Dienstag, 18. September 2012

Slint – Spiderland

(Touch and Go, 1991)



Schon wieder alter Post-Rock, aber dieses mal keine abenteuerlichen Exkurse über das Für und Wider. Einfach nur Musik.
Leise Gitarren, ein repetitives Riff, irgendwo zwischen Country, Grunge und Fahrstuhlmusik (Sehr Tortoise-esque. Beziehungsweise umgekehrt. Ach! Wäre ich doch nur einmal dazu in der Lage alle Musiken der Welt in der chronologisch und Bezugsmäßig korrekten Abfolge zu hören!). Dazu leises, unharmonisches Gebrabbel (Doors-esque). Pause. Und weiter. Dann auf einmal:
Duuuu! Iiiii! Duuuu! Iiiii! Die Gitarren übersteuern heftig. Abwärtsmotiv zum Abschluss der Phrase: Dödödööö! Dödödööö! Dödödööö! Jetzt eindeutig mehr Grunge. Der Gesang klingt auch genau so. Rauh. Verzweifelt. Dann wieder abgeklärtes Gebrabbel, sofort gefolgt vom erneuten, jugendlichen Geschrei.
(Man mag mir an dieser Stelle den kurzen Exkurs verzeihen, aber das Cover des Albums spiegelt diese Jugendlichkeit eigentlich perfek wieder: Vier junge Männer, allesamt schwimmend, postpubertär. Ein verwackeltes Schwarz-Weiß-Foto und überraschte und irgendwie schelmisch grinsende Gesichter. Wer weiß, was diesen Jungs im Kopf rumging, als sie dieses Album schrieben?)
Der Song endet dann so, wie er begann: leise Gitarren und Gebrabbel. Irgendwie schön. Irgendwie unverständlich.
Dann kommt der Nosferatu Man. Die Idee ähnelt der von Breadcrumb Trail (also dem ersten Song. Aber wozu sind Namen schon gut?): Ein leises Gitarren-Riff am Anfang mit gesprochener Stimme (nur dass die Gitarre direkt verzerrt ist, viel gruseligere Harmonien verwendet und das Motiv, das im Wechsel mit dem Gesang auftaucht, eher so klingt: Rödödödö I-i-i-i-i-iöi!). Dann folgt der Ausbruch mit verzerrten Gitarren und grungigem Gesang. Packender dieses Mal. Dann Instrumental-Break, schwer groovend. Dödö.Dödö.Dödö.Dödö. Dann wieder geflüstert-gesprochener Text, wovon sich die Gitarren nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dödö.Dödö.Dödö.Dödö. Dann auf einmal Didi.Didi.Didi.Didi. Abwärts-Folge. Die wollen was Neues. Und da taucht auch schon wieder die Stimme auf. Didi.Didi.Didi.Didiiiiii.Schluss. Oh. Schon?
Wer ist eigentlich Don, Aman? Klingt zumindest ganz gut. Der Song, nicht der Name. Mit schwerem Pathos hören wir die Stimme sagen: "Don stepped outside." Dann Zwei Minuten lang Bass, cleane Gitarre und düstere Satzfragmente. Schleppend. Da da daa da da daa. Da da da da da da di da. Dann Themenwechsel. Thema B geht ganz langsam los. Einzelne Töne verweben sich und fangen langsam an zu rennen. Dann wieder die Stimme. So ein manisches Flüstern. 
(Nett übrigens, dass die Jungs überhaupt kein Booklet zu der CD beigelegt haben. Stattdessen ist auf der Rückseite des Covers vermerkt, dass sie eine Sängerin suchen. Meldungen bitte postalisch an 1864 douglas blvd. louisville, ky. 40205.) 
Weitere Steigerung. Verzerrte Gitarre. Rädädädädädädädädädädädädädädädädädä. Dann auf einmal wieder Ruhe. Bass und Gitarre faden langsam aus. Nach der Stille noch einmal kurz in der Ferne die E-Gitarre, schwer verhallt. Rädädäää...
Man merkt schnell, über jeden dieser Songs könnte man ganz leicht wesentlich mehr schreiben. Und es ist ja auch gerade mal die halbe Platte erzählt. Auch könnte ich jetzt noch lange über die interessanten Experimente zwischen Grunge und Easy-Listening, zwischen Film-Musik und Spoken-Word-Art/Hörbuch (Good Morning, Captain) diskutieren. Aber manchmal taugen Worte eben auch einfach nicht. Anhören. (Sören Reimer)

Samstag, 15. September 2012

Eversham - Eversham

(2012)



Irgendwie ist es bezeichnend, dass ich zuerst in einem Online-Forum über Eversham gestolpert bin. Damals – hach! Welch großes Wort, wenn man bedenkt, dass ich nur von 2011 rede – warb jemand in besagtem Forum in einem einschlägigen Diskussionsstrang für das damals gerade erschienene Debüt der australischen Band. Interessanterweise – zumindest für mich damals sehr überraschend (ja, ich war schon immer von der langsamen Sorte) – völlig umsonst. Dafür aber mit einem gut produzierten Musikvideo, das passenderweise die Stilistik der Clips von Steven Wilson, den ich schon damals völlig abgefeiert habe, aufgriff (Gasmasken, entmenschlichte Gestalten, flackernde Lichter und sonst alles was einem dieses angenehme Gefühl aus Grusel und Distanz vermittelt). Das Album selbst hat mich damals allerdings nicht völlig überzeugt. Irgendwie fühlte ich mich mit den Teilen zwischen den teilweise schon sehr schönen Gitarrenriffs noch etwas überfordert. Die Musik war schon damals – schon wieder! Anscheinend ist mein epische-Worte-Konto noch zu voll – sehr progressiv, allerdings noch größtenteils ruhiger und melancholischer, angefüllt mit vielen Synthie-Flächen, die den geneigten Hörer zum cineastischen Ausflug durch die eigene Fantasie einladen.
An dieser Stelle findet sich der größte Schnittpunkt zum neuen Album, zu dem die Band übrigens wieder einen ganz hübschen Videoclip veröffentlicht hat. Allerdings unterscheidet sich das neue Album auch wesentlich von seinem Vorgänger: Nach wie vor handelt es sich bei der Musik von Eversham um instrumentalen Prog-Rock, der nun allerdings viel härter und brachialer um die Ecke kommt. Das tut der Eingängigkeit der Songs erstaunlich gut und betont den cineastischen Charakter noch in sofern, als dass es so wirkt als würden hier die Gitarren direkt mit dem Hörer kommunizieren. Auch kommen wieder viele Synthies und Keyboards zum Einsatz (sogar ein Klavier! Ein Klavier!), dieses mal jedoch viel eher im Dienste der Gitarren und nicht zum Stopfen der Lücken. So scheint es, dass Eversham die Wasserscheide, an der sie sich auf dem letzten Album befunden haben, mit vollem Karacho in Richtung Rock und Metal hinunter geschwommen, nein -gesprungen sind. Doch leider gehört dieses Album noch zu den vielen schönen Phänomenen, die das Internet in seiner Hinterhand hält und es nur demjenigen, der zufällig das Glück hat darauf zu treffen, mit einem schelmischen aber wohlwollenden Grinsen überreicht. (Sören Reimer)