Donnerstag, 6. Dezember 2012

Godspeed You! Black Emperor – 'Alleluhja! Don't Bend! Ascend!

(Constellation, 2012)


Wer die Großen nicht respektiert, kriegt Ärger. Entweder mit den Großen selbst, oder mit ihren Handlangern. Diese universelle Tatsache gilt nicht nur für Kinder oder das Berufsleben sondern auch für die Musik: Wer sich als musikbegeisterter Mensch durch die Weltgeschichte hört wird immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass es einige Künstler/Menschen/Musiker gab, die eine Szene/Nische (seltener auch: Die gesamte Musikgeschichte) besonders stark geprägt haben. Zwar hat es in diesem Falle keine Konsequenzen für das körperliche Wohlergehen des Musikliebhabers, dennoch bleiben viele Verweise und Kontexte unklar.
Wenn man sich für Post-Rock interessiert kommt man aus genau dem eben bezeichneten Grund ebenfalls um einige Bands einfach nicht herum. Dazu gehören – in der älteren Generation – sicherlich Tortoise und Slint sowie – aus der neueren Generation – Mogwai und God is an Astronaut. Spätestens seit ihrem im Jahre 2000 erschienenen „Lift Yr. Skinny Fists Like Antennas To Heaven“ schweben allerdings Godspeed You! Black Emperor mit der Erhabenheit eines alten Gottes würdevoll über der gesamten Szene.
Witzigerweise halten Godspeed selbst nicht all zu viel von der Kategorisierung „Post-Rock“ und machen stattdessen einfach weiter alternative Rockmusik mit vielen Crescendi, Streichern und tonnenweise Stimmung. Niemand kann jedoch leugnen, dass die Musik, die die drei Kanadier aus Montreal machen, mit dem, was man heute unter Post-Rock versteht, verdammt viel gemeinsam hat. Es ist viel eher ein Post-Rock-Plus, das mit einer Filigranität und Komplexität gemacht ist wie nur wenige der Genre-Kollegen es – auf dem konstant selben Niveau – bewerkstelligen (auch wenn man fairerweise zugeben muss, dass GY!BE sich zehn Jahre Zeit für die Veröffentlichung des aktuellen Albums ließen).
Um nun aber endlich zum Punkt zu kommen: Godspeed You! Black Emperor haben ein neues Album veröffentlicht. Es hört auf den klangvollen Namen „'Alleluhja! Don't Bend! Ascend!“ und wird wie immer über das Label Constellation-Records released. Und für den geneigten – und eventuell erst spät auf das Genre gestoßenen – Hörer ist das doch eine gute Gelegenheit, mal in das Werk dieser „Großen“ reinzuhören.
Vier Stücke Musik finden sich auf der Scheibe wieder. 53 Minuten Spielzeit bringen diese Schöpfungen auf die Waage und dabei geht diese Spieldauer zum größten Teil gerade mal auf das Konto von zwei Songs: „Mladic“ und „We Drift Like Worried Fire“ knacken gemeinsam schon die 40-Minuten-Marke.
Doch genug der schnöden Zahlen, dahinter steckt mehr: Der Opener des Albums ist das eben erwähnte „Mladic“. Dieses beginnt mit gelayerten Sprachsamples und einer Kette von Geräuschen, die nach Vögeln klingen (ein wenig wie bei dem Song „The Shrine/An Argument“ von den Fleet Foxes). Danach startet sukzessive ein Post-Rock-Opus, das sich aus klassischen Rock-Riffs sowie ethnischen Percussion-Instrumenten speist. Genau wie das nachfolgende Drone-Stück „Their Helicopters' Sing“, ist auch Mladic zunächst ein wenig unfreundlich zu den Ohren des unerfahrenen und blauäugigen Hörers; doch nach und nach können die beiden Stücke mit ihren stark ausgearbeiteten Klang-Texturen überzeugen.
Die zweite Hälfte des Albums bestreiten „We Drift Like Worried Fire“ und „Strung Like Lights at Thee Printemps Erable“ und stellen sich dabei ungleich Hörer-freundlicher dar. Gerade bei dem ersten der beiden Stücke schaffen GY!BE es, dass die zwanzig Minuten wie im Fluge vergehen und nicht mal die Idee an Langweile aufkommt, so schnell vergeht die Zeit, wenn man den Ausarbeitungen des Trios lauscht. Das abschließende „Strung Like Lights...“ lässt den Hörer dann – nach einem aufrüttelnden Brausen – in Frieden wieder seiner Wege ziehen.
Und den hat man sich dann auch verdient. Nicht etwa weil die Platte den Hörer so durchbeutelt, dass er danach entkräftet in den Seilen hängt, sondern vielmehr weil er sich nun mit den „Großen“ beschäftigt hat. 'Alleluhja! Don't Bend! Ascend! kann somit sowohl Ausgangspunkt, Schlüsselpunkt oder vielleicht sogar Endpunkt einer spannenden Entdeckungsreise sein. (Sören Reimer)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen