Mittwoch, 16. Januar 2013

David Krützkamp – Zwischenräume

(Different Trains, 2012)


Die Menge an Musik, die heute so völlig ungefiltert auf den arglosen Hörer losstürmt, ist wirklich unüberschaubar. Egal ob im Internet mittels sozialer Netzwerke oder Nachrichtendienste, im Fernsehen oder im Radio: Ständig gibt es einen neuen Song der gehört, einen Trend, der erlebt werden will.
Doch mit der Zeit stellt sich dann eine gewisse Routine ein: Aus dem arglosen Hörer wird ein skeptischer und selektiver Hörer. Nur noch Empfehlungen von geschätzten Freunden und wichtige Trends werden verfolgt.
Das Problem der Zeit scheint es geworden zu sein, dass die Produktion von Musik so unglaublich günstig geworden ist, wie sie es noch nie war. Auf der anderen Seite ist aber die Zahl der Hörer prozentual nur wenig gewachsen. Zwar gibt es jetzt mehr Leute die sich länger und intensiver mit Musik beschäftigen, aber das Verhältnis ist völlig aus der Form geraten.
Das führt dazu, dass kleine Musik-Phänomene es heute sehr schwer haben: Die Konkurrenz ist einfach zu groß. Das betrifft Bands wie die Exploding Whales, aber auch Musiker wie David Krützkamp.
Der Zweitere ist der Label-Kollege der „Wale“ bei Different Trains. Auf einer gemeinsamen Release-Party am 15.12.2012 veröffentlichte er sein aktuelles Album „Zwischenräume“.
Der Stil des Albums lässt sich grob als „Singer-/Songwriter“-Musik einordnen, denn in der Regel hört man David und seine (hervorragend gezupfte) Gitarre stark im Vordergrund. Nur manchmal lässt er sich dazu hinreißen, sich mit einem Delay-Effekt in ausartenden Effekt-Wellen zu verhüllen. Doch diese Unterbrechungen sind nur kurz und in diesem Maße auch schön zu hören. Außerdem werden gelegentlich noch einige Instrumente gemischt, die aber lediglich der harmonischen Farbgebung dienen: Eine Harmonika, weiblicher Gesang, ein Glockenspiel oder eine unverzerrte, behutsame E-Gitarre umschmeicheln das Zentrum der Musik.
In diesem Zentrum stehen selbstverständlich die Texte. Und diese sind wirklich gut gelungen. David erzählt mit einfachen Worten und einer inspirierenden Alltags-Poesie (die sich vor einem Wolfgang Müller nicht verstecken muss) von bestehenden und verflossenen Lieben, vom Mut machen und von Scheißtagen. Doch dabei lässt er sich nie zum Pathos hinreißen, sondern bleibt angenehm bescheiden.

Ich hab gelesen, was es zu lesen gibt:
Die alte Zeitung und den Kaffeesatz.
Das ist alles viel zu groß für mich,
Gib mir irgendwas, das in drei simple Worte passt.

- Kirmes




Außerdem hat er einen Vers komponiert, den man unangefochten in das golden Kästchen mit der Aufschrift „selbst-erfüllende Prophezeiung“ legen kann, denn dem aufgeschlossenen Rezipienten wird ebenfalls eine Gänsehaut über den Arm laufen:

Es ist so schön für diesen einen Moment,
Und egal was uns morgen wieder trennt:
Die Erinnerung schleicht sich von hinten heran.
Ich glaub ich seh Gänsehaut auf deinem Arm.

- Designerstilettos

Dabei schafft er es, immer so zu klingen, als wären ihm diese Geschichten wirklich passiert. Ob das nun so ist oder nicht, bleibt der Fantasie des Hörers überlassen. Und den Freunden von Herrn Krützkamp. Die werden nämlich – um den Faden von „ganz am Anfang“ wieder aufzunehmen – der vornehmliche Rezipientenkreis dieser Musik sein. Es mag schade erscheinen, dass diese Musik nicht mehr Leute erreicht, aber vielleicht wir das in Zukunft häufiger so sein: Einzelne Freundeskreise bilden komplett eigenständige Kultur-Instanzen, egal ob nun im Bezug auf Musik, Malerei oder Literatur. Die Innovationskraft dieser schönen, neuen Welt muss riesig sein. (Sören Reimer)

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