(Constellation, 2012)
Wer die Großen nicht respektiert,
kriegt Ärger. Entweder mit den Großen selbst, oder mit ihren
Handlangern. Diese universelle Tatsache gilt nicht nur für Kinder
oder das Berufsleben sondern auch für die Musik: Wer sich als
musikbegeisterter Mensch durch die Weltgeschichte hört wird immer
wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass es einige
Künstler/Menschen/Musiker gab, die eine Szene/Nische (seltener auch: Die gesamte Musikgeschichte) besonders stark
geprägt haben. Zwar hat es in diesem Falle keine Konsequenzen für
das körperliche Wohlergehen des Musikliebhabers, dennoch bleiben
viele Verweise und Kontexte unklar.
Wenn man sich für Post-Rock
interessiert kommt man aus genau dem eben bezeichneten Grund
ebenfalls um einige Bands einfach nicht herum. Dazu gehören – in
der älteren Generation – sicherlich Tortoise
und Slint sowie – aus der neueren Generation –
Mogwai und God is an Astronaut. Spätestens seit ihrem
im Jahre 2000 erschienenen „Lift Yr. Skinny Fists Like Antennas To
Heaven“ schweben allerdings Godspeed You! Black Emperor
mit der Erhabenheit eines alten Gottes würdevoll über der gesamten Szene.
Witzigerweise
halten Godspeed selbst
nicht all zu viel von der Kategorisierung „Post-Rock“ und machen
stattdessen einfach weiter alternative Rockmusik mit vielen
Crescendi, Streichern und tonnenweise Stimmung. Niemand kann jedoch
leugnen, dass die Musik, die die drei Kanadier aus Montreal machen,
mit dem, was man heute unter Post-Rock versteht, verdammt viel
gemeinsam hat. Es ist viel eher ein Post-Rock-Plus, das mit einer
Filigranität und Komplexität gemacht ist wie nur wenige der
Genre-Kollegen es – auf dem konstant selben Niveau –
bewerkstelligen (auch wenn man fairerweise zugeben muss, dass GY!BE
sich zehn Jahre Zeit für die Veröffentlichung des aktuellen Albums
ließen).
Um nun
aber endlich zum Punkt zu kommen: Godspeed You! Black
Emperor haben ein neues Album
veröffentlicht. Es hört auf den klangvollen Namen „'Alleluhja!
Don't Bend! Ascend!“ und wird wie immer über das Label
Constellation-Records
released. Und für den geneigten – und eventuell erst spät auf das
Genre gestoßenen – Hörer ist das doch eine gute Gelegenheit, mal
in das Werk dieser „Großen“ reinzuhören.
Vier
Stücke Musik finden sich auf der Scheibe wieder. 53 Minuten
Spielzeit bringen diese Schöpfungen auf die Waage und dabei geht
diese Spieldauer zum größten Teil gerade mal auf das Konto von zwei
Songs: „Mladic“ und „We Drift Like Worried Fire“ knacken
gemeinsam schon die 40-Minuten-Marke.
Doch
genug der schnöden Zahlen, dahinter steckt mehr: Der Opener des
Albums ist das eben erwähnte „Mladic“. Dieses beginnt mit
gelayerten Sprachsamples und einer Kette von Geräuschen, die nach
Vögeln klingen (ein wenig wie bei dem Song „The Shrine/An
Argument“ von den Fleet Foxes). Danach startet sukzessive ein
Post-Rock-Opus, das sich aus klassischen Rock-Riffs sowie ethnischen
Percussion-Instrumenten speist. Genau wie das nachfolgende
Drone-Stück „Their Helicopters' Sing“, ist auch Mladic zunächst
ein wenig unfreundlich zu den Ohren des unerfahrenen und blauäugigen
Hörers; doch nach und nach können die beiden Stücke mit ihren
stark ausgearbeiteten Klang-Texturen überzeugen.
Die
zweite Hälfte des Albums bestreiten „We Drift Like Worried Fire“
und „Strung Like Lights at Thee Printemps Erable“ und stellen
sich dabei ungleich Hörer-freundlicher dar. Gerade bei dem ersten
der beiden Stücke schaffen GY!BE es, dass die zwanzig Minuten wie im
Fluge vergehen und nicht mal die Idee an Langweile aufkommt, so
schnell vergeht die Zeit, wenn man den Ausarbeitungen des Trios
lauscht. Das abschließende „Strung Like Lights...“ lässt den
Hörer dann – nach einem aufrüttelnden Brausen – in Frieden
wieder seiner Wege ziehen.
Und
den hat man sich dann auch verdient. Nicht etwa weil die Platte den
Hörer so durchbeutelt, dass er danach entkräftet in den Seilen
hängt, sondern vielmehr weil er sich nun mit den „Großen“
beschäftigt hat. 'Alleluhja! Don't Bend! Ascend! kann somit sowohl Ausgangspunkt, Schlüsselpunkt oder vielleicht
sogar Endpunkt einer spannenden Entdeckungsreise sein. (Sören Reimer)
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