Mittwoch, 19. November 2014

Fyn der Wal – Mama hat gelogen

(By Beathoven, 2014)






Ankommen, innehalten, mit den Tränen kämpfen. Bereits der Opener des Debüts des Songwriter-Duos Fyn der Wal setzt den Kurs, dem der Wal im Verlauf der kommenden halben Stunde folgen wird.



Gerade erst Anfang dieses Jahres gegründet, jetzt schon einen Plattenvertrag und eine Hochglanz-Aufnahme – so einfach kann es also sein, wenn man alles richtig macht. Doch was genau haben Fyn der Wal eigentlich richtig gemacht, damit sie jetzt „Mama hat gelogen“ via By Beathoven veröffentlichen können? Spätestens seit Lemmy wissen wir natürlich, dass man die richtigen Leute zur richtigen Zeit treffen muss, um es zu was zu bringen. Aber selbst diese Leute werden einen gewissen Anspruch an die Musik stellen – und den erfüllen Fyn der Wal zweifelsohne.



Schonungslos tauchen Tobias Hilprecht (Piano) und Stefan Herholz (Gesang) mit dem festgebundenen Zuhörer in die lichtlosen Tiefen ihrer Musik ab. Man ist versucht, sie die Untiefen ihres Seelenlebens zu nennen, doch das, was hier verarbeitet wird, wünscht man Niemandem.



Wie ernst kann man Musik nehmen, die textlich und musikalisch derartig in die Tiefe drängt? Der Wal geht nämlich nicht nur auf Kurs in Richtung Meeresboden, sondern auch in Richtung Kitsch und Pathos. Dass das (hervorragend arrangierte) Balladen-Piano nicht unterwegs Schützenhilfe von 1000 singenden Geigen erhält, ist Fyn schon zugute zu halten. Auch den Gesangskünsten von Sänger Stefan kann man ihre poppige, schmeichelnde Art abgewinnen. Dass die Texte aber derartig aus dem Vollen schöpfen ist manchmal schwer zu ertragen:



„Ich schenk dir jeden Stern, zieh in jede Schlacht, wenn du das willst.

[…]

Wer sich mir in den Weg stellt, den du gehen willst,

Der hat noch nie eine Armee von dieser Art gesehn.

Ich bau dir Brücken über Pfützen,

Bau dir ein Denkmal in meiner Seele.“




Natürlich könnte man an dieser Stelle die alte Ästhetik-Diskussion vom Zaun brechen; denn sicherlich: Das Album ist in sich geschlossen, hat eine klare und eigene Sprache und ist technisch gut gemacht. Wie so häufig kommt es aber auf den Geschmack an und von dem kann und will ich mich in diesem Fall gar nicht frei machen.


Zweifelsohne hat ein Label wie By Beathoven eine bestimmte Zielgruppe im Auge, wenn sie ein derartiges Album veröffentlichen. Und wenn man die Lieder von „Mama hat gelogen“ so auf sich wirken lässt, scheint es nur plausibel, dass eine breite Zuhörerschaft diese Musik ohne Ecken und Kanten mit offenen Armen aufnehmen wird. Irgendwo zwischen den Fans von Herbert Grönemeyer, Marius Müller Westernhagen und Yann Tiersen, die einfach nicht genug von Klavierballaden bekommen können und denen die textlichen und musikalischen Bögen gar nicht groß genug werden können, positionieren sich Fyn der Wal. Wer's mag, wird’s mögen. Die anderen sollten schlucken, durchatmen, weitergehen. (Sören Reimer)

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