Wie wir alle wissen ist Pop ungleich
Popmusik. So beinhaltet jedes popkulturell ausgerichtete Magazin
neben dem meist hohen Musikanteil diverse Seiten über Film, Mode,
Literatur, Kunst und seit einigen Jahren natürlich auch
Computerspiele in – je nach Magazin – unterschiedlicher
Ausrichtung. Im fast abgelaufenen Jahr gab es eine Entwicklung die
starke popkulturelle Züge trägt, so jedoch noch nie stattgefunden
und auch kaum etwas mit den besagten Kategorien gemein hat. Diese
neue 'Kunstform' entwickelte sich irgendwann zwischen 2007 und 2008,
erlebte ihren vorläufigen (und vielleicht einzigen?) Höhepunkt im
Laufe diesen Jahres.
Die Rede ist natürlich von den kleinen
mehr oder weniger lustigen Bildchen und Comics, die im Netz
umherschwirren und ihre massenhafte Verbreitung natürlich den
sozialen Netzwerken zu verdanken haben, angeführt von Facebook und
Twitter. Fast jeder kennt dutzende der sogenannten Rage Faces
und Memes und viele haben vermutlich über diverse
Seiten schon eigene kreiert.
Ihren Anfang nahm diese Entwicklung –
wer hätte es gedacht – beim digitalen Auffangbecken für gestörte
Persönlichkeiten: 4chan. Hier nahm so manches netzinterne
Phänomen seinen Anfang, sei es die mittlerweile weltbekannte
Anonymous-Bewegung,
Rickrolling
oder diverse Shitstorms/ Raids. Weitere Verbreitung erlangten die
Bildchen dann durch den „Social News Aggregator“ Reddit und von
dort aus weiter zu Communities wie 9gag, die sich dann schon auf
diese neuartige Form der Unterhaltung spezialisierten. Diese Seiten
sind dann natürlich mit Facebook und/oder Twitter verbunden und so
nimmt die ganze Sache dann ihren Lauf.
Rage Faces, Rage Comics und Memes
Wovon ich hier eigentlich rede? Davon:
Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf
einer Übertragung gewisser Typen oder Handlungsweisen auf ein
Gesicht, welches dazu dient mit einfachen Mitteln persönliche
Alltagsgeschichten zu erzählen. Arstechnica.com
gibt dazu eine genauere Einführung mit kurzen Erklärungen zu den
wichtigsten Faces. Diese einzelnen Faces werden stümperhaft zu
kurzen Comic Strips zusammengefügt und dann ab dafür in die
unendlichen Weiten des Internet. Es sei hier noch erwähnt, dass
diese Faces des öfteren auch von Fotos real existierender Personen
stammen. Bestes Beispiel ist vermutlich das „Not
Bad“-Face, beruhend auf einem Foto von Barack Obama.
Memes sind da noch ein wenig anders.
Hier werden mehr oder weniger aussagekräftige Fotos verwendet, denen
ein zusätzlicher Sinn angedichtet wird. Dies ist meistens eine
Charakterisierung
einer Person oder eines Tieres nur auf
Grund eines einzelnen Bildes:
- Der nette Good Guy Greg (GGG)
- der asoziale Scumbag Steve (SS)
- der unsichere Socially Awkward Penguin (SAP)
- das nervige, etwas dümmliche Annoying Facebook Girl (AFB) oder
- der brutale Insanity Wolf (IW)
um nur mal einige wenige der vielen
bekannten Memes zu nennen. Diese zugeschrieben Charaktereigenschaft
wird dann wiederum benutzt, um wie bei Rage Comics Alltagssituationen
zu beschreiben (GGG, SS, SAP), ziemlich schlechte Wortspiele zu
machen (Lame Pun
Coon) oder absurd lustig zu sein (IW).
Warum aber haben Rage Comics und Memes
einen so großen Erfolg?

Ebenfalls elementar für den Erfolg ist
die empathische Wirkung, welche die Comics mit sich bringen. Hier
werden meist kleine, eigentlich unbedeutende Alltagssituationen
wiedergegeben, über die in einer normalen persönlichen Konversation
eigentlich nie geredet wird. Durch den fehlenden Austausch über
solche Situationen entsteht eine gewisse Personalisierung dieser
Themen, die durch die Comics aufgebrochen wird und plötzlich wird
einem bewusst, dass quasi jeder Mensch (der westlichen Welt) diese
Situationen ebenso häufig durchlebt.
Als letzter Punkt sind sie auch des
öfteren einfach nur witzig und was der Belustigung dient, das
funktioniert.
Der bei den Rage Comics genannte Punkt
der hohen Simplizität trifft haargenau auch auf die Memes zu.
Schnelles Verständnis, einfache Herstellung und ständige
Wiederholung sind drei Hauptfaktoren für den Erfolg.

Einen viel wichtigeren Punkt nimmt bei
Memes im Gegensatz zu Rage Faces der Humor ein. Ohne diesen
funktioniert weder ein Annoying Facebook Girl noch der großartige
Datable
Beard Man. Dies ist eindeutig die Hauptfunktion der Memes.
Und was hat das jetzt mit Pop zu tun?
Natürlich könnte man Rage Faces und
Memes einfach als neuen Zweig einer Jugendsprache sehen, der er
absolut ist, da es sich hierbei mittlerweile um eine standardisierte
und vollkommen akzeptierte Kommunikationsform handelt. Wär aber langweilig.
Das eigentlich Interessante stellt sich
aber erst heraus, wenn man Rage Comics und Memes in gewisser Weise
als 'Kunst'produkte ansieht und nicht als Mittel zum (kommunikativen)
Zweck:
Es werden immer die gleichen Bildchen
verwendet, welche einmal von jemanden gezeichnet, entwickelt,
geschossen wurden, ohne Rücksicht auf irgendwelche Copyrightrechte.
Jedoch nicht im Sinne von wirklichem geistigem Diebstahl, sondern
eher im Sinne eine Remixkultur. Einzelne Bilder werden immer wieder
in neuartige Zusammenhänge eingesetzt. Dabei verlieren sie zwar
nicht ihre ursprüngliche Bedeutung (Obamas 'Not Bad' bleibt ein 'Not
Bad'), dienen jedoch immer wieder einer anderen Geschichte. Jeder
Autor eines neuartigen Rage Comics oder Memes hat also ein gewisses
Maß an eigener Kreativität reingesteckt.
Ein ähnliches Problem ergibt sich bei
Memes. Wem gehören die Bilder eigentlich? Darf sie ein jeder Frei
benutzen? Werden damit Persönlichkeitsrechte der abgebildeten
Personen verletzt?
Interessant wird es, wenn die
abgebildeten Personen – die auf eine noch nicht mal tatsächlich
vorhandene Charaktereigenschaft reduziert wurden – sich persönlich
zu Wort melden, wie es ein Scumbag
Steve getan hat.

Simon Reynolds wäre stolz. (Marius Wurth)
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