Sonntag, 20. Oktober 2013

Prezident – Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte


(Whiskeyrap, 2013)


Paradoxerweise führt die – sich im Internet etablierende – Umsonst-Kultur auch immer wieder dazu, dass Fans nach einer Möglichkeit rufen, bei der sie Geld für die geliebte Musik bezahlen zu dürfen. So geschehen am Beispiel des Wuppertaler Rappers Prezident, der nach diversen Umsonst-Tapes diesem Ruf schlussendlich gefolgt ist und sein Album Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte unter komplett eigener Regie veröffentlicht hat. Der Versand erfolgt per Mailorder über die Whiskeyrap-Homepage – der DIY-Gedanke gewinnt.
Doch nicht nur äußerlich überzeugt das Album: Die Beats von Epic Infantry, Bojangelz und Anderen überzeugen auf ganzer Linie und untermalen die düsteren Texte des Ausnahme-Poeten perfekt. Das Feature mit den Kamikazes funktioniert ebenfalls perfekt und fällt nicht aus der Reihe.
Doch worin besteht diese Reihe überhaupt? Keine Frage – aus Prezidents düsteren, philosophischen und reflexiven Texten. Das vorab veröffentlichte „Succubus“, das als Titeltrack des Albums verstanden werden kann, und das ebenfalls verbildlichte „Antimärchen“ stecken den Kurs ab, können aber unmöglich alle Facetten dieses Albums abdecken.
Die sprachlichen Bilder reichen von selbst erdachten Gruselszenarien über die das lyrische Ich überwältigenden Erinnerungen, die in einer Wohnung verhaftet sind („Schlingpflanzen“), bis hin zu einer Runde russisches Roulette unter zwei Brüdern, die Geld aus einem Raubzug unter sich aufteilen wollen („Sechs Kammern“, das zurecht von vielen Kritikern ob seiner hohen Qualität noch mal herausgestellt wurde).
Die Referenzen reichen von Bukowski bis Nas und diesen Rahmen nutzt der Wuppertaler Wortakrobat auch gut aus:

„Du könntest mich nicht ficken auf Viagra dick wie Nappo-Schokolade,
Was die Asos aus dem Tal kredenzen ballert ohne Frage.
Ich zahl meine Getränke mit der Drunken Master Card.
Was Feature? Ich hab schon Gottes Sohn am Apparat.
Was Visa Vie? Ich führe Oscar-reife Selbstgespräche,
Keiner sonst kann mir so locker ein vom Pferd erzählen.
Hab keine Angst vorm Älterwerden,
Wenn du eines Tages bist wie sie,
Bist du es immer schon latent gewesen.“

- Napposchokolade

Und genau wie in diesem – zwar einprägsamen aber verhältnismäßig sogar noch schwachen – Vers springt Prezident von Thema zu Thema, folgt einem Strom aus Gedanken, der den Zuhörer in gleichen Maßen fordert und animiert.
Insgesamt fällt dabei – wie schon erwähnt – glücklicherweise kein Song von dem hohen Niveau herab, auf dem sich das Album bewegt. Prezident hat mit KiebG sicherlich nicht nur eines seiner stärksten sondern auch insgesamt ein extrem starkes Rap-Alben abgeliefert („Prezident, in diesem Land und in dieser Sprache,/ Einer der fünf besten MCs würd ich mindestens sagen.“). Und was kann man für sein Geld schon mehr erwarten? (Sören Reimer)