Sonntag, 30. Juni 2013

André Baldes – Vorhang und Statisten

(Timezone, 2013)



Nur ein Vorhang und Statisten/ Und keiner weiß, was jetzt geschieht. Und sie wollen's auch gar nicht wissen/ Das wär auch viel zu kompliziert.“
- Andre Baldes: Fleck

Was wäre, wenn niemand mehr genug Energie hätte, um zum Akteur zu werden? Alle warten immer nur auf ein neues Phänomen, einen neuen Gag, den es dann zu zelebrieren gilt. Unter diesem Titel startet Timezone-Frischling André Baldes in sein Debüt-Album und setzt sich dabei mit diesem Thema in seinen Songs mehr oder weniger konsequent auseinander.
Genau wie sein Labelkollege von No King. No Crown. macht André Baldes auf „Vorhang und Statisten“ vieles richtig. Der Sound der Produktion klingt druckvoll und wunderbar transparent. Seine kräftige Stimme bewegt sich stets im Vordergrund und das Instrumentarium ergänzt sich zu einem stimmungsvollen Ganzen.
Jedoch neigt speziell die Geige, die im Hintergrund die Lieder untermalt, dazu, die Songs zwar voller, aber nicht übersichtlicher zu halten. Nur selten traut Baldes sich, die Musik auf das Nötigste zu reduzieren (das leise „Hinter Glas“ fällt hier positiv auf).
Stattdessen glänzt er mit seiner schmalzigen Stimme und erinnert dabei vom Gesamtklang in den besten Momenten an Deutsch-Rock a lá
Schandmaul („Ophelia“) - in den schlechtesten eher an Pur.
Gerade bei einem Songwriter-Album liegt natürlich ein besonderer Fokus auf den Texten. Die sind jedoch durch die Bank ein wenig flach geraten. Denn selbst in den intimen Momenten seiner leisen Songs verliert sich Baldes in Floskeln, die weder helfende Hand noch schallende Ohrfeige sein können. Von den vielen Yeahyeahs und Ohohs in den lauten Songs ganz zu schweigen. Insgesamt hat man durchgehend das Gefühl, dass Herr Baldes hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt (wie ja übrigens auch das Cover).
Aber vielleicht muss auch in diesem Fall (wie auch bei No King. No Crown. oder Drebe) die Anforderung an das Album überdacht werden.
Denn Freunde poppiger Songwritermusik, die einen nicht um den Schlaf bringt, sondern den schönen Sommertag noch ein wenig sonniger macht, kommen hier definitiv auf ihre Kosten.
Doch um tatsächlich mit seiner Musik eine treffende Analyse der Gesellschaft (Die Gesellschaft! Die Gesellschaft!) abzuliefern, geht André Baldes nie genug in die Tiefe. Natürlich ist das auch ein bisschen viel verlangt, dass ein junger Künstler auf seinem ersten Album bereits alles verstanden hätte. Stattdessen bieten sich hier viele Möglichkeiten, in die er sich noch entwickeln kann. Wenn die Texte noch ein wenig mehr egalisiert werden, tritt das Pop-Potenzial noch mehr hervor. Treten auf der anderen Seite die Texte mehr in den Vordergrund, könnte die Indie-Szene sich über einen gut klingenden Songwriter freuen. (Sören Reimer)

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