Mittwoch, 31. Dezember 2014

Dies und Das – Kurzrezensionen #3

Courageous Endeavours – Prototype
(2014)


Wir haben einfach zu wenig Jazz hier auf dem Popperblog. Warum dann nicht gleich mal ein richtig schönes und gutes Stück der kleinen, florierenden und jungen Jazz-Szene hier vorstellen. Die Leichtigkeit und Verspieltheit, mit der das junge Quartett aus Minneapolis auf "Prototype" zu Werke geht, weiß zu begeistern und kann auch den Neuling neugierig machen. Der groß anmutende Claim, ihre Musik sei „the […] answer to the question of the relevance of jazz in the 21st century“, scheint da nur gerechtfertigt (wenngleich es natürlich immer mehrere Antworten auf ein eine Frage dieser Art geben kann).

First Aid Kit – Stay Gold
(Columbia, 2014)


Die Geschichte von dem Youtube-Video, das sie groß machte, ist mittlerweile oft genug erzählt worden. Vor allem ist sie aber auch – scheinbar – zu Ende erzählt: Johanna und Klara Söderberg sind in den letzten Jahren vom kleinen Indie-Phänomen und Fleet Foxes-Nachfolgern zu einem Pop-Act gewachsen. Ihr drittes Album erscheint auf Columbia und die Heldin ihres Songs „Emmylou“ haben sie schon in persona getroffen.
Eine ganz andere Frage die sich mir stellt ist: Liegt es eigentlich an mir oder an den Künstlern, dass mir „dritte Alben“ so schlecht gefallen? Genau wie bei William Fitzsimmons im letzten Dies und Das wissen auch First Aid Kit nicht mehr so recht zu fesseln. Das mag daran liegen, dass ich als Hörer mich weiter entwickelt habe, denn genau genommen liefern die beiden Schwestern noch genau so hochwertig wie eh und je ab. Das mag aber auch am „verfluchten dritten Album“ liegen.

Fjort - D'Accord
(This Charming Man, 2014)


Ein sympathisches Trio, das seinen minimalen Post-Hardcore mit großen Texten aufplustert. Sie beherrschen das Schwanken zwischen brachialer Riff-Gewalt und melancholischem Verloren-Sein perfekt und die lyrischen Kunstwerke, mit denen sie ihre Musik garnieren, eignen sich zum Mitschreien und Nachdenken gleichermaßen. Auch live sind die Aachener eine Entdeckung, denen selbst ein schlecht gemischter Sound (wie seinerzeit im Kölner Aetherblissement) noch gut zu Gesicht steht. Auf jeden Fall eines der besten Alben des Jahres!

Matula – Blinker
(Zeitstrafe, 2010)


Da ich als kleiner Captain Planet-/Zeitstrafe-Fanboy natürlich etwas vorbelastet bin, kann man mein Wort im Zusammenhang mit Matula natürlich nicht für voll nehmen. Dabei finde ich sie gar nicht mal ganz so gut, wie ihre Labelkollegen. Trotzdem ist ihr Debüt immer noch eine sackstarke Platte, auf der sich netter Pop-Punk mit der netten Stimme von Sänger Thorben und den gewitzten Texten über kaputte Menschen, angestaute Aggressionen und Fridtjof Nansen zu einem harmonischen Ganzen verquickt. Auf dem letzten Bierschinken-Festival waren sie „die punkigste Band“ der großen Bühne – und die netteste noch dazu.

Manic Street Preachers – Futorology
(Sony, 2014)


Die großen Alten haben es wieder getan: Was ursprünglich einmal mit Punk im Geiste begann, ist mittlerweile etwas abgezahnt und glatt geworden. Futurology klingt eher, als wäre es von Manfred Mann's Earth Band eingespielt worden und schielt ziemlich eindeutig in Richtung Radio-Rotationen. Kein Wunder, dass sogar ein Konsens-Sender wie WDR 2 dieses Album ausführlich bewirbt. Es ist Musik, die – um einen beliebten Ausspruch meiner Freundin zu zitieren - „keinem Weh tut“. Das macht sie nicht schlecht – aber auch nicht besonders spannend. Selbst wenn diese Platte noch gut gemeint ist, so ist das doch unter der tonnenschweren Produktion verloren gegangen.


Volcano Choir – Repave
(Jagjaguwar, 2013)


Wie vermutlich viele andere Fans von Bon Iver habe auch ich mir außerordentlich gefreut, dass Justin Vernon ein neues Album aufgenommen. Auch die Zusammenarbeit mit Collections of Colonies of Bees, ihres Zeichens Post-Rock Band und alte Jugendfreunde von Vernon, hieß sich gut an. Jedoch weiß das Ergebnis nicht so recht zu begeistern: Irgendwie ist den Kumpels beim Herumjammen wohl das Gefühl für die Eingängigkeit ihrer Musik abhanden gekommen. Die großen Melodie-Bögen des Post-Rock sucht man hier auf jeden Fall genau so vergebens wie die packenden Lieder, die Vernon in seinen anderen Projekten so auszeichneten.

Warpaint – Warpaint
(Rough Trade, 2014)


Die mittlerweile zum Quartett angewachsene Band aus Los Angeles geht ihr zweites – das erste in der „vollständigen“ Besetzung und deswegen quasi als „richtiges“ Debüt anerkanntes – Album gut an. Die psychedelischen, raumgreifenden Eskapaden vermengen sich mit eingängigen – jedoch stets ungewohnten und spannenden – Melodien zu genau der spannenden Musik, die man nach „The Fool“ von Warpaint erwartet hat. Es scheint immer so, als würde ein verträumtes kleines Mädchen sehr morbide Ereignisse schildern. Und genau dieser vermeintliche Bruch macht die Band (und auch ihr zweites Album) so genial. (Sören Reimer)

Montag, 1. Dezember 2014

Stellt euch nicht so an

Ben Howard - I forget where we were, Live in der Sporthalle Hamburg, 25.11.2014

Ben Howard. Dieser tolle Typ. Letztens hab ich irgendwo gelesen, er sei sowas wie der Hipster-Jack Johnson. Oderso. Minus den Hipster, wahrscheinlich. Jedenfalls, ich find den ja gut. Danke an dieser Stelle noch mal an Mill, der mir exakt einen Track gezeigt hat damals (The Wolves, glaube ich), was mich dazu veranlasst hat, sofort ein Konzertticket zu kaufen. Als einzige aus unserem Freundeskreis, wie sich später herausgestellt hat. Auch dafür an dieser Stelle noch mal herzlichen Dank. Und keine Sorge, JETZT bin ich wirklich oft genug auf der Geschichte herumgeritten. Immerhin war ich bei Ben Howard, und damals noch im Kölner Luxor. Ich war also quasi fast noch am Anfang dabei. Oder so.

Wie auch immer. Every Kingdom, legendäres Album, tolle Songs, auf manche kann man sogar tanzen, und man kann sie so sehr mitfühlen und der ist ja noch so jung. Wirklich, toller Typ. Und Gitarre kann er auch noch spielen! Hammer. Und dann auch noch bekannt werden als Vorprogramm von Xavier Rudd, da geht einem doch das Straßenmusikerherz auf. Man feiert ihn hart, für mich beschreiben gerade Songs wie Old Pine und Keep Your Head Up (jaja, Klischee, ich weiß) einen wichtigen Zeitabschnitt meines Lebens. Alles irgendwie eingängig und direkt ins Herz. Bis auf das Ende des Albums vielleicht, dieses Promise ist irgendwie anders als die anderen Kinder... Aber ja eh mehr so ein Hidden Track, und irgendwie nicht so weit weg von Gracious und immer noch weich mit ein bisschen Poprhythmus. Puh. Kann man also gut reinbasteln in dieses gesamt-Dings.

Trotzdem für mich schon eine Andeutung auf die nächste EP, Burgh Island, was war da denn los?! Plötzlich so schwermütig. Das Video zu Esmeralda war natürlich Bombe, und vor allem endlich mal wieder was neues vom schönen Ben. So richtig zu fassen bekommen hat man ihn ja nicht, außer halt live, und das auch nur noch in zunehmend größeren Hallen. Nicht, dass man es ihm nicht gegönnt hätte, schließlich war der Typ ja gefühlt vier Jahre auf Tour, ununterbrochen. Also: Bravo, Herr Howard! Und Band! Weiter so! Aber mal echt, muss man deshalb gleich so melancholisch werden?

Zwei Jahre später. Das neue Album ist noch gar nicht raus, außer via Livemitschnitt bei der BBC, da liegt die Konzertkarte schon im Briefkasten. Man ist ja schließlich doch ein bisschen Fan. Und vielleicht auch ein bisschen verknallt, jaja. Soll‘s ja geben, auch im gehobeneren Alter. Dann kommt das neue Album, und ach herrjeh, das wird ja immer besser: Nix da mit fröhlicher, wenn auch leicht schwermütiger Backpacker-wir-liegen- bekifft-am-Strand-Atmosphäre. Da sind auf einmal Räume, und alles klingt so sauber. Nicht mehr so Low Budget mal eben im Proberaum (bzw. in der Scheune) aufgenommen. Eine Fortsetzung in groß von der zwei Jahre zuvor erschienenen EP. Instrumentaltechnisch ziemlich brillant, wie ich finde, aber halt auch unpersönlicher, auf den ersten Blick. Und Herrn Howards stimmliche Unzulänglichkeiten hört man auch an ein paar Stellen raus, aber vielleicht muss das ja so. Hm. Nach vielmal hören trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - ziemlich ziemlich gut. Der entwickelt sich halt, warum auch nicht. Wird ja sonst auch langweilig, irgendwann.


(c) http://www.benhowardmusic.co.uk


Konzert in Hamburg also. Sporthalle Alsterdorf, was angeblich eine der größten Indoor- Hallen der Hanstestadt ist wenn voll ausgelastet. Ist sie zwar nicht, aber trotzdem ganz schön groß. Da stehen dann auch gleich ein paar mehr Leute mit auf der Bühne, sonst kommt da ja nix rüber. Vorprogramm übrigens Jack Garrat, geiler Typ. Nur mal so nebenbei. Und plötzlich versteht man, warum jetzt alles anders ist, alles anders sein muss: Diese Hippie-Akustik-Scheiße geht nicht in großen Hallen. Da müssen Flächen her. Die

hat er jetzt. Ich freue mich sehr über jeden Song, die ansonsten leider echt nervigen Typen hinter mir auch, sonst sieht man überwiegend verständnislose Gesichter: Wie jetzt, echt keine Songs vom alten Album? Ja, nee! Schon doof, aber mal ehrlich: Das Album ist jetzt drei Jahre alt, und so lange wie der getourt hat, da hat man vielleicht echt irgendwann keinen Bock mehr auf den alten Kram, auch wenn er noch so schön ist. Oats in the Water und Every Kingdom haut er am Ende noch raus, er ist auch weniger gesprächig als früher mal, naja, man ist jetzt halt ein Star. Oder heiser. Man wünscht sich eher letzteres. Das Whiskeyglas ist jedenfalls nie weit weg, und manchmal hat man schon den Eindruck, dass er ordentlich einen im Tee hat, der liebe Ben. Aber warum auch nicht. Gitarre spielen kann er schließlich immer noch, und seine Texte, und das ist ja wohl die Hauptsache. Schöne Videohintergründe, von den Musikern sieht man ziemlich wenig. Bisschen Massive Attack- Style. Nach drei Vierteln des Konzerts ist ein Teil des Publikums schon am gehen. Sind die doof. Ja, alles bisschen abgeklärter, alles nicht mehr so Wohnzimmer wie früher, aber eben doch immer noch ein toller Typ. Mit tollen Songs. Und Band! Die nicht zu vergessen. Und mal ehrlich: Wer immer nur den alten Scheiß hören will, soll sich zu Hause auf die Couch hocken und das Abspielgerät des Vertrauens anwerfen. Stellt euch nicht so an.