Montag, 3. Dezember 2012

Selah Sue - Selah Sue

(Because, 2011)



Lauscht man der Musik und insbesondere der Stimme von Sanne Putseys, mit Künstlername Selah Sue, zum ersten Mal, so ergibt sich eventuell der Eindruck von einer starken, lebenserfahrenen Frau, eventuell mit südländischem Blut und einer mächtigen oder zumindest sehr selbstbewussten Erscheinung. Da ist es eine Überraschung, das Cover ihres Debütalbums Selah Sue zu sehen, indem diese Illusion mit einem Mal zerplatzt: Da steht eine zierliche, blonde Frau, kaum älter als 20, um genau zu sein 22, und alles, was an ihr mächtig wirkt, ist eigentlich ihre Frisur – und vielleicht noch der Schmuck, den sie trägt. Alles andere an ihr und dem Booklet ist eher schlicht und in schwarz-weiß gehalten und strahlt eine gewisse Bescheidenheit aus.

Ihre Herkunft und musikalische Entwicklung sind ungewöhnlich. Denn Sanne Putseys stammt aus einem völlig unmusikalischen, belgischen Elternhaus und selbst in ihrem Bekanntenkreis beschäftigte sich niemand derart intensiv mit Musik. Entdeckt wurde sie mit 17 Jahren bei einem Wettbewerb in Belgien von Milow, der sie von da an musikalisch unter seine Fittiche und gleich mit auf Tour nahm, auf der sie im Vorprogramm spielen durfte. Mit ihren beiden EP's Black Part Love von 2008 und Raggamuffin von 2010 hat sie bereits den belgischen und auch französch-sprachigen Raum erobert, was sich unter anderem in einer Auszeichnung als beste Solokünstlerin 2011 der belgischen Music Industry Awards äußerte. Erfahrene Musiker schätzen sie bereits als kompetente Künstlerin und Mit-Musikerin. So trat sie bei Prince 2010 im Vorprogramm auf, hat mit Cee-Lo Green die Single Please aufgenommen, die auf seinem Album The Lady Killer und auf ihrem eigenen Debütalbum erschien. Zudem begleitete sie Patrice im Herbst 2010 auf seiner Tour, die teils im deutschsprachigen Raum ihre Stationen hatte.

Letzterer und DJ Farhot waren es auch, die sich dann schließlich 2011 der Produktion von Selah Sue's erstem Album widmeten, welches sogleich den Platz 1 der belgischen Charts erklomm. Das alles klingt vielversprechend. Und wer daraufhin eine Mischung aus Reggae, HipHop, Funk, Soul und Pop erwartet – bekommt auch genau das. Jeder der 13 Titel des Albums stellt einen neuen Mix verschiedenster Stilmittel stellvertretend für eben genannte Genres dar. So sind aufwändige Bläser-Fills, die teilweise ein wenig an James Bond erinnern, durchschlagende Beats, die traditionelle Raggae-Orgel, ein gekonnter Einsatz von elektronischen Sounds, aber auch Background-Chöre und einfache Akustik-Instrumente Teil des musikalischen Repertoires. Dabei behält sich jeder Song dennoch seinen eigenen musikalischen Schwerpunkt vor und bei Gegenüberstellung einiger Titel des Albums, ist man etwas überrascht, wie wandelbar Selah Sue sich präsentiert und in ihrer Musik selbst verwirklicht. Mit Vorbildern wie Erykah Badu, M.I.A. und Lauryn Hill erscheint dies jedoch um einiges klarer.

Was die musikalische Vielfalt Selah Sue's zusammenhält und den roten Faden darstellt, ist ganz eindeutig ihre Stimme. Ganz gleich, ob bei einer Ballade wie Summertime oder einer kraftvollen Sprechgesang-Einlage wie in Peace Of Mind, immer überzeugt ihre Stimme im Sound. Das schienen Patrice und DJ Farhot gewusst zu haben, denn im Stereo-Panorama des Albums ist Selah Sue's Stimme immer sehr vordergründig und frontal angeordnet. Im Vergleich dazu gerät sie im anders produzierten Duett mit Cee-Lo Green an einigen Stellen fast in den Hintergrund, da die Instrumente vordergründiger gehalten sind und damit teilweise die charakteristischen Facetten ihrer Stimme verdecken.
 
Was den Gesang Selah Sue's vor allem auszeichnet, ist die eng-kehlige Sing-Technik, die ihrer Stimme den rauhen, kratzigen Klang verleiht und eine derartige Energie in sich trägt, dass auch eine kompositorisch eher reduziert gehaltene Ballade wie I Truly Loved Ya nicht langweilig klingt, sondern die Einmaligkeit ihrer Stimme noch in den Fokus rückt. Die Klangfarbe von Selah Sue's Stimme wird oftmals mit der von Duffy oder Amy Winehouse verglichen, doch eine Facette ihres hohen Wiedererkennungswertes ist zusätzlich die – wahrscheinlich vom Raggae inspirierte – Artikulation, die den Songs eine zusätzliche Rhythmik verleiht, bzw. den vorherrschenden Beat unterstützt.

Ein weiterer Aspekt Selah Sue's, der alle ihre Songs zu einem sinnvollen Geflecht miteinander verbindet, sind die Lyrics. Teilweise scheinen ihre Songs noch aus der Teenager-Feder zu stammen, da von Pubertät und unverständlichen, wallenden Emotionen die Rede ist. An anderen Stellen wiederum scheint Selah Sue die Welt, wie jemand der schon viel gesehen hat, durchschaut zu haben. Sie dreht sich jedoch nie um sich und ihre Erkenntnisse, sondern ermutigt in vielen Songs dazu, das Leben nicht so schwer zu nehmen, selbst, wenn es durch eine schwere Vergangenheit geprägt ist. Es sollte immer einen hoffnungsvollen Blick nach vorne geben, und den Willen aufzustehen.

Ein Album mit positiver, trotz allem nicht naiver Message, das in Zeiten von gerne und häufig geübter Gesellschaftskritik zur Abwechslung gut tut.
Es sollte auf jeden Fall noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen ...  (Damaris Penner)

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