Freitag, 8. März 2013

Steven Wilson – The Raven That Refused To Sing (And Other Stories)

(Kscope, 2013)


Prog-Rock war lange Zeit ein totgeglaubtes Genre, doch spätestens mit dem neuen Steven Wilson-Album zeigt sich, dass diese komplexe Musik, die ihren Zenit in den späten Siebzigern erreichte, sich weiter entwickelt hat und nichts von ihrer Neugier, Experimentier- und Spielfreude eingebüßt hat.
Bereits im Vorfeld sorgte die Besetzung der Band, die Wilson nun auch live begleitet, sowie die Tatsache, dass Alan Parsons als Recording Engineer fungieren würde, für Furore in der Szene, denn Namen wie Guthrie Govan oder Marco Minnemann ließen Großes erahnen.
Und so ist es auch geworden, das dritte Album, das den Namen Steven Wilson trägt, auch wenn er vorher schon an so vielen anderen beteiligt war (man bedenke seine Bands Porcupine Tree, No-Man, Blackfield, Bass Communion, StormCorrosion sowie viele Weitere und zusätzlich noch all jene Veröffentlichungen bei denen Wilson als Produzent oder Mixing/Mastering Engineer tätig war): Groß. Sechs Songs verteilen sich auf eine Stunde Musik, die sich als völlige Achterbahnfahrt (im positiven Sinne) entpuppt.
Von dem überraschend lauten Anfang des Openers Luminol, der zwischen dem immer wieder auftauchenden (und vor allem in seiner Durchführung entfernt an Dream Theater oder Liquid Tension Experiment erinnernden) Thema mit völlig progressiven und eher ruhigeren Parts überzeugt, bis hin zum abschließenden Titelstück The Raven That Refused To Sing, das mit Fug und Recht als eines der stärksten, gruseligsten und schönsten Stücke aus Wilsons Schaffen betrachtet werden kann (spätestens wenn am Ende das Mantra-artige „Sing to me raven,/ I miss her so much.“ beginnt und die Musik dem Zuhörer noch eine zusätzliche Gänsehaut in die Ohren legt).



Schon der Titel des Albums (der als Verbeugung in Richtung Edgar Allan Poe und seiner Schauergeschichten zu verstehen ist) deutet an, dass die Texte allesamt versuchen, gruselige und düstere Geschichten über das Übernatürliche zu sein. Leider bekommt dieser Luxusliner von einem Album ausgerechnet in diesem Punkt ein wenig Schlagseite, fallen die Texte doch zumeist recht kurz aus. Allerdings entsteht ja auch immer ein guter Teil der Spannung durch das, was nicht gesagt wird, und die Musik ist hier durchaus als potentes Erzählsubstitut zu betrachten.
Soundtechnisch schafft Wilson es hier die klanglichen Ideale des 70er Prog-Rock mit seinem typischen, leicht Synthie-/Drone-lastigen Sound zu verquicken. Und obwohl die Instrumente ganz ausgezeichnet klingen (die Querflöten- und Klavier-Sounds suchen ihres Gleichen), lässt sich am Ende doch die erhoffte Handschrift des Altmeisters Parsons nicht mehr heraushören.
Wie schon erwähnt legt das Album die musikalische Latte für modernen Prog-Rock noch ein ganzes Stück höher als man es hätte erwarten können. Dazu trägt natürlich auch die großartige Besetzung der Band bei, die nie mehr macht, als sie muss, und somit die Gefahr, die Stücke zu „Musiker-Musik“ zu machen, umschifft.
Mit Spannung darf man abwarten, was für Einflüsse dieses Album auf die Prog und Rock-Szene haben wird, denn mindestens dort führt um dieses Album kein Weg herum und man wird es ohne Zweifel in den „Album des Jahres“-Listen 2013 wiederfinden. (Sören Reimer)

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