Freitag, 25. Januar 2013

Scroobius Pip – Distraction Pieces


(Speech Development, 2011)


Introdiction: Was für ein Opener! Dem Album vorangestellt das Motto und gleichzeitig auch eines der grundlegendsten Probleme, mit denen sich Pip beschäftigt: „I saw the dead fish on the pavement and thought: „What did you expect? There's no water 'round this stupid. It should've stayed where it was wet.“. “. Danach rezitiert der bärtige Meister alles was ihn ausmacht in gewohnt hoher Geschwindigkeit und mit dem für ihn typischen Witz:

„Hello my name is Pip,
And I would like to speak some lyrics.
Into this microphone,
That's amplified so you can hear it.

This piece of diction is the intro to Distraction Pieces.
It's all the shit that flies around my head and keeps my sleepless.
Such little food for thought my fucking brain feels anorexic.
So many typo's when I write. Oh I'll claim I'm dyslexic.“

Dabei setzt sich der Autor dieser Zeilen natürlich auf ein hohes Ross und – so viel sei jetzt schon verraten – diese Haltung behält er weitgehend während des Albums auch bei. Dabei ist aber nicht so, dass er sich selbst für einen besseren oder gescheiteren Menschen hält, sondern im Gegenteil: Er erinnert daran, dass wir alle unsere kleinen Ausflüchte und Fehler haben, die uns zwar liebenswert machen, aber auch – in ihrer Summe – das Bild der Gesellschaft prägen, auf die man so gerne schimpft.


Let 'em come: Auf diesem Song teilt Pip die Strophen zwischen sich, P.O.S. und Sage Francis auf. Das ist in sofern besonders reizvoll, als dass alle drei völlig unterschiedliche Vortragsarten haben (oder für diesen Song wählen) und auch ihre Texte völlig unterschiedlich strukturieren. Der Chorus ist dabei einer der stärksten auf dem Album und – vor allem mit der Steigerung, die er am Ende durchgeht – unwiderstehlich energetisch. Inhaltlich kann der Song wohl als Mutmach-Lied für eine desillusionierte Generation aus Teens und Twens verstanden werden, die ihrer Frustration und Angst Luft machen müssen (und sollen).

Domestic Silence: Die Geschichte eines Außenseiters, der feststellen muss, dass ihm ein wenig Konversation von Zeit zu Zeit ganz gut tut, wird mit einem groovenden Flow und mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit vorgetragen. Der Beat basiert – wie alle Beats auf dem Album – auf den Sounds einer Band und lädt zum konspirativen Kopfnicken ein. Das Thema mag vielleicht auf den ersten Blick etwas seicht oder wenig ergiebig erscheinen, doch hier muss man dem Künstler zugute halten, dass er auf häufig völlig unterschätzte Themen den Finger legt und dazu anhält über das eigene Verhalten kurz nachzudenken.

Try Dying: Ein Lied zu einem Thema, dem Wolfgang Müller mit Über die Unruhe ein ganzes Album gewidmet hat: Schätze dein Leben wert, denn du kannst es nicht wiederholen. Doch der große Unterschied zu dem eben genannten Künstler ist – neben Genre und Sprache und anderen offensichtlichen Kriterien – dass Pip seinen Zorn über die Lebensverachtung, die er erlebt, hörbar macht und seine Aussagen auch nicht hinter Bildern und Parabeln versteckt.

Death of the Journalist: Gerade, da diese Rezension auf einem Blog veröffentlicht wird, kann und darf dieser Song als direkte Kritik aufgefasst werden. Aber keine Sorge: Das Album wurde in Gänze gehört und auch die Rechtschreibung wurde überprüft. Insgesamt darf dieser Song – der definitiv zu den anstrengenderen auf dem Album gehört – als berechtigte Kritik an der im Internet geübten, vorschnellen Selbstjustiz verstanden werden, allerdings macht es sich der Künstler auch ein wenig einfach, wenn er dabei die Chancen und Möglichkeiten dieser Plattformen außen vor lässt.

Soldier Boy Kill 'Em: Ein Power Song, bei dem Pip von dem hoch-energetischen B. Dolan unterstützt wird. Dieser bietet durch seinen schnellen Flow mit Doubletimes den passenden, kraftvollen Gegenpart zu Mister Scroobius. Bezüglich des Inhalts lässt sich vielleicht das Zitat: „Kein Protestlied ist jemals umsonst.“ (so oder so ähnlich angeblich von Nena) anbringen. Trotz seiner Energie kein Song zum abfeiern; eher wenn man den Zug noch kriegen muss und gerade erst die Wohnung verlässt.

The Struggle: Johnny Cash-Rap. Der Country-esque Beat geht einfach sofort ins Ohr und macht Spaß. Pip parodiert hier einen erfolgreichen Jet-Setter, der sich in seinem „Leben“ völlig aufreibt und den Verstöße gegen seinen selbst gesetzten Moralkodex vor sich selbst mit Halbwahrheiten versteckt. ...und außerdem irgendwas mit Johnny Depp.


Broken Promise:Gegen Ende des Albums wendet sich Pip den ruhigeren Tönen zu. In diesem nachdenklichen Lied sinniert er über Verantwortung und Veränderung. Der Beat ist dabei äußerst reduziert – man könnte fast sagen, dass es sich eher um ein Soundscape als um einen richtigen Beat handelt.

Feel it: Den Abschluss des Albums bietet dieser Track, in dem Natasha Fox und Pip ihre Empfindungen eines One-Night-Stands gegenüber stellen. Dabei stellt sich das männliche lyrische Ich als introvertierter, überforderter Gegenpart zum weiblichen, schwelgenden ich dar. Auch hier ist der Beat wieder äußerst reduziert und das Album entlässt einen – abgekühlt nach der Power, die einem die ersten Titel injiziert haben – ruhig in den Abend um über all das nachzudenken, was angesprochen wurde. Und das war nun wirklich Einiges. Was für ein Schluss! (Sören Reimer)

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