Mittwoch, 21. November 2012

British Theatre – Dyed in the Wool Ghost

(2012)



Als Oceansize im Jahr 2003 ihr Debüt-Album „Effloresce“ veröffentlichten, schlug dieses ein wie eine Granate in die Welt der progressiven Rock-Musik. Irgendwie war die Band dann von dem Fluch des Hit-Albums getroffen worden und löste sich – nach drei weiteren Alben, die nie ganz mit dem Debüt auf Augenhöhe standen – aus unbekannten Gründen im Februar 2011 auf.
In diese riesigen Fußstapfen traten dann zwei Mitglieder der Band: Richard A. „Gambler“ Ingram und Mike Vennart gründeten ein Nachfolge-Projekt, das sich British Theatre nennt.
Über das Portal Bandcamp veröffentlichten sie ein Jahr nach dem Ende von Oceansize eine EP mit drei Tracks und dem bezeichnenden Namen „EP“. Diese Titel trugen in gewisser Art und Weise dem geschrumpften Band-Körper Rechnung: Die Gitarren waren ausgedünnt worden und dafür hielten auf der anderen Seite Synthies und Elektronik Einzug in die Musik des Duos.
Im August diesen Jahres erschien dann eine zweite EP mit dem Titel „Dyed In The Wool Ghost “, die immerhin schon fünf Titel enthielt (außerdem ist diese EP auch als Vinyl erhältlich und trudelt nach diversen Verzögerungen hoffentlich bald im heimischen Briefkasten ein).
(Ein kurzer Einschub zum Thema Marketing an dieser Stelle: British Theatre veröffentlichten als Promotion für die EP zwei kurze Videos über die Plattform Vimeo. Für sich genommen schon ganz schön, muss man die beiden Videos mindestens einmal gleichzeitig laufen lassen. Der Effekt lässt einem gehörig den Unterkiefer auf die Tischplatte krachen: Video 1 & Video 2. Das Musikstück, was dann erklingt, ist auf der fertigen EP ein Teil von „As the Leaves are to the Limbs“. Und eine weiterer toller Gag für die Fans: Richard Ingram veröffentlichte eine Sammlung von ruhigen Klavierstücken um die Wartezeit zu überbrücken)
Die zweite EP der Band zeigt im Vergleich zur ersten Veröffentlichung noch mal einen deutlichen Entwicklungsprozess auf: Die Songs legen noch mehr Augenmerk auf synthetische Flächen, lange ruhige Klavier- oder Gitarren-Passagen und elektronische Effekte, die den Sound mit einer krabbeligen Lebendigkeit versehen.
Wie schon bei Oceansize zieht die wunderbar artikulierte und klare Stimme von Mike Vennart (gerne auch in gekonnter Mehrstimmigkeit mit sich selbst vereint) den Hörer sofort in ihren Bann; dennoch steht sie nicht, wie bei einer klassischen Rock-Produktion im Vordergrund, sondern eher auf Augenhöhe mit dem Rest der Band. Das macht aus diesem Release noch keine Ambient-Platte. Nein, es ist eher so, als wären Vennart und Ingram endlich losgelassen worden, um ihre progressiven Züge ausleben zu dürfen.
Da wären zum einen Anleihen bei klassischen Rock-Songs, wie zum Beispiel im Opener „Defeat Skeletons“, der so auch auf der ersten EP hätte veröffentlicht werden können. Der darauf folgende „The Gift's Demands“ hingegen besticht durch seine düstere und ohrenscheinlich ausschließlich elektronische Instrumentierung.
Insgesamt fällt allerdings auf, dass British Theatre sich im Rahmen dieses Projekts erstaunlich kurz halten: Im Schnitt gerade einmal vier Minuten bringen die Songs auf die Waage. Wo man sich bei Oceansize noch gerne in ausartenden Formen gewälzt hat, regiert hier progressive Akkordarbeit.
Und auch wenn es nun gerade im Übermaß geschehen ist, sollte man doch British Theatre nicht mehr ständig mit der Vorgängerband vergleichen, hat es doch einige überaus starke und sehr hörenswerte Tendenzen entwickelt, die es eigenständig und nicht mehr im Schatten des großen Vorgängers stehen lassen. Es wird also Zeit Mund und Augen zu schließen und nur noch zu hören. (Sören Reimer)

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