Freitag, 27. September 2013

Käptn Peng & die Tentakel von Delphi – Expedition ins O

(Kreismusik, 2013)


Seit dem Sommer letzten Jahres ist dieser ominöse Käptn Peng mit seiner Musik quasi omnipräsent. Zunächst mit dem Beatmaster Shaban und ihrem gemeinsamen Release „Die Zähmung der Hydra“, seit dem dann mit der Tentakel von Delphi. Dass sich hinter dem Pseudonym Peng der Schauspieler Robert Gwisdek versteckt, ist dabei kein Geheimnis und dass Gwisdek hier das eine nicht mit dem anderen vermischen möchte, verständlich. Dennoch lassen sich einige Einflüsse seiner Schauspielarbeit in der Musik des Projekts wieder finden: Die Videos sind äußerst kreativ und professionell gemacht und lassen trotzdem noch einen Hauch DIY zu, der ihnen zum Odem wird.



Auf der anderen Seite sind es die Texte von MC Peng, die eher an literarische Poesie (Poetry Slam im besten Sinne) erinnern, als an die heftig überladenen Klischees von Rap:

„Aha und wer hat Gott erschaffen?
Ich finde, irgendetwas will doch da nicht passen.
Fassen wir jetzt noch mal zur Übersicht zusammen:
Das Nichts, Der Urknall, Menschheit, Untergang,
Nee Moment, Stop, das ist zu einfach und zu ausgedacht,
Wir werden schon von all den anderen Weltraumrassen ausgelacht,
Als die nix Checkenden, Sich selbst zerstörenden,
Verrückten, Deprimierten, die nichts sehen und nix Hörenden,
Die um sich Schlagenden, Verängstigten, Bekloppten,
Die vergaßen, was sie waren und sich ständig selber foppten“


 - Sockosophie


Die Themen, mit denen der Käptn sich auf dem Album beschäftigt, sind dabei nicht nur (wenn auch häufig) philosophisch beziehungsweise galaktisch. Gerne regt er auch zum Tanzen an (und singt erfreulicherweise auch gerne dabei) oder blödelt schlichtweg ein wenig herum.
Zusammen mit der experimentellen Musik der Tentakel, die irgendwo zwischen Pop, Rock und Funk changiert, vermischt sich das Ganze dann zu so etwas wie Goethe-Pop oder Kant-Funk. Wenn man so will.



Natürlich kann man dem MC vorwerfen, dass er mit seinen Texten eine sehr bequeme und realitätsfremde Position repräsentiert, denn obwohl die Texte gerne nach Diskurs-Pop klingen wollen, beschäftigen sie sich ohne Zweifel hauptsächlich mit Themen, die eine intellektuelle Oberschicht ansprechen. Aber vielleicht ist das angesichts der vielen Philosophie-Studenten und Orientierungsjahr-Ausreizer auch gerade das Erfolgsrezept.
Die Vielseitigkeit der Musik(er) ist dabei ganz besonders hervorzuheben: In jedem Song wird etwas gewagt und versucht. Nie verlässt sich die Band auf den gleichen Klang und kitzelt jedes Quäntchen Möglichkeit aus der klassischen Rock-Band-Besetzung (plus einen umfangreich und ungewöhnlich ausgestatteten Percussionisten) heraus, was das Album zu einer spannenden musikalischen Reise macht – eine Expedition im wahrsten Sinne des Wortes.
So werden körperliche und geistige Bewegung gleichermaßen angesprochen – und dieses Erlebnis macht „Die Expedition ins O“ zu einem großartigen Werk. (Sören Reimer)

Mittwoch, 18. September 2013

Franz & Frau Schneider und dieser Andere – Away

(2013)



Lego, dieses lustige, bunte (und wenn man der imgur-Gemeinde glaubt auch gemeingefährliche) Spielzeug, erinnert uns nicht nur an eine Kindheit, in der wir unbescholten Königreiche erbauten und niederrissen, sondern auch an ein Gefühl der unbegrenzten Möglichkeiten – ein Gefühl von Freiheit.
Vielleicht fühlen Franz & Frau Schneider und dieser Andere sich deshalb so sehr dazu hingezogen zu den bunten Klötzchen. Denn nicht nur in ihrem (stark abstrahierten) Band-Foto kamen sie zum Einsatz, sondern auch auf dem Cover ihrer ersten Veröffentlichung.
Dieses digitale Release hört auf den Namen "Away" und greift damit das Streben nach einem Weg-Sein, einem Der-Nase-Nach-Gehen wieder auf.
Ursprünglich als Songwriter-Duo Franz & Frau Schneider ins Leben gerufen, dominieren auf diesem Album natürlich ruhige, von Klavier und Akustik-Gitarre geprägte Momente. Außerdem die Stimme von Franz, den Frau Schneider und Dieser Andere gelegentlich chorisch unterstützen. Doch nur zu gerne ließ das Trio sich im Studio unterstützen, so dass auf dem Album auch eine Geige, eine Trompete und ein Schlagzeug eine Rolle spielen. Manchmal werden die Songs gar in radio-taugliche, gar un-Songwriterhafte Höhen katapultiert, wie beispielsweise im großartigen "Not Quite Yet", bei dem die Trompete so fröhlich losbricht, dass man einfach nicht sitzen bleiben kann.
Dramaturgisch wagt das Album danach aber einen mutigen Schritt (hach! Uli Lettermann wäre stolz auf mich), wenn es ungefähr auf der Hälfte den Wind aus den Segeln nimmt und zum ruhigen Ausklang des Abends aufruft. Denn so schön die Songs auch zusammenpassen, so sehr wünscht man sich doch zwischendurch noch mal eine kleine Energiespritze.
Eine Erwähnung verdienen auch die beiden Cover-Songs, die so fantasievoll umgesetzt wurden, dass sie auf jeden Fall eine Gleichstellungsberechtigung mit dem eigenen Material der Band erhalten.
Der Sound der Platte ist größtenteils sehr schön geraten und räumt jedem Instrument genug Platz ein, um sich entfalten zu können. Dies ist besonders bei der Vielzahl der beteiligten Musiker lobend zu berücksichtigen.
Franz & Frau Schneider und dieser Andere haben mit "Away" ein Album zum Träumen geschaffen, aber auch ein Album zum Reisausnehmen oder für den sommerlichen Rotweinabend. Ein Genuss. (Sören Reimer)