Tönen zu. In diesem
nachdenklichen Lied sinniert er über Verantwortung und Veränderung.
Der Beat ist dabei äußerst reduziert – man könnte fast sagen,
dass es sich eher um ein Soundscape als um einen richtigen Beat
handelt.
Feel it: Den
Abschluss des Albums bietet dieser Track, in dem Natasha
Fox und Pip ihre Empfindungen
eines One-Night-Stands gegenüber stellen. Dabei stellt sich das
männliche lyrische Ich als introvertierter, überforderter Gegenpart
zum weiblichen, schwelgenden ich dar. Auch hier ist der Beat wieder
äußerst reduziert und das Album entlässt einen – abgekühlt nach
der Power, die einem die ersten Titel injiziert haben – ruhig in
den Abend um über all das nachzudenken, was angesprochen wurde. Und
das war nun wirklich Einiges. Was für ein Schluss! (Sören Reimer)