Freitag, 28. März 2014

Adda Schade – Sverige Resa

(Different Trains, 2014)


Wie schreibt man über Musik? Das ist ja an und für sich schon eine schwierige Frage, auf die man nicht nur eine „richtige“ Antwort findet. Wie schreibt man über Musik, mit der man sich nicht auskennt? Denn wie soll man sich auch nur entfernt einem Gegenstand annähern, wenn man keine Referenzpunkte bei der Hand hat, über die man besagtes Sujet umreißen kann?
Also möchte ich mich – denn zu meiner großen Schande muss ich gestehen, dass die einzige Musik, die ich zumindest grob kenne und die Adda Schade wohl auch als Referenz für sein Schaffen heranzieht, Kraftwerk ist – von der Seite Schwedens her der Musik annähern.
Das Album beschreibt – wie der Titel schon andeutet – eine Reise durch dieses skandinavische Land, das vor traumhaften Geschichten nur so wimmelt. Und seien es nun Kobolde, Trolle oder einfach nur die malerische Natur – an einigen Stellen des Albums lassen sich diese Bilder durchaus aus der Musik herauslesen.
Darüber hinaus ist Schweden aber auch – glaubt man der Autorin der „Scandinavia and the World“-Cartoons – das Land der (hübschen) Computernerds. Und auch das passt irgendwie ganz gut zu dieser Musik, die ganz bewusst streckenweise so hart und elektronisch klingt – wie um einen Kontrast zu schaffen. Gerade in diesen Passagen wird auch eine gewisse Düsternis vermittelt, die den skandinavischen Ländern mit ihren langen, dunklen und kalten Wintern so eigen ist. (Tatsächlich klingt der Opener „Elchpark“ so düster, dass ich ihn als Soundtrack zu meiner Dark-Future-Pen&Paper-Rollenspielrunde benutze, wo er begeistert von den Spielern angenommen wurde.)
Nun konnte ich mich alleine über außermusikalische Referenzen bis hierhin retten, dann will ich sie zumindest noch mit einer Bemerkung verbinden, die ihren Ursprung zumindest ganz nahe an der Musik selbst hat: Der Gestus der Reise, der ständige Fluss der Musik wird auf dem Album schon recht gut deutlich, hört doch die Musik nie wirklich auf – schwillt viel mehr konstant an und ab. Noch intensiver wurde diese Erfahrung allerdings bei dem Konzert auf der Release-Party, das Adda im Theater Paderborn gab: Jams (der zur Live-Band gewachsenen Performance) in verschiedenen Schattierungen der Gefühlspalette – von zärtlich bis funky – lockerten die Albumstruktur etwas auf, ergänzten den Klangkörper und trugen zur Gestaltung der Übergänge noch bei. So wurde aus dem Reisebericht ein etwa halbstündiger Trip, der die Zuhörer fest im Griff hielt und sie tief in ihre eigenen Träume tauchte.
Wenn ich also über dieses Album schreibe, ohne dabei genau auf die Musik einzugehen, möchte ich auch dabei bleiben und mich noch ein wenig dem Sound zuwenden. Der ist nämlich ganz hervorragend gelungen. Adda bastelt sich so viele verschiedene und spannende Klangwelten zusammen, dass es eine wahre Freude ist: Jeder Baustein hat seinen eigenen Rhythmus, Klang und Lautstärke. Und so baut er kleinere und größere Bauwerke auf, tauscht hier und da einen Stein oder gleich eine ganze Fassade aus oder reißt einfach alles wieder ein, um einer neuen Idee Platz zu machen.
So weit, so gut - nun möchte ich das Feld wieder den Profis überlassen und vebleibe mit der Erkenntnis: Eigentlich kann man über Musik gar nicht schreiben. Es ist ganz einfach. (Sören Reimer)

Freitag, 14. März 2014

Interview: Hundreds

  
Heute erscheint das langersehnte, zweite Album des deutschen Duos Hundreds. "Aftermath" - so der Titel der Platte - ist die perfekte Mischung aus melancholisch gesungenen Melodien und durchdacht elektronischen, teilweise gespenstischen Samples. Wir sprachen mit der Sängerin und Songschreiberin Eva Milner über den Titel des Albums, deutsche Musik und das Arbeiten mit seinem eigenen Bruder.

Euer zweites Album Aftermath wird am 14.3. veröffentlicht. Vier Jahre sind seit der Release eures Debütalbums Hundreds vergangen. Was habt ihr in diesen vier Jahren gemacht? Was hat sich für euch verändert?
Wir sind erst mal zwei Jahre getourt. Und danach gab es eine kleine Pause, weil Philipp Vater geworden ist. Das hat quasi noch einmal so ein halbes Jahr gedauert. Und dann haben wir uns auch räumlich verändert. Also ich bin in Hamburg geblieben und Philipp ist ins Wendland gezogen und hat sich dort einen alten Bauernhof gemietet. Dort haben wir unser Studio eingebaut und die letzten eineinhalb Jahre gearbeitet. Das hat sich quasi verändert. Wir haben nicht mehr in Städten gearbeitet, wie vorher beim ersten Album, sondern eben wirklich in der Pampa, wo nichts los ist. Und ich bin immer hin und her gefahren. Deswegen hat sich das Räumliche verändert. Und natürlich verändert sich auch die Herangehensweise von dem ersten zum zweiten Album sehr. Weil du natürlich – in unserem Fall- eine Infrastruktur hast, in Form eines Labels, eines Management, eines Publikums. Und das macht - ich würde es jetzt nicht Druck nennen - aber man weiß natürlich, es gibt jetzt Leute, die damit rechnen, die darauf warten. Wir waren natürlich an erster Stelle daran interessiert, dass es jetzt mal voran geht. Und wir sind glaube ich auch einfach ein Bisschen langsamer als andere Leute. Das ist aber auch nicht schlimm, finde ich.


Inwiefern hat sich die neue Umgebung auf den Klang des Albums ausgewirkt?
Also ich glaube ehrlich gesagt, wenn man weiß, dass wir das Album dort aufgenommen haben, dann hört man es auch. Aber das kann ich schwer einschätzen. Weil es an mir zu nahe dran ist und ich weiß ja nicht, wie es klingen würde, wenn wir es in Hamburg aufgenommen hätten. Und so hatte ich jederzeit die Möglichkeit mich zwischendrin mal durch die Wiese zu rollen, oder spazieren oder schwimmen zu gehen - und das in völliger Ruhe. Und das ist natürlich in einer Großstadt nicht möglich. Und deswegen denke ich, dass es ein konzentriertes Arbeiten war und, dass man das auch hört. Ein ruhigeres, konzentrierteres Arbeiten.


Was hat der Titel des Albums zu bedeuten?
Das ist ein Wort, auf das ich vor ganz langer Zeit gestoßen bin. Das kommt in einem Lieblingslied von mir vor- von Kashmir. Ich habe dieses Wort so schön gefunden. Ich bin generell so eine Wörterbegeisterte und schreibe mir Wörter auf, die mir gefallen gerade im Englischen, da ich ja auf Englisch texte. Und dann habe ich das damals nachgeschaut und fand es total schön und habe das nie wieder vergessen. Dann haben wir quasi diesen einen Song geschrieben und der heißt ja jetzt auch Aftermath. Und es war eigentlich klar, dass der so ein Bisschen der Titelsong von dem Album ist. Und dass der quasi das Neue, unseren neuen Klang- alles was neu ist - in sich birgt. Den Brückenschlag zwischen erstem und zweiten Album macht. Dann haben wir gedacht, wir können ja einfach das Album so nennen - es sei denn, uns fällt etwas Besseres ein. Dann haben wir ganz viel herumprobiert, aber der hat sich immer wieder durchgesetzt. Und an sich bedeutet es zum einen „Nachhall/Nachwehen“, also es kann positiv, als auch negativ gesehen werden. Und dann heißt es aber auch ganz einfach - ich glaube im Alt-Englischen- „Rasenschnitt“- also wenn du den Rasen gemäht hast, was dann übrig ist. (lacht) Genau, passt irgendwie auch. Und es passt auch generell zu unserer Geschichte also dieses lange, ausgiebige touren und dann erst Mal sich wieder sammeln müssen und herausfinden müssen, wo jetzt die Reise hingeht.


Du hast es gerade schon angesprochen, du schreibst deine Texte auf Englisch. Gibt es dafür einen speziellen Grund?
Also ich höre tatsächlich auch selber viel deutsche Musik. Also ich mag das total gerne. Ich habe es dann natürlich auch versucht, habe dann aber gemerkt, nein, da kann ich nicht so spielen. Englisch ist für mich wie so ein Baukasten. Es gibt so viele Wörter, so viele tolle Wörter und es klingt alles ein Bisschen weicher und es ist einfach einfacher zu zeichnen, finde ich. Gerade Bilder zu zeichnen, Metaphern zu nutzen und das mochte ich einfach lieber. Und mein deutscher Versuch ist wirklich bei einem Versuch geblieben. Und es war schrecklich, ich sage es dir. (lacht)


Also kann man von euch auch in Zukunft nichts Deutsches erwarten?
Nein,nein, auf keinen Fall.


Du hast gerade davon gesprochen, dass du gerne deutsche Musik hörst. Welche Künstler magst du denn besonders gerne?
Ich bin - das hört man natürlich nicht in unserer Musik- ein riesengroßer Tocotronic Fan.Vor Allem seit dem „weißen Album“. (lacht) Die finde ich total großartig. Ich mag ihren Gestus, ich mag ihre Texte, ich mag die einfach. Die begleiten mich schon mein halbes Leben. Und - lass mich kurz überlegen - dann mag ich Gustav ganz gerne - eine Frau aus Österreich. Was mag ich denn noch? Die Sterne habe ich früher auch ganz viel gehört, so Hamburger Schule alles mögliche rauf und runter.


Und allgemein, was ist denn jetzt im Moment deine Lieblingsplatte oder dein 
Lieblingskünstler?
Also im Moment höre ich zu Hause tatsächlich ganz viel Haim, weil es mir immer super gute Laune beschert. Ich mochte das Album am Anfang gar nicht und irgendwie lief das dann immer und irgendwann hat sich das so eingeschlichen. Aber es ist eher so zum Popowackeln als zur Kontemplation. Also das bringt irgendwie Bewegung rein und ist sehr sonnig, finde ich. Und ansonsten finde ich John Hopkins großartig. Alt-J habe ich ganz viel gehört. Ich muss noch so ein Bisschen Sachen nachholen, die ich das letzte halbe Jahr verpasst habe. Da habe ich noch einiges vor mir auf jeden Fall. Arcade Fire zum Beispiel habe ich noch gar nicht gehört.


Großartige Platte.
Ich habe auch schon Karten für Dresden, aber ich hatte bisher einfach keine Zeit dafür. Aber ich will mir dafür Zeit nehmen. Ist auch eine meiner Lieblingsbands. Die höre ich auch schon super lange. Aber danke, dass du das noch mal bestätigt hast.(lacht)


Was ist die Hauptinspiration für deine Lyrics? Schreibst du sie alleine oder gemeinsam mit deinem Bruder?
Mein Bruder ist so mein Korrektiv, der dann quasi darüber schaut, wenn ich den ersten Entwurf fertig habe. Aber die schreibe schon ich. Inspiration. Hm. Ganz Verschiedenes. Also Aftermath zum Beispiel ist eine Geschichte über eine Freundschaft, die mich schon ganz lange begleitet. Und diese Geschichte in ein bisschen abstrakter gefasst, damit man auch etwas damit anfangen kann. Also es sind meisten Sachen, die mich selbst betreffen, ein Thema das mich gerade beschäftigt - also jetzt nichts besonderes. Oder eben irgendetwas was mich gerade total belastet oder begeistert. So etwas in der Art. Schon sehr nahe an mir dran, aber ich versuche dann immer einen Schritt weg zu gehen und versuche besondere Moment dahin zu finden.


Wie ist es so, mit seinem Bruder Musik zu machen? Denkst du es ist einfacher, weil man sich sehr gut kennt oder manchmal eher nervig?
Beides. Ich hatte nie eine andere Band, deshalb kann ich es nicht vergleichen. Ich finde es super und ich glaube, dass man ehrlicher sein kann, ohne etwas kaputt zu machen. Ehrlicher oder direkter, sagen wir es so.


Und wie sieht eine Session bei euch Beiden aus?
Also das ist eigentlich immer gleich. Wir sitzen gemeinsam vorm Klavier, Philipp spielt mir eine Idee von sich vor zum Beispiel, oder wir schreiben gerade zusammen eine Idee und dann suchen wir zusammen nach einer Gesangsmelodie- manchmal hat er die auch schon, oder ich habe eine Gesangsmelodie, die ich gut finde, oder habe auch etwas geschrieben und dann fügen wir das zusammen. Und jedes Lied entsteht zuerst mit Klavier und Stimme. Das ist immer das Grundgerüst. Klavier und Stimme. Und dann schreibe ich den Text, Philipp fängt an zu produzieren und dann treffen wir uns immer wieder während das Lied entsteht und ich zeige ihm neue Entwürfe, er sagt: „Guck mal was sagst du denn zu der Basedrum.“ Dann sage ich „super“ oder „nicht super“, dann sucht er eine Andere, oder wir streiten darüber. Ist jetzt keine Session an sich, wir machen alles so ein Bisschen gleichzeitig.


Wie war denn die Zusammenarbeit mit dem Producer David Pye für euch?
Die war sehr virtuell, wir haben ihn ja kein Mal persönlich getroffen. Wir haben immer nur geskypt mit ihm. (lacht) Das war eine super Zusammenarbeit, die ging viel über Email, wir haben alles hochgeladen an Spuren und haben bei jedem Lied geschrieben, wie wir uns das quasi vorstellen/wünschen, wo es noch hin muss. Aber die Lieder waren eigentlich schon fast fertig, als er sie bekommen hat. Und er hat dann auch nur knapp die Hälfte des Albums produziert. Ich würde fast abmischen dazu sagen. Er hat also gemischt und produziert. Er hat noch einzelne Elemente dazu gefügt. Aber es war total gut, dass noch mal aus den Händen zu geben und das jemand anderes noch mal seinen Stempel drunter setzt. Das hat der Musik auf jeden Fall sehr gut getan, finde ich. Und deswegen war die Zusammenarbeit ein Bisschen strange, weil man sich nie gesehen hat, aber dafür hat's super funktioniert. Ist ein ganz freundlicher Typ irgendwie, der sich total Mühe gegeben hat, auch alles so zu machen, wie wir uns das vorstellen und nachgefragt und so. Der hat echt geackert ohne Ende drei Wochen lang.


In welches Genre würdet ihr denn eigentlich euer Album bzw. eure Musik einordnen?
Ich glaube, das überlasse ich dir. (lacht) Das ist echt immer so eine Sache. Du kannst gerne Elektropop schreiben, aber so ganz trifft das natürlich nicht mehr zu. Ich finde es total schwierig, das einzuordnen.


Im März geht ihr ja auf Tour durch Deutschland. Wie kann man sich einen eurer Aufritte vorstellen? Ich habe euch bei eurer ersten Tour gesehen und ihr habt damals viel mit Visuals gearbeitet. Wird das wieder so sein?
Ja, also die ändern sich natürlich. Wir sind jetzt zu dritt auf der Bühne dann. Also wir nehmen noch einen Schlagzeuger dazu für die Liveshows. Und die Bühnenshow wird eine Stufe größer, würde ich sagen. Aber was wir da jetzt genau machen, will ich noch nicht verraten. Das wird auf jeden Fall grandios. Wir sind da gerade in der Brainstormingphase, es werden Sachen gebaut, entworfen. Es ist gerade eine sehr spannende Zeit und ich freue mich schon total auf diese neue Bühnenshow, die wir uns ausdenken. Es wird toll. (lacht)


Fühlst du dich auf der Bühne wohler oder im Studio?
Ach das sind ja so andere Zustände. Seelische Zustände. Also ich fühle mich auf der Bühne extrem wohl, ich mag das total gerne. Das ist ein ganz reiner Moment, wenn man auf die Bühne geht, man weiß, da sind Leute, denen kann man jetzt seine neue Musik zeigen, oder was auch immer. Das ist so ein ganz spezieller Moment. Also ich liebe diesen Moment,aber natürlich ist das auch das spannende am Musikerleben, dass man diese beiden Extreme hat, die ja fast so ein Bisschen schizophren sind. Dass man irgendwie anderthalb Jahre nur im Studio herumhockt und sich der Sonne nicht zeigt ungefähr - so schlimm war es jetzt nicht. Dass du nur da arbeitest und dann dieses andere Extrem ,dass du wochenlang nur auf der Autobahn lebst und von einem Konzert zum anderen springst, was dann wiederum auch anstrengend ist. Das sind so beides extreme Situationen finde ich, aber das macht den Beruf an sich auf Dauer sehr spannend, finde ich.


Habt ihr spezielle Rituale, bevor ihr auf die Bühne geht?
Ja, wir treffen uns alle hinter der Bühne. Also Lichtmann, Tonmann, Visualsmann, Philipp und ich. Und machen einen Kreis und dann legen wir alle die Hände aufeinander und schreien gleichzeitig : „Jetzt wird’s tropisch.“ (lacht)


Tropisch? Wo kommt das her?Ich weiß es nicht so genau ehrlich gesagt. Irgendeine Schnapsidee in irgendeiner Stadt mal entstanden. Ich weiß es nicht mehr.(lacht)

 
(Miriam Wallbaum)

Im Orginal veröffentlicht auf :  http://nbhap.com/music/interviews/hundreds/