Donnerstag, 29. November 2012

Jahresrückblick Teil 2: Rageing to the Stars.



Wie wir alle wissen ist Pop ungleich Popmusik. So beinhaltet jedes popkulturell ausgerichtete Magazin neben dem meist hohen Musikanteil diverse Seiten über Film, Mode, Literatur, Kunst und seit einigen Jahren natürlich auch Computerspiele in – je nach Magazin – unterschiedlicher Ausrichtung. Im fast abgelaufenen Jahr gab es eine Entwicklung die starke popkulturelle Züge trägt, so jedoch noch nie stattgefunden und auch kaum etwas mit den besagten Kategorien gemein hat. Diese neue 'Kunstform' entwickelte sich irgendwann zwischen 2007 und 2008, erlebte ihren vorläufigen (und vielleicht einzigen?) Höhepunkt im Laufe diesen Jahres.

Die Rede ist natürlich von den kleinen mehr oder weniger lustigen Bildchen und Comics, die im Netz umherschwirren und ihre massenhafte Verbreitung natürlich den sozialen Netzwerken zu verdanken haben, angeführt von Facebook und Twitter. Fast jeder kennt dutzende der sogenannten Rage Faces und Memes und viele haben vermutlich über diverse Seiten schon eigene kreiert.



Ihren Anfang nahm diese Entwicklung – wer hätte es gedacht – beim digitalen Auffangbecken für gestörte Persönlichkeiten: 4chan. Hier nahm so manches netzinterne Phänomen seinen Anfang, sei es die mittlerweile weltbekannte Anonymous-Bewegung, Rickrolling oder diverse Shitstorms/ Raids. Weitere Verbreitung erlangten die Bildchen dann durch den „Social News Aggregator“ Reddit und von dort aus weiter zu Communities wie 9gag, die sich dann schon auf diese neuartige Form der Unterhaltung spezialisierten. Diese Seiten sind dann natürlich mit Facebook und/oder Twitter verbunden und so nimmt die ganze Sache dann ihren Lauf.

Rage Faces, Rage Comics und Memes

Wovon ich hier eigentlich rede? Davon:



Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf einer Übertragung gewisser Typen oder Handlungsweisen auf ein Gesicht, welches dazu dient mit einfachen Mitteln persönliche Alltagsgeschichten zu erzählen. Arstechnica.com gibt dazu eine genauere Einführung mit kurzen Erklärungen zu den wichtigsten Faces. Diese einzelnen Faces werden stümperhaft zu kurzen Comic Strips zusammengefügt und dann ab dafür in die unendlichen Weiten des Internet. Es sei hier noch erwähnt, dass diese Faces des öfteren auch von Fotos real existierender Personen stammen. Bestes Beispiel ist vermutlich das „Not Bad“-Face, beruhend auf einem Foto von Barack Obama.

Memes sind da noch ein wenig anders. Hier werden mehr oder weniger aussagekräftige Fotos verwendet, denen ein zusätzlicher Sinn angedichtet wird. Dies ist meistens eine Charakterisierung
einer Person oder eines Tieres nur auf Grund eines einzelnen Bildes:
um nur mal einige wenige der vielen bekannten Memes zu nennen. Diese zugeschrieben Charaktereigenschaft wird dann wiederum benutzt, um wie bei Rage Comics Alltagssituationen zu beschreiben (GGG, SS, SAP), ziemlich schlechte Wortspiele zu machen (Lame Pun Coon) oder absurd lustig zu sein (IW).


Warum aber haben Rage Comics und Memes einen so großen Erfolg?

Starten wir mit den Rage Faces. Ein unglaublich wichtiger Aspekt ist die Einfachheit der Herstellung der eigenen Comics. Nach 5-10 minütiger Rezeption solcher Comics hat aber auch wirklich der Letzte das Prinzip und die einzelnen Typen verinnerlicht. Was jetzt noch fehlt ist eine kleine persönliche Alltagsgeschichte, die dann lustig verpackt wird und fertig ist der eigene erste Ragecomic. Diese Simplizität beruht auf dem extrem hohen Wiedererkennungswert der einzelnen Faces. Eine sehr minimalistische Zeichnung drückt eine alltägliche Empfindung aus, man braucht wahrlich keine Intelligenzbestie zu sein, um die Emotionen und Geschichten nachvollziehen zu können.
Ebenfalls elementar für den Erfolg ist die empathische Wirkung, welche die Comics mit sich bringen. Hier werden meist kleine, eigentlich unbedeutende Alltagssituationen wiedergegeben, über die in einer normalen persönlichen Konversation eigentlich nie geredet wird. Durch den fehlenden Austausch über solche Situationen entsteht eine gewisse Personalisierung dieser Themen, die durch die Comics aufgebrochen wird und plötzlich wird einem bewusst, dass quasi jeder Mensch (der westlichen Welt) diese Situationen ebenso häufig durchlebt.
Als letzter Punkt sind sie auch des öfteren einfach nur witzig und was der Belustigung dient, das funktioniert.

Der bei den Rage Comics genannte Punkt der hohen Simplizität trifft haargenau auch auf die Memes zu. Schnelles Verständnis, einfache Herstellung und ständige Wiederholung sind drei Hauptfaktoren für den Erfolg.
Der Aspekt der empathischen Wirkung trifft bei Memes ebenfalls häufig zu, da hier ab und an auch Alltagssituationen wiedergegeben werden: Mit einem GGG oder AFG wird aber vermutlich jeder schon Bekanntschaft gemacht haben. Der Hauptgrund für den Erfolg von Memes hierdring zu sehen ist jedoch falsch da kaum einer schon einmal einem Insanity Wolf begegnet sein wird.
Einen viel wichtigeren Punkt nimmt bei Memes im Gegensatz zu Rage Faces der Humor ein. Ohne diesen funktioniert weder ein Annoying Facebook Girl noch der großartige Datable Beard Man. Dies ist eindeutig die Hauptfunktion der Memes.



Und was hat das jetzt mit Pop zu tun?

Natürlich könnte man Rage Faces und Memes einfach als neuen Zweig einer Jugendsprache sehen, der er absolut ist, da es sich hierbei mittlerweile um eine standardisierte und vollkommen akzeptierte Kommunikationsform handelt. Wär aber langweilig.
Das eigentlich Interessante stellt sich aber erst heraus, wenn man Rage Comics und Memes in gewisser Weise als 'Kunst'produkte ansieht und nicht als Mittel zum (kommunikativen) Zweck:
Es werden immer die gleichen Bildchen verwendet, welche einmal von jemanden gezeichnet, entwickelt, geschossen wurden, ohne Rücksicht auf irgendwelche Copyrightrechte. Jedoch nicht im Sinne von wirklichem geistigem Diebstahl, sondern eher im Sinne eine Remixkultur. Einzelne Bilder werden immer wieder in neuartige Zusammenhänge eingesetzt. Dabei verlieren sie zwar nicht ihre ursprüngliche Bedeutung (Obamas 'Not Bad' bleibt ein 'Not Bad'), dienen jedoch immer wieder einer anderen Geschichte. Jeder Autor eines neuartigen Rage Comics oder Memes hat also ein gewisses Maß an eigener Kreativität reingesteckt.
Ein ähnliches Problem ergibt sich bei Memes. Wem gehören die Bilder eigentlich? Darf sie ein jeder Frei benutzen? Werden damit Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen verletzt?
Interessant wird es, wenn die abgebildeten Personen – die auf eine noch nicht mal tatsächlich vorhandene Charaktereigenschaft reduziert wurden – sich persönlich zu Wort melden, wie es ein Scumbag Steve getan hat.

So bringen auch Rage Faces und Memes Probleme mit sich, die es in dieser oder ähnlicher Form schon seit Jahren im kulturellen Bereich gibt. Die verwendeten Techniken sind ebenfalls keineswegs wirklich innovativ. Eine komplett neuartige popkulturelle Entwicklung lässt sich also auch Rage Comics und Memes nicht unterstellen, eher eine erweiterte Form einer Remixkultur.
Simon Reynolds wäre stolz. (Marius Wurth)

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