(Different
Trains, 2012)
Die
Menge an Musik, die heute so völlig ungefiltert auf den arglosen
Hörer losstürmt, ist wirklich unüberschaubar. Egal ob im Internet
mittels sozialer Netzwerke oder Nachrichtendienste, im Fernsehen
oder im Radio: Ständig gibt es einen neuen Song der gehört, einen
Trend, der erlebt werden will.
Doch mit
der Zeit stellt sich dann eine gewisse Routine ein: Aus dem arglosen
Hörer wird ein skeptischer und selektiver Hörer. Nur noch
Empfehlungen von geschätzten Freunden und wichtige Trends werden
verfolgt.
Das
Problem der Zeit scheint es geworden zu sein, dass die Produktion von
Musik so unglaublich günstig geworden ist, wie sie es noch nie war.
Auf der anderen Seite ist aber die Zahl der Hörer prozentual nur
wenig gewachsen. Zwar gibt es jetzt mehr Leute die sich länger und
intensiver mit Musik beschäftigen, aber das Verhältnis ist völlig
aus der Form geraten.
Das
führt dazu, dass kleine Musik-Phänomene es heute sehr schwer haben:
Die Konkurrenz ist einfach zu groß. Das betrifft Bands wie die
Exploding Whales, aber auch
Musiker wie David Krützkamp.
Der
Zweitere ist der Label-Kollege der „Wale“ bei Different
Trains. Auf einer gemeinsamen
Release-Party am 15.12.2012 veröffentlichte er sein aktuelles Album
„Zwischenräume“.
Der
Stil des Albums lässt sich grob als „Singer-/Songwriter“-Musik
einordnen, denn in der Regel hört man David und seine (hervorragend
gezupfte) Gitarre stark im Vordergrund. Nur manchmal lässt er sich
dazu hinreißen, sich mit einem Delay-Effekt in ausartenden
Effekt-Wellen zu verhüllen. Doch diese Unterbrechungen sind nur kurz
und in diesem Maße auch schön zu hören. Außerdem werden
gelegentlich noch einige Instrumente gemischt, die aber lediglich der
harmonischen Farbgebung dienen: Eine Harmonika, weiblicher Gesang,
ein Glockenspiel oder eine unverzerrte, behutsame E-Gitarre
umschmeicheln das Zentrum der Musik.
In
diesem Zentrum stehen selbstverständlich die Texte. Und diese sind
wirklich gut gelungen. David erzählt mit einfachen Worten und einer
inspirierenden Alltags-Poesie (die sich vor einem Wolfgang Müller nicht verstecken muss) von bestehenden und verflossenen Lieben,
vom Mut machen und von Scheißtagen. Doch dabei lässt er sich nie zum Pathos hinreißen, sondern bleibt angenehm bescheiden.
Ich hab
gelesen, was es zu lesen gibt:
Die alte Zeitung und den Kaffeesatz.
Die alte Zeitung und den Kaffeesatz.
Das ist
alles viel zu groß für mich,
Gib mir
irgendwas, das in drei simple Worte passt.
-
Kirmes
Außerdem
hat er einen Vers komponiert, den man unangefochten in das golden
Kästchen mit der Aufschrift „selbst-erfüllende Prophezeiung“
legen kann, denn dem aufgeschlossenen Rezipienten wird ebenfalls eine Gänsehaut über den Arm laufen:
Es
ist so schön für diesen einen Moment,
Und egal
was uns morgen wieder trennt:
Die
Erinnerung schleicht sich von hinten heran.
Ich
glaub ich seh Gänsehaut auf deinem Arm.
-
Designerstilettos
Dabei
schafft er es, immer so zu klingen, als wären ihm diese Geschichten
wirklich passiert. Ob das nun so ist oder nicht, bleibt der Fantasie
des Hörers überlassen. Und den Freunden von Herrn Krützkamp. Die
werden nämlich – um den Faden von „ganz am Anfang“ wieder
aufzunehmen – der vornehmliche Rezipientenkreis dieser Musik sein.
Es mag schade erscheinen, dass diese Musik nicht mehr Leute erreicht,
aber vielleicht wir das in Zukunft häufiger so sein: Einzelne
Freundeskreise bilden komplett eigenständige Kultur-Instanzen, egal
ob nun im Bezug auf Musik, Malerei oder Literatur. Die
Innovationskraft dieser schönen, neuen Welt muss riesig sein. (Sören
Reimer)
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