Freitag, 24. Oktober 2014

Restorations – LP3



(Uncle M, 2014)



Wir leben in unserer Zeit und unserer Kultur in einem Zustand, in dem immer alles möglich scheint. Wir können alles erreichen, glauben wir. Wir können alles verlieren, glauben wir. Wir sind sicher, glauben wir, und haben doch Angst vor den vermeintlich alltäglichen Dingen (Umweltkatastrophen, Ebola, Atomenergie, Facebook-Privacy-Settings, etc). Und genau so, wie die Möglichkeiten unbegrenzt erscheinen und uns Auftrieb verleihen, lähmen uns unsere Ängste und verunsichert uns dieser ganze „Status Fluxus“ (Sorry, my fellow Shadowrun-Nerds!).

Zweiter Anlauf: Wie würde eine Band klingen, in der John K. Samson und Josh Homme mitwirken würden? Vermutlich ganz ähnlich wie Restorations auf ihrem dritten Album (das sie der Einfachheit halber einfach genau so genannt haben). Hier treffen groovige Desert-/Stoner-Rockige Riffs auf balladeske und toll erzählte Texte. Ein Widerspruch, könnte man meinen, doch Restorations zeigen auf ihrem Album eindrucksvoll, dass sehr persönliche Strophen und geradzu stadienrockige "Oh-oh-oh"-Chori wunderbar Hand in Hand gehen.

Insgesamt feiern die fünf Jungs aus Philadelphia auf ihrem Album die Kunst des Kontrasts und den Bruch mit der Hörerwartung. Begonnen bei dem blubbernd beginnendem Opener „Wales“ über das geniale leise-laut-leise Intro der Single „Separate Songs“, bis zum plötzlich lospreschenden (und unheimlich ohrwurmtauglichen) „Tiny Prayers“.


Restorations - "Separate Songs" Official from John Komar on Vimeo.


Wie bereits erwähnt erinnern die Texte in ihrer Art, ganz alltägliche Dinge so zu arrangieren, dass ein schlüssiges Stillleben oder eine clevere Geschichte daraus entsteht, an John K. Samson (oder um einen vergleichbaren deutschen Poeten zu nennen: Niels Frevert). Und da finden wir uns auch schon wieder bei den Ängsten und Hoffnungen des täglichen Lebens – vor allem aber den Ängsten. 


“The things we’d trade in some strangers’ basements /
The things we’d trade with the boats on the foreign shores /

But it bites back /

It doesn’t care at all /

If I looked up, this would be your ceiling /

I wanted to go home /

Now I just want to go back /

Side stage / Off in the corner /

We hit it off / And by “hit it off” I mean /

I was staring at the floor / I was trembling like a child”

-       Most Likely A Spy



Wer ein Ohr für und eine Neigung zu dieser Art der Erzählung hat, dem werden Restorations mit ihrer härteren Art des Vortrags sicherlich einen erfrischenden neuen Input geben.

Wer eher ein Ohr für Post-Punkigen Rumpelrock hat, dürfte hier vielleicht seine perfekte Sonntag-Nachmittags-CD gefunden haben. Alle Anderen sollten auch mal reinhören. Es gibt ja so viel zu entdecken. (Sören Reimer)

Freitag, 17. Oktober 2014

David Krützkamp – Fremde Fenster EP

(Different Trains, 2014)





"Oh man, Daniel hat gerade angerufen und er steckt noch in Dülmen fest. Wegen des Bahnstreiks kommt er wohl erst so um neun." David Krützkamp blickt ein wenig entschuldigend von seinem Handy hoch.

Wir sitzen in meiner Wohnung, wo David im späteren Verlauf des Abends ein kleines Wohnzimmerkonzert spielen soll. Geplanter Beginn des Konzertes war um acht. Aber zum Glück bietet dieser gemütliche Rahmen nicht nur die Möglichkeit, dass Publikum und Musiker diesen Abend auf Augenhöhe, ja sogar im gemeinsamen Sitzkreis genießen können, sondern auch die, den Beginn einfach durch ein wenig Palaver und Biertrinken hinauszuzögern. Und welches gute Konzert fängt schon pünktlich an?



Bild: Dominik Strauch



Am 17.10.2014 erscheint Davids neue EP "Fremde Fenster" als Digital-Only-Release (es gibt aber formschöne Faltkarten, die wie ein CD-Gatefold gestaltet sind, nur dass sich an Stelle der CD ein Download-Code befindet) und er reist zu dessen Bewerbung durch die Wohnzimmer Nordrhein-Westfalens. Seit seinem Debüt-Album "Zwischenräume" im Jahr 2012 sei eine Menge passiert, erzählt der blonde Münsteraner, aber trotzdem hat er weiter Songs geschrieben und einzig ein wenig auf seine Live-Auftritte verzichten müssen.

Dabei habe er genug Songs für ein Album geschrieben und sogar noch so viele mehr, dass er vorab die EP Fremde Fenster veröffentlichen wollte: "Die Stücke auf der EP, das sind die Songs, die nicht so wirklich aufs Album passten. Sie sind von der Tendenz ein bisschen poppiger als das, was auf dem Album zu hören sein wird. Und damit meine ich nicht, dass sie schlechter sind oder Überschuss oder so. Mir ist es nur immer wichtig ein kohärentes Album zu schaffen, wo man keinen Track skippen möchte."



Bild: Dominik Strauch


Als gegen halb zehn alle eingetrudelt, gesättigt und mit frischen Getränken versorgt sind legen David Krützkamp und Daniel Hartwig (Exploding Whales) mit ihrem Set los. Die Atmosphäre ist gut, das Publikum hängt an den Lippen des Liedermachers und an den Fingern seines Begleit-Musikers. Die Stille, die während der Songs herscht, verwandelt sich danach immer wieder in begeisterten Applaus und so manch eine/r hat an diesem und durch diesen Abend die Songwriter-Musik im Allgemeinen für sich entdeckt.

Unter Verweis auf das mangelnde Equipment bei dieser "Backpacker-Tour" animieren die beiden Musiker die Zuhörer dazu beispielsweise den Melodie-Loop von "Segel#45" zu singen – ein Gänsehautmoment.

Gegen halb zwölf endet das Konzert und die Gruppe zerstreut sich teilweise; ein kleiner Kreis hält die gute Stimmung aber noch einige Stunden lang aufrecht.



Bild: Dominik Strauch


Die Songs auf der "Fremde Fenster" EP wirken – gerade im Vergleich zu der "Zwischenräume" etwas wagemutiger, etwas freier. Wo der Titeltrack noch an das Album anknüpft, wagen "Perfekt" und "Bankräuber" schnellere Töne und gerade das Erstere erinnert – im positiven Sinne – an das Kid Kopphausen-Album. In "Grauer Schnee" hingegen spinnen David und Daniel die aufgetürmten Soundschichten, die auf "Zwischenräume" sporadisch anklangen, sinngerecht fort und ergehen sich geradezu in der finalen Klangkaskade.

Die Aufnahmen, die David zusammen mit Daniel an nur einem Wochenende eingespielt hat und komplett selbst produziert hat, beschreibt er selber so: "Wir haben ein Wochenende sehr konzentriert daran gearbeitet und uns immer gefragt: Was braucht der Song jetzt noch? Wir haben gar nicht versucht, bewusst ein Experiment daraus zu machen, weil sowas kann auch ganz schnell in die Hose gehen. Das fühlte sich alles ganz natürlich an."



SR: Wie würdest du die Zusammenarbeit mit Daniel beschreiben?

DK: "Ich komme meist schon mit fertigen Songs zu ihm und entweder weiß ich dann schon, was ich da gern noch haben möchte, oder er findet dann noch was Gutes dazu. Manchmal experimentieren wir auf einfach beide mit unserem Instrumentarium herum und schauen, was sich dann aus dieser Idee heraus kristallisiert. Da hilft es natürlich, dass er ein so viel besserer Gitarrist ist als ich und immer noch ein besseres Voicing oder so kennt. Ich komme da ja eher so vom Folk und Daniel halt vom Jazz – da ergänzen wir uns ganz gut."



SR: Kannst du dir vorstellen, bald auch mal mit einer richtigen Band auf Tour zu gehen?



DK: "Würde ich gerne mal machen, ich scheue aber auch ein wenig die logistischen Herausforderungen, die das dann mit sich bringt. Das wäre dann aber auch keine klassische Rock-Band sondern vielleicht eher eine Art Klangraum-Kollektiv."



Am nächsten Morgen sitzen wir alle etwas müde aber glücklich um den Frühstückstisch. Daniel und David müssen weiter, ein Wohnzimmer in Düsseldorf wartet schon darauf, von ihnen bespielt zu werden. Hin geht es wieder mit der Bahn – dieses mal hoffentlich unkomplizierter. (Sören Reimer)