(Columbia, 2006)
Musikalisch begabte Kleinpferde von
Welt mit Superkräften, in wirren und schillernden Kostümen
überraschen schüchterne, schwarzgeschminkte Mädchen auf dem
Friedhof, fordern sie erfolgreich zum Tanze auf und friemeln charmant
deren Schalter auf Extraversion. Erster Gedanke: solider Trash. Nein,
Solid Gold! Choreografisch genau so umgesetzt für das Musikvideo der
Vorab-Single „Gothic Girl“, zeichnet sich schnell ein wahrlich
skurriles Bild ab, welches sich der fantasievolle Zuhörer beim
Verinnerlichen des Albums „Mit dir sind wir vier“ noch
detailreicher vorzustellen vermag.
„Sweet Madness so here we go again“,
nun also die zweite Langspielplatte des spätestens seit „A new
bassline for josé“ vom Debüt-Album „We love Music“ bekannten
musikalischen Kollektivs International Pony, hinter denen sich die
ehemaligen Mitglieder der Hip-Hop Formation Fishmob Stefan Kozalla
aka DJ Koze und Daniel Sommer aka Cosmic DJ, sowie der
Alleinunterhalter Carsten Meyer aus Münster, besser bekannt als
Erobique, verbergen.
Durch Vocoder verfremdete, nicht ganz
zu zuordnende Stimmen heißen den Hörer willkommen geheißen und
obendrein wird diesem augenzwinkernd Spass gewünscht. Viel Spass –
vielleicht ein erster Hinweis darauf, dass der letztere
Unterhaltungsfaktor nicht zu kurz kommen wird. Die nächsten knapp 60
Minuten werden mindestens so bunt und ausgefallen wie das Albumcover.
Vier Jahre sind seit dem Debüt ins
Land gezogen und das Warten war vor allem für das Trio von
ausgesprochen langer Dauer, zumindest kann man das aus den ersten
Zeilen des hervorbrechenden Openers „Solid Gold“ erschließen.
Der Popexperte Erobique und der
Beat-Bricoleur DJ Koze lassen sich hier erstmals aus und reichen ein
Amuse Geul ihres Könnens, bestehend aus schleppenden Synthie Hieben
und dem Hip Hop entsprungenen Beats. Die Freude über die Rückkehr
der lieblichen Tollheit, die das Trauern vertreibt und billigen
Modeschmuck in solides Gold verwandelt, ist ganz auf Seiten
International Ponys. Da sie alle drei eigene, ernstere Projekte
verfolgen, DJ Koze sich beispielsweise über die Jahre hinweg nicht
nur als Techno DJ etabliert, sondern 2005 auch sein erstes Soloalbum
veröffentlicht hat, ist das Bedürfnis zusammen humorvoll zu
experimentieren ziemlich groß.
Um „Genullnau Uhr“ ist man wieder
da, genau zur Clubbing-Primetime. Was nun passiert lässt einen
jedoch erstmal stutzen. In der ersten Hälfte ohne Höhen und nur mit
sehr simpler Bassfigur auskommend, schleppt einen „Still so much“
auf eine kleine Lichtung, wo die gestriegelten Ponys gemächlich
grasen und aufmerksam dem gedämpften, nach und nach lauter
werdenden, konservativen Flügel- und Waldhorn, zum Besten gegeben
von Johannes Brachtendorf, lauschen. Ob Schwarzwald, Kasseler Berge
oder Odenwald: wir befinden uns in definitiv in deutschen Wäldern.
Langsam wird losgallopiert: Uplifting
ist das nun das Motto und gute Laune der Schlüssel zur Loslösung
von der Erdanziehung. „Gravity“ hält was International Pony
versprechen: ein waffenloser Blitzkrieg aus dem die Heiterkeit und
der Hedonismus als Sieger hervorgehen, musikalisch eingebettet in ein
sanftes Zusammenprallen aus Klanghölzern, Glockenspiel, einer
zustimmend nickenden Bassline und ein paar trabenden dumpfen Kicks.
Der Vocoder kommt an manchen Stellen auch zum Einsatz und verleiht
dem Track neben ein paar müden Entenrufen den letzten
Kitsch-Feinschliff.
Mit Acid-Synthies und Vocoder gießt
die Kompakt-Größe Justus Köhncke der Band nun musikalische
Unterstützung in den prallgefüllten Trog ein, den die Ponys mit
Khan und Snax in „Bubble in the Bottle“ teilen. Heiter hüpft
eine belanglose Melodie, die fast so klingt als ob sie bei den
Aufnahmen spontan dazu improvisiert wurde, neben verzerrtem Gesang,
dessen Text nur so von Albernheit strotzt. Der Mittelteil kommt ganz
ohne Komik aus, ist einfach nur verträumt, atmosphärisch und hebt
die kontinuierlich mitlaufende (Selbst-)Ironie, dank eines stimmigen
Synthieteppichs und dezenten Vokalgesängen, für ein paar Sekunden
auf. Vielleicht einer der Höhepunkte des Albums, von denen es zwar
einige gibt, jedoch keiner wirklich zu Ende gedacht wurde.
Das bereits erwähnte „Gothic Girl“
ist eine Mischung aus Funk, Pop und Elementen des Hip Hop, gespickt
mit Blues-Klavierfiguren und Verfremdungselementen, wie z.B. Cowbell
und Karnevals-Pfeife – den Vocoder nicht zu vergessen. Textlich
wird der Humor nun auch für Nicht-Kenner nach außen gestülpt: „she
says she likes black music, but a different kind“.
Was nun folgt hält man im ersten
Moment für ein neues Szene-Getränk im Kosmos der Ponys: „Vodka
Biene“. Dieses musikalische Glanzstück der Komik beginnt zuckersüß
wie der Sonnenaufgang in einem Disney-Film in den eine betrunkene
Biene mit Redebedarf stilbrechend reinplatzt. Musikalisch ist das
allmähliche Ermüden der Biene, die mit viel Vorstellungsvermögen
und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jegliche Blumen
der Nacht bestäubt hat, sehr schön umgesetzt: der stechende
Bienen-Synthie verstummt allmählich und zurück bleiben immer leiser
werdende, trällernde Orgelklänge. International Pony demonstrieren
ihren Humor hier ganz ehrlich und intensiv ohne dabei unangebracht
penetrant zu sein.
Die Lost Version von Solid Gold
verliert sich in dem anstrengend lang anhaltenden Sample von Andreas
Vollenweiders „Sunday“ und hätte auch einem weiteren
experimentierfreudigerem Track weichen können. Dieser Fehltritt ist
schnell verziehen,, muss man der Lost Version doch auch ein
Rückbesinnen auf den grandiosen Opener zusprechen oder verdanken.
Die Party der Ponys beginnt also zur
Geisterstunde und beim vorletzten Track wird ganz versteckt darauf
hingewiesen, dass es erst zwei Uhr morgens ist. Das scheint die
perfekte Zeit zum Ausgehen und für den housigsten Track der Platte
zu sein. Mit „The Royal Pennekaums“ werden die Erwartungen des
Hörers tanzbarer DJ-Koze Werke endlich erfüllt. Als notorische
Wenigschläfer geoutet und Nachtaktivitäts verfechtend wird hier
eine knapp sieben-minütige Deep-House Nummer punktuell mit
verzerrtem, gesanglichem Schlagabtausch zwischen Frau und Mann,
verstörender Bassline sowie verqueren Synthies aufgewertet. Bis auf
den Titel ist hier kein Humor, Klamauk oder auch keine Ironie zu
finden. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Auf den zweiten wird
einem bewusst, dass die eingesetzten Acid-House Bausteine
außergewöhnlich sind und hier der Versuch unternommen wurde das
House-Rad neu zu erfinden, was jedoch nicht ausreicht dem Track die
Erwachsenheit und Frische abzusprechen.
Legitimation für diesen einmaligen
direkten Tanzflächen-Ausflug folgt in dem Rework von Madness' „Our
House“, das nicht annähernd an das Original erinnert, also
vielmehr als Widmung zu verstehen ist. Bereits mit dem Albumtitel
wird man ja in die Gemeinschaft International Ponys aufgenommen, nun
befindet man sich jedoch bereits auf der privaten WG-Party der
schrillen Musiker. Hier wird an einem verschwitzten Sonntag darüber
sinniert, ob „Hangover sinfonies“, die hauptsächlich auf „Mit
dir sind wir Vier“ vertreten sind, mehr aus dem Techno-Einheitsbrei
hervorstechen sollten. Hier brodelt letztendendes eine Kritik an der
musikalischen Engstirnigkeit des Nachtlebens, welche auf dem Album,
für manche Hörer wider Erwarten, nicht fortgeführt wird. Frei nach
dem Motto: „Du möchtest zu einem Koze-Track tanzen? Dann bist du
hier wahrscheinlich die meiste Zeit falsch, sorry!“ wird ein Weg
des Grenzen Austestens eingeschlagen und ein Konzeptalbum präsentiert.
Melodie darf nach dem Minimal-Hype der
ersten Nullerjahre wieder Einzug in die elektronische Musik halten
und Four-To-The-Floor hat an Ort und Stelle vorerst ausgedient. Mut
zum Experiment haben International Pony bis zu diesem Statement mit
den meisten Tracks ihres zweiten Albums bewiesen. Es darf nun gelacht
und die Scheukappen abgelegt werden, schließlich ist uns eingangs
viel Spass gewünscht worden. (Felix Aldinger)
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