Freitag, 25. Januar 2013

Scroobius Pip – Distraction Pieces


(Speech Development, 2011)


Introdiction: Was für ein Opener! Dem Album vorangestellt das Motto und gleichzeitig auch eines der grundlegendsten Probleme, mit denen sich Pip beschäftigt: „I saw the dead fish on the pavement and thought: „What did you expect? There's no water 'round this stupid. It should've stayed where it was wet.“. “. Danach rezitiert der bärtige Meister alles was ihn ausmacht in gewohnt hoher Geschwindigkeit und mit dem für ihn typischen Witz:

„Hello my name is Pip,
And I would like to speak some lyrics.
Into this microphone,
That's amplified so you can hear it.

This piece of diction is the intro to Distraction Pieces.
It's all the shit that flies around my head and keeps my sleepless.
Such little food for thought my fucking brain feels anorexic.
So many typo's when I write. Oh I'll claim I'm dyslexic.“

Dabei setzt sich der Autor dieser Zeilen natürlich auf ein hohes Ross und – so viel sei jetzt schon verraten – diese Haltung behält er weitgehend während des Albums auch bei. Dabei ist aber nicht so, dass er sich selbst für einen besseren oder gescheiteren Menschen hält, sondern im Gegenteil: Er erinnert daran, dass wir alle unsere kleinen Ausflüchte und Fehler haben, die uns zwar liebenswert machen, aber auch – in ihrer Summe – das Bild der Gesellschaft prägen, auf die man so gerne schimpft.


Let 'em come: Auf diesem Song teilt Pip die Strophen zwischen sich, P.O.S. und Sage Francis auf. Das ist in sofern besonders reizvoll, als dass alle drei völlig unterschiedliche Vortragsarten haben (oder für diesen Song wählen) und auch ihre Texte völlig unterschiedlich strukturieren. Der Chorus ist dabei einer der stärksten auf dem Album und – vor allem mit der Steigerung, die er am Ende durchgeht – unwiderstehlich energetisch. Inhaltlich kann der Song wohl als Mutmach-Lied für eine desillusionierte Generation aus Teens und Twens verstanden werden, die ihrer Frustration und Angst Luft machen müssen (und sollen).

Domestic Silence: Die Geschichte eines Außenseiters, der feststellen muss, dass ihm ein wenig Konversation von Zeit zu Zeit ganz gut tut, wird mit einem groovenden Flow und mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit vorgetragen. Der Beat basiert – wie alle Beats auf dem Album – auf den Sounds einer Band und lädt zum konspirativen Kopfnicken ein. Das Thema mag vielleicht auf den ersten Blick etwas seicht oder wenig ergiebig erscheinen, doch hier muss man dem Künstler zugute halten, dass er auf häufig völlig unterschätzte Themen den Finger legt und dazu anhält über das eigene Verhalten kurz nachzudenken.

Try Dying: Ein Lied zu einem Thema, dem Wolfgang Müller mit Über die Unruhe ein ganzes Album gewidmet hat: Schätze dein Leben wert, denn du kannst es nicht wiederholen. Doch der große Unterschied zu dem eben genannten Künstler ist – neben Genre und Sprache und anderen offensichtlichen Kriterien – dass Pip seinen Zorn über die Lebensverachtung, die er erlebt, hörbar macht und seine Aussagen auch nicht hinter Bildern und Parabeln versteckt.

Death of the Journalist: Gerade, da diese Rezension auf einem Blog veröffentlicht wird, kann und darf dieser Song als direkte Kritik aufgefasst werden. Aber keine Sorge: Das Album wurde in Gänze gehört und auch die Rechtschreibung wurde überprüft. Insgesamt darf dieser Song – der definitiv zu den anstrengenderen auf dem Album gehört – als berechtigte Kritik an der im Internet geübten, vorschnellen Selbstjustiz verstanden werden, allerdings macht es sich der Künstler auch ein wenig einfach, wenn er dabei die Chancen und Möglichkeiten dieser Plattformen außen vor lässt.

Soldier Boy Kill 'Em: Ein Power Song, bei dem Pip von dem hoch-energetischen B. Dolan unterstützt wird. Dieser bietet durch seinen schnellen Flow mit Doubletimes den passenden, kraftvollen Gegenpart zu Mister Scroobius. Bezüglich des Inhalts lässt sich vielleicht das Zitat: „Kein Protestlied ist jemals umsonst.“ (so oder so ähnlich angeblich von Nena) anbringen. Trotz seiner Energie kein Song zum abfeiern; eher wenn man den Zug noch kriegen muss und gerade erst die Wohnung verlässt.

The Struggle: Johnny Cash-Rap. Der Country-esque Beat geht einfach sofort ins Ohr und macht Spaß. Pip parodiert hier einen erfolgreichen Jet-Setter, der sich in seinem „Leben“ völlig aufreibt und den Verstöße gegen seinen selbst gesetzten Moralkodex vor sich selbst mit Halbwahrheiten versteckt. ...und außerdem irgendwas mit Johnny Depp.


Broken Promise:Gegen Ende des Albums wendet sich Pip den ruhigeren Tönen zu. In diesem nachdenklichen Lied sinniert er über Verantwortung und Veränderung. Der Beat ist dabei äußerst reduziert – man könnte fast sagen, dass es sich eher um ein Soundscape als um einen richtigen Beat handelt.

Feel it: Den Abschluss des Albums bietet dieser Track, in dem Natasha Fox und Pip ihre Empfindungen eines One-Night-Stands gegenüber stellen. Dabei stellt sich das männliche lyrische Ich als introvertierter, überforderter Gegenpart zum weiblichen, schwelgenden ich dar. Auch hier ist der Beat wieder äußerst reduziert und das Album entlässt einen – abgekühlt nach der Power, die einem die ersten Titel injiziert haben – ruhig in den Abend um über all das nachzudenken, was angesprochen wurde. Und das war nun wirklich Einiges. Was für ein Schluss! (Sören Reimer)

Mittwoch, 16. Januar 2013

David Krützkamp – Zwischenräume

(Different Trains, 2012)


Die Menge an Musik, die heute so völlig ungefiltert auf den arglosen Hörer losstürmt, ist wirklich unüberschaubar. Egal ob im Internet mittels sozialer Netzwerke oder Nachrichtendienste, im Fernsehen oder im Radio: Ständig gibt es einen neuen Song der gehört, einen Trend, der erlebt werden will.
Doch mit der Zeit stellt sich dann eine gewisse Routine ein: Aus dem arglosen Hörer wird ein skeptischer und selektiver Hörer. Nur noch Empfehlungen von geschätzten Freunden und wichtige Trends werden verfolgt.
Das Problem der Zeit scheint es geworden zu sein, dass die Produktion von Musik so unglaublich günstig geworden ist, wie sie es noch nie war. Auf der anderen Seite ist aber die Zahl der Hörer prozentual nur wenig gewachsen. Zwar gibt es jetzt mehr Leute die sich länger und intensiver mit Musik beschäftigen, aber das Verhältnis ist völlig aus der Form geraten.
Das führt dazu, dass kleine Musik-Phänomene es heute sehr schwer haben: Die Konkurrenz ist einfach zu groß. Das betrifft Bands wie die Exploding Whales, aber auch Musiker wie David Krützkamp.
Der Zweitere ist der Label-Kollege der „Wale“ bei Different Trains. Auf einer gemeinsamen Release-Party am 15.12.2012 veröffentlichte er sein aktuelles Album „Zwischenräume“.
Der Stil des Albums lässt sich grob als „Singer-/Songwriter“-Musik einordnen, denn in der Regel hört man David und seine (hervorragend gezupfte) Gitarre stark im Vordergrund. Nur manchmal lässt er sich dazu hinreißen, sich mit einem Delay-Effekt in ausartenden Effekt-Wellen zu verhüllen. Doch diese Unterbrechungen sind nur kurz und in diesem Maße auch schön zu hören. Außerdem werden gelegentlich noch einige Instrumente gemischt, die aber lediglich der harmonischen Farbgebung dienen: Eine Harmonika, weiblicher Gesang, ein Glockenspiel oder eine unverzerrte, behutsame E-Gitarre umschmeicheln das Zentrum der Musik.
In diesem Zentrum stehen selbstverständlich die Texte. Und diese sind wirklich gut gelungen. David erzählt mit einfachen Worten und einer inspirierenden Alltags-Poesie (die sich vor einem Wolfgang Müller nicht verstecken muss) von bestehenden und verflossenen Lieben, vom Mut machen und von Scheißtagen. Doch dabei lässt er sich nie zum Pathos hinreißen, sondern bleibt angenehm bescheiden.

Ich hab gelesen, was es zu lesen gibt:
Die alte Zeitung und den Kaffeesatz.
Das ist alles viel zu groß für mich,
Gib mir irgendwas, das in drei simple Worte passt.

- Kirmes




Außerdem hat er einen Vers komponiert, den man unangefochten in das golden Kästchen mit der Aufschrift „selbst-erfüllende Prophezeiung“ legen kann, denn dem aufgeschlossenen Rezipienten wird ebenfalls eine Gänsehaut über den Arm laufen:

Es ist so schön für diesen einen Moment,
Und egal was uns morgen wieder trennt:
Die Erinnerung schleicht sich von hinten heran.
Ich glaub ich seh Gänsehaut auf deinem Arm.

- Designerstilettos

Dabei schafft er es, immer so zu klingen, als wären ihm diese Geschichten wirklich passiert. Ob das nun so ist oder nicht, bleibt der Fantasie des Hörers überlassen. Und den Freunden von Herrn Krützkamp. Die werden nämlich – um den Faden von „ganz am Anfang“ wieder aufzunehmen – der vornehmliche Rezipientenkreis dieser Musik sein. Es mag schade erscheinen, dass diese Musik nicht mehr Leute erreicht, aber vielleicht wir das in Zukunft häufiger so sein: Einzelne Freundeskreise bilden komplett eigenständige Kultur-Instanzen, egal ob nun im Bezug auf Musik, Malerei oder Literatur. Die Innovationskraft dieser schönen, neuen Welt muss riesig sein. (Sören Reimer)

Mittwoch, 9. Januar 2013

Milo – Things That Happen At Day / Things That Happen At Night

(Hellfyre Club, 2013)


Kaum hat das neue Jahr begonnen, nutzen diverse Künstler die Ruhe des Neujahrestages um ihre neuen Werke zu veröffentlichen. So auch Milo, der amerikanische Nerd-Rapper, der mit Beginn des neuen Jahres zwei EP's veröffentlicht hat: Things that happen at day am Morgen und Things that happen at night am Abend des 1.1.2013.
Seit 2011 nahm Milos Bekanntheit stetig zu, was sicherlich nicht zu einem kleinen Teil der Verdienst von Anthony Fantano alias The Needle Drop ist. Damals stellte sich Milo mit dem Mixtape „I wish my brother Rob was here“ vor. Letztes Jahr veröffentlichte er das Album „Milo takes Baths“, das – der Name lässt es zurecht vermuten – komplett auf Beats des amerikanischen Produzenten Baths basiert.
Die Beats auf den beiden EP's sind von den beiden Produzenten Riley Lake (day) und Analog(ue) Tape Dispenser (night). Und diese klingen – typisch für Milo – sehr sphärisch, im Verhältnis zu seinen vorherigen Veröffentlichungen weisen aber einige Tracks schon eine recht prägnante Rhythmik auf (dies wirkt wohl so, weil die Rhythmen gleichmäßiger sind als beispielsweise bei Baths).
Das Kernstück der beiden EP's sind natürlich die Texte. Diese strotzen vor Nerd-Referenzen (Diablo 2, Pokemon, Sailor Moon, etc....), aber auch intellektuellen Verweisen (Philosophie, Politik, Naturwissenschaften, etc....). Diese sind größtenteils unterhaltsam und äußerst klug gewählt. Manchmal jedoch schießt der bemühte MC etwas über das Ziel hinaus, beispielsweise, wenn er in kurzer Abfolge zu Protokoll gibt:

I wish I'd met you on Legends of the Hidden Temple,
I wish Hegel wasn't so incomprehensible,
I wish I was more like the Ubermensch,
I wish my fears didn't have such a putrid stench.“

- Folk-Metaphysics

Diese Train-of-Thought-artige Vortragsweise ist zwar auf der einen Seite typisch für Milo, auf der anderen Seite waren die Verweise gefühlt noch nie aus soweit auseinander liegenden Feldern gewählt.
Genau so geht es allein schon mit dem Titel des Songs Post Hoc Ergo Propter Hoc (For Schoppenhauer) (ein philosophisches Konzept zur Beschreibung von temporal bedingten Kausalverbindungen: „Nach diesem, also deswegen“).



Doch in jedem der Songs lässt sich auch die sehr sympathische und selbst-reflexive Darstellung des Künstlers finden, wie hier zum Beispiel:

I named myself after a fictional charakter,
Says a lot about my mental health in various barriers,
That I've constructed like a manically depressed Bob the Builder,
Attempting to reject my desires and ask: „What the fuck do we have will for?“ “

- Post Hoc Ergo Propter Hoc (For Schoppenhauer)

Es sind diese Passagen, die diesen Nerd mit dem Afro so sympathisch machen. Er erzählt nicht nur von seiner Psyche, sondern auch von seinen Hobbys und Freunden (am deutlichsten zu sehen bei den Referenzen zu seinem Freund Rob, der (vermutlich 2011) ertrunken ist; aber auch in dem versteckten Stück am Ende der Night-EP, nennen wir es mal "Pizza Party").
Und trotz all der unverständlichen Referenzen möchte man wissen, was er zu erzählen hat. Man wird durch die Musik sogar dazu angeregt, sich genauer damit zu beschäftigen. Der ideale Lernbegleiter für jeden motivationsgeschwächten Studenten also.
Man kann eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass im Kopf dieses Menschen ziemlich schnelle, und ziemlich bunte Züge herumrasen. Doch das hält ihn zum Glück nicht davon ab, seine Gedanken in textliche Form und dann auf ein Tonband zu pressen. Und wenn er so weiter macht, wie bisher darf man vielleicht im Laufe des Jahres noch mit einem weiteren Release rechnen. Wenn man bis dahin diese beiden EP's verstanden hat... (Sören Reimer)

International Pony - Mit Dir Sind Wir Vier

(Columbia, 2006)



Musikalisch begabte Kleinpferde von Welt mit Superkräften, in wirren und schillernden Kostümen überraschen schüchterne, schwarzgeschminkte Mädchen auf dem Friedhof, fordern sie erfolgreich zum Tanze auf und friemeln charmant deren Schalter auf Extraversion. Erster Gedanke: solider Trash. Nein, Solid Gold! Choreografisch genau so umgesetzt für das Musikvideo der Vorab-Single „Gothic Girl“, zeichnet sich schnell ein wahrlich skurriles Bild ab, welches sich der fantasievolle Zuhörer beim Verinnerlichen des Albums „Mit dir sind wir vier“ noch detailreicher vorzustellen vermag.
„Sweet Madness so here we go again“, nun also die zweite Langspielplatte des spätestens seit „A new bassline for josé“ vom Debüt-Album „We love Music“ bekannten musikalischen Kollektivs International Pony, hinter denen sich die ehemaligen Mitglieder der Hip-Hop Formation Fishmob Stefan Kozalla aka DJ Koze und Daniel Sommer aka Cosmic DJ, sowie der Alleinunterhalter Carsten Meyer aus Münster, besser bekannt als Erobique, verbergen.
Durch Vocoder verfremdete, nicht ganz zu zuordnende Stimmen heißen den Hörer willkommen geheißen und obendrein wird diesem augenzwinkernd Spass gewünscht. Viel Spass – vielleicht ein erster Hinweis darauf, dass der letztere Unterhaltungsfaktor nicht zu kurz kommen wird. Die nächsten knapp 60 Minuten werden mindestens so bunt und ausgefallen wie das Albumcover.
Vier Jahre sind seit dem Debüt ins Land gezogen und das Warten war vor allem für das Trio von ausgesprochen langer Dauer, zumindest kann man das aus den ersten Zeilen des hervorbrechenden Openers „Solid Gold“ erschließen.
Der Popexperte Erobique und der Beat-Bricoleur DJ Koze lassen sich hier erstmals aus und reichen ein Amuse Geul ihres Könnens, bestehend aus schleppenden Synthie Hieben und dem Hip Hop entsprungenen Beats. Die Freude über die Rückkehr der lieblichen Tollheit, die das Trauern vertreibt und billigen Modeschmuck in solides Gold verwandelt, ist ganz auf Seiten International Ponys. Da sie alle drei eigene, ernstere Projekte verfolgen, DJ Koze sich beispielsweise über die Jahre hinweg nicht nur als Techno DJ etabliert, sondern 2005 auch sein erstes Soloalbum veröffentlicht hat, ist das Bedürfnis zusammen humorvoll zu experimentieren ziemlich groß.
Um „Genullnau Uhr“ ist man wieder da, genau zur Clubbing-Primetime. Was nun passiert lässt einen jedoch erstmal stutzen. In der ersten Hälfte ohne Höhen und nur mit sehr simpler Bassfigur auskommend, schleppt einen „Still so much“ auf eine kleine Lichtung, wo die gestriegelten Ponys gemächlich grasen und aufmerksam dem gedämpften, nach und nach lauter werdenden, konservativen Flügel- und Waldhorn, zum Besten gegeben von Johannes Brachtendorf, lauschen. Ob Schwarzwald, Kasseler Berge oder Odenwald: wir befinden uns in definitiv in deutschen Wäldern.
Langsam wird losgallopiert: Uplifting ist das nun das Motto und gute Laune der Schlüssel zur Loslösung von der Erdanziehung. „Gravity“ hält was International Pony versprechen: ein waffenloser Blitzkrieg aus dem die Heiterkeit und der Hedonismus als Sieger hervorgehen, musikalisch eingebettet in ein sanftes Zusammenprallen aus Klanghölzern, Glockenspiel, einer zustimmend nickenden Bassline und ein paar trabenden dumpfen Kicks. Der Vocoder kommt an manchen Stellen auch zum Einsatz und verleiht dem Track neben ein paar müden Entenrufen den letzten Kitsch-Feinschliff.
Mit Acid-Synthies und Vocoder gießt die Kompakt-Größe Justus Köhncke der Band nun musikalische Unterstützung in den prallgefüllten Trog ein, den die Ponys mit Khan und Snax in „Bubble in the Bottle“ teilen. Heiter hüpft eine belanglose Melodie, die fast so klingt als ob sie bei den Aufnahmen spontan dazu improvisiert wurde, neben verzerrtem Gesang, dessen Text nur so von Albernheit strotzt. Der Mittelteil kommt ganz ohne Komik aus, ist einfach nur verträumt, atmosphärisch und hebt die kontinuierlich mitlaufende (Selbst-)Ironie, dank eines stimmigen Synthieteppichs und dezenten Vokalgesängen, für ein paar Sekunden auf. Vielleicht einer der Höhepunkte des Albums, von denen es zwar einige gibt, jedoch keiner wirklich zu Ende gedacht wurde.
Das bereits erwähnte „Gothic Girl“ ist eine Mischung aus Funk, Pop und Elementen des Hip Hop, gespickt mit Blues-Klavierfiguren und Verfremdungselementen, wie z.B. Cowbell und Karnevals-Pfeife – den Vocoder nicht zu vergessen. Textlich wird der Humor nun auch für Nicht-Kenner nach außen gestülpt: „she says she likes black music, but a different kind“.
Was nun folgt hält man im ersten Moment für ein neues Szene-Getränk im Kosmos der Ponys: „Vodka Biene“. Dieses musikalische Glanzstück der Komik beginnt zuckersüß wie der Sonnenaufgang in einem Disney-Film in den eine betrunkene Biene mit Redebedarf stilbrechend reinplatzt. Musikalisch ist das allmähliche Ermüden der Biene, die mit viel Vorstellungsvermögen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jegliche Blumen der Nacht bestäubt hat, sehr schön umgesetzt: der stechende Bienen-Synthie verstummt allmählich und zurück bleiben immer leiser werdende, trällernde Orgelklänge. International Pony demonstrieren ihren Humor hier ganz ehrlich und intensiv ohne dabei unangebracht penetrant zu sein.
Die Lost Version von Solid Gold verliert sich in dem anstrengend lang anhaltenden Sample von Andreas Vollenweiders „Sunday“ und hätte auch einem weiteren experimentierfreudigerem Track weichen können. Dieser Fehltritt ist schnell verziehen,, muss man der Lost Version doch auch ein Rückbesinnen auf den grandiosen Opener zusprechen oder verdanken.
Die Party der Ponys beginnt also zur Geisterstunde und beim vorletzten Track wird ganz versteckt darauf hingewiesen, dass es erst zwei Uhr morgens ist. Das scheint die perfekte Zeit zum Ausgehen und für den housigsten Track der Platte zu sein. Mit „The Royal Pennekaums“ werden die Erwartungen des Hörers tanzbarer DJ-Koze Werke endlich erfüllt. Als notorische Wenigschläfer geoutet und Nachtaktivitäts verfechtend wird hier eine knapp sieben-minütige Deep-House Nummer punktuell mit verzerrtem, gesanglichem Schlagabtausch zwischen Frau und Mann, verstörender Bassline sowie verqueren Synthies aufgewertet. Bis auf den Titel ist hier kein Humor, Klamauk oder auch keine Ironie zu finden. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Auf den zweiten wird einem bewusst, dass die eingesetzten Acid-House Bausteine außergewöhnlich sind und hier der Versuch unternommen wurde das House-Rad neu zu erfinden, was jedoch nicht ausreicht dem Track die Erwachsenheit und Frische abzusprechen.
Legitimation für diesen einmaligen direkten Tanzflächen-Ausflug folgt in dem Rework von Madness' „Our House“, das nicht annähernd an das Original erinnert, also vielmehr als Widmung zu verstehen ist. Bereits mit dem Albumtitel wird man ja in die Gemeinschaft International Ponys aufgenommen, nun befindet man sich jedoch bereits auf der privaten WG-Party der schrillen Musiker. Hier wird an einem verschwitzten Sonntag darüber sinniert, ob „Hangover sinfonies“, die hauptsächlich auf „Mit dir sind wir Vier“ vertreten sind, mehr aus dem Techno-Einheitsbrei hervorstechen sollten. Hier brodelt letztendendes eine Kritik an der musikalischen Engstirnigkeit des Nachtlebens, welche auf dem Album, für manche Hörer wider Erwarten, nicht fortgeführt wird. Frei nach dem Motto: „Du möchtest zu einem Koze-Track tanzen? Dann bist du hier wahrscheinlich die meiste Zeit falsch, sorry!“ wird ein Weg des Grenzen Austestens eingeschlagen und ein Konzeptalbum präsentiert.
Melodie darf nach dem Minimal-Hype der ersten Nullerjahre wieder Einzug in die elektronische Musik halten und Four-To-The-Floor hat an Ort und Stelle vorerst ausgedient. Mut zum Experiment haben International Pony bis zu diesem Statement mit den meisten Tracks ihres zweiten Albums bewiesen. Es darf nun gelacht und die Scheukappen abgelegt werden, schließlich ist uns eingangs viel Spass gewünscht worden. (Felix Aldinger)

Mittwoch, 2. Januar 2013

2:54 – 2:54

(Fat Possum, 2012)


Nach First Aid Kit hat mit 2:54 erneut eine Band, die sich um zwei Schwestern formiert hat, die Indie-Szene erobert. Und beide (Bands) scheinen von einer außergewöhnlichen Melancholie durchflossen zu sein; zumindest vermögen sie es wie wenige Andere diese Melancholie fühl- und hör-bar zu machen.
Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon wieder auf: Wo die beiden Schwedinnen mit traumhaftem zweistimmigem Gesang, akustischen Songwriter-Nummern und Country-Einflüssen brillieren, spielen die beiden Britinnen von 2:54 mit düsterem, Stimmungsvollen Indierock auf, so als würden die Arctic Monkeys versuchen wie The XX zu klingen. Oder so, als ob eben genannte First Aid Kit zu viel Kyuss gehört und ihre Gitarren dann versehentlich an einen verzerrten Verstärker angeschlossen hätten. Auch Parallelen zu Warpaint lassen sich erkennen.
Über all das wird dann noch eine gehörige Portion Hall gegossen und man erhält den Sound von 2:54. Der ist in der Tat äußerst packend und macht sofort Lust auf mehr. Dazu kommt noch der unbestreitbare Drive, den die Musik mit sich bringt und sie leicht genießbar macht.
Die Kehrseite der Medaille sind jedoch die Texte, die Colette Thurlow in ihr Mikro haucht. Denn so mitreißend die Musik auch ist, so wenig memorabel sind doch die Texte. Wie bei vielen Chart-Hits aus dem öffentlich-rechtlichen Radio steht hier häufig die Melodie der Stimme vor dem Inhalt des Gesagten. Vielleicht liegt es aber auch am erwähnten Hall, dass die Texte schlecht verständlich bleiben und somit nicht den Eingang in das Langzeit-Gedächtnis finden. Wenn man dann genauer hinhört, erweisen sich die Texte doch als sehr stimmungsvoll, aber in der Regel auch als sehr wenig aussagekräftig:

Let myself in,
Hope you don't mind […].

A little longer,
The view is fine,
From here.
From here.

I just want to be close.
Want to be close.“

- You're Early


Dem düsteren Sound der Band wird hier also ein textlich passendes Kleid geschneidert, dass manchmal geradezu zum anfassen und mitmachen animiert. Doch will man diese Texte eigentlich mitsingen? 
Natürlich kann (und soll) auch nicht jede Band eine Meinung vertreten und in die Welt hinaus posaunen, aber wenigstens etwas ausgeklügelter hätte es dann doch sein dürfen.
Wer sich auf diese Platte einlassen will, der sollte also bereit sein, sich nicht all zu sehr an Texten festhalten zu müssen. Dafür belohnen 2:54 mit tollen Sounds, einer schönen Stimmung und beinahe post-rockigen, träumerischen Längen.




Dankenswerterweise bietet die Band mit einigen gut gemachten Videos ausreichend Möglichkeiten, ihre Musik zu erleben. Auch die – durch die Cover der verschiedenen Singles und des Albums bekannte – visuelle Ästhetik der Band, die sich gerne aus be(un)ruhigenden Naturaufnahmen speist, wird hier aufgegriffen und verziert die Clips noch mit einem Klang für die Augen. Womit sich übrigens auch wieder eine Parallele zu First Aid Kit ziehen lässt. (Sören Reimer)