Mittwoch, 9. Januar 2013

International Pony - Mit Dir Sind Wir Vier

(Columbia, 2006)



Musikalisch begabte Kleinpferde von Welt mit Superkräften, in wirren und schillernden Kostümen überraschen schüchterne, schwarzgeschminkte Mädchen auf dem Friedhof, fordern sie erfolgreich zum Tanze auf und friemeln charmant deren Schalter auf Extraversion. Erster Gedanke: solider Trash. Nein, Solid Gold! Choreografisch genau so umgesetzt für das Musikvideo der Vorab-Single „Gothic Girl“, zeichnet sich schnell ein wahrlich skurriles Bild ab, welches sich der fantasievolle Zuhörer beim Verinnerlichen des Albums „Mit dir sind wir vier“ noch detailreicher vorzustellen vermag.
„Sweet Madness so here we go again“, nun also die zweite Langspielplatte des spätestens seit „A new bassline for josé“ vom Debüt-Album „We love Music“ bekannten musikalischen Kollektivs International Pony, hinter denen sich die ehemaligen Mitglieder der Hip-Hop Formation Fishmob Stefan Kozalla aka DJ Koze und Daniel Sommer aka Cosmic DJ, sowie der Alleinunterhalter Carsten Meyer aus Münster, besser bekannt als Erobique, verbergen.
Durch Vocoder verfremdete, nicht ganz zu zuordnende Stimmen heißen den Hörer willkommen geheißen und obendrein wird diesem augenzwinkernd Spass gewünscht. Viel Spass – vielleicht ein erster Hinweis darauf, dass der letztere Unterhaltungsfaktor nicht zu kurz kommen wird. Die nächsten knapp 60 Minuten werden mindestens so bunt und ausgefallen wie das Albumcover.
Vier Jahre sind seit dem Debüt ins Land gezogen und das Warten war vor allem für das Trio von ausgesprochen langer Dauer, zumindest kann man das aus den ersten Zeilen des hervorbrechenden Openers „Solid Gold“ erschließen.
Der Popexperte Erobique und der Beat-Bricoleur DJ Koze lassen sich hier erstmals aus und reichen ein Amuse Geul ihres Könnens, bestehend aus schleppenden Synthie Hieben und dem Hip Hop entsprungenen Beats. Die Freude über die Rückkehr der lieblichen Tollheit, die das Trauern vertreibt und billigen Modeschmuck in solides Gold verwandelt, ist ganz auf Seiten International Ponys. Da sie alle drei eigene, ernstere Projekte verfolgen, DJ Koze sich beispielsweise über die Jahre hinweg nicht nur als Techno DJ etabliert, sondern 2005 auch sein erstes Soloalbum veröffentlicht hat, ist das Bedürfnis zusammen humorvoll zu experimentieren ziemlich groß.
Um „Genullnau Uhr“ ist man wieder da, genau zur Clubbing-Primetime. Was nun passiert lässt einen jedoch erstmal stutzen. In der ersten Hälfte ohne Höhen und nur mit sehr simpler Bassfigur auskommend, schleppt einen „Still so much“ auf eine kleine Lichtung, wo die gestriegelten Ponys gemächlich grasen und aufmerksam dem gedämpften, nach und nach lauter werdenden, konservativen Flügel- und Waldhorn, zum Besten gegeben von Johannes Brachtendorf, lauschen. Ob Schwarzwald, Kasseler Berge oder Odenwald: wir befinden uns in definitiv in deutschen Wäldern.
Langsam wird losgallopiert: Uplifting ist das nun das Motto und gute Laune der Schlüssel zur Loslösung von der Erdanziehung. „Gravity“ hält was International Pony versprechen: ein waffenloser Blitzkrieg aus dem die Heiterkeit und der Hedonismus als Sieger hervorgehen, musikalisch eingebettet in ein sanftes Zusammenprallen aus Klanghölzern, Glockenspiel, einer zustimmend nickenden Bassline und ein paar trabenden dumpfen Kicks. Der Vocoder kommt an manchen Stellen auch zum Einsatz und verleiht dem Track neben ein paar müden Entenrufen den letzten Kitsch-Feinschliff.
Mit Acid-Synthies und Vocoder gießt die Kompakt-Größe Justus Köhncke der Band nun musikalische Unterstützung in den prallgefüllten Trog ein, den die Ponys mit Khan und Snax in „Bubble in the Bottle“ teilen. Heiter hüpft eine belanglose Melodie, die fast so klingt als ob sie bei den Aufnahmen spontan dazu improvisiert wurde, neben verzerrtem Gesang, dessen Text nur so von Albernheit strotzt. Der Mittelteil kommt ganz ohne Komik aus, ist einfach nur verträumt, atmosphärisch und hebt die kontinuierlich mitlaufende (Selbst-)Ironie, dank eines stimmigen Synthieteppichs und dezenten Vokalgesängen, für ein paar Sekunden auf. Vielleicht einer der Höhepunkte des Albums, von denen es zwar einige gibt, jedoch keiner wirklich zu Ende gedacht wurde.
Das bereits erwähnte „Gothic Girl“ ist eine Mischung aus Funk, Pop und Elementen des Hip Hop, gespickt mit Blues-Klavierfiguren und Verfremdungselementen, wie z.B. Cowbell und Karnevals-Pfeife – den Vocoder nicht zu vergessen. Textlich wird der Humor nun auch für Nicht-Kenner nach außen gestülpt: „she says she likes black music, but a different kind“.
Was nun folgt hält man im ersten Moment für ein neues Szene-Getränk im Kosmos der Ponys: „Vodka Biene“. Dieses musikalische Glanzstück der Komik beginnt zuckersüß wie der Sonnenaufgang in einem Disney-Film in den eine betrunkene Biene mit Redebedarf stilbrechend reinplatzt. Musikalisch ist das allmähliche Ermüden der Biene, die mit viel Vorstellungsvermögen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jegliche Blumen der Nacht bestäubt hat, sehr schön umgesetzt: der stechende Bienen-Synthie verstummt allmählich und zurück bleiben immer leiser werdende, trällernde Orgelklänge. International Pony demonstrieren ihren Humor hier ganz ehrlich und intensiv ohne dabei unangebracht penetrant zu sein.
Die Lost Version von Solid Gold verliert sich in dem anstrengend lang anhaltenden Sample von Andreas Vollenweiders „Sunday“ und hätte auch einem weiteren experimentierfreudigerem Track weichen können. Dieser Fehltritt ist schnell verziehen,, muss man der Lost Version doch auch ein Rückbesinnen auf den grandiosen Opener zusprechen oder verdanken.
Die Party der Ponys beginnt also zur Geisterstunde und beim vorletzten Track wird ganz versteckt darauf hingewiesen, dass es erst zwei Uhr morgens ist. Das scheint die perfekte Zeit zum Ausgehen und für den housigsten Track der Platte zu sein. Mit „The Royal Pennekaums“ werden die Erwartungen des Hörers tanzbarer DJ-Koze Werke endlich erfüllt. Als notorische Wenigschläfer geoutet und Nachtaktivitäts verfechtend wird hier eine knapp sieben-minütige Deep-House Nummer punktuell mit verzerrtem, gesanglichem Schlagabtausch zwischen Frau und Mann, verstörender Bassline sowie verqueren Synthies aufgewertet. Bis auf den Titel ist hier kein Humor, Klamauk oder auch keine Ironie zu finden. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Auf den zweiten wird einem bewusst, dass die eingesetzten Acid-House Bausteine außergewöhnlich sind und hier der Versuch unternommen wurde das House-Rad neu zu erfinden, was jedoch nicht ausreicht dem Track die Erwachsenheit und Frische abzusprechen.
Legitimation für diesen einmaligen direkten Tanzflächen-Ausflug folgt in dem Rework von Madness' „Our House“, das nicht annähernd an das Original erinnert, also vielmehr als Widmung zu verstehen ist. Bereits mit dem Albumtitel wird man ja in die Gemeinschaft International Ponys aufgenommen, nun befindet man sich jedoch bereits auf der privaten WG-Party der schrillen Musiker. Hier wird an einem verschwitzten Sonntag darüber sinniert, ob „Hangover sinfonies“, die hauptsächlich auf „Mit dir sind wir Vier“ vertreten sind, mehr aus dem Techno-Einheitsbrei hervorstechen sollten. Hier brodelt letztendendes eine Kritik an der musikalischen Engstirnigkeit des Nachtlebens, welche auf dem Album, für manche Hörer wider Erwarten, nicht fortgeführt wird. Frei nach dem Motto: „Du möchtest zu einem Koze-Track tanzen? Dann bist du hier wahrscheinlich die meiste Zeit falsch, sorry!“ wird ein Weg des Grenzen Austestens eingeschlagen und ein Konzeptalbum präsentiert.
Melodie darf nach dem Minimal-Hype der ersten Nullerjahre wieder Einzug in die elektronische Musik halten und Four-To-The-Floor hat an Ort und Stelle vorerst ausgedient. Mut zum Experiment haben International Pony bis zu diesem Statement mit den meisten Tracks ihres zweiten Albums bewiesen. Es darf nun gelacht und die Scheukappen abgelegt werden, schließlich ist uns eingangs viel Spass gewünscht worden. (Felix Aldinger)

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