(Fressmann, 2012)
Crowdfunding ist eine nicht mehr ganz
neue, aber nichtsdestotrotz tolle Erfindung.
Toll ist daran nicht nur, dass man ein Album zwei Wochen vor der Veröffentlichung erhalten kann sondern auch, dass ein
Künstler wie Wolfgang Müller, der in Hamburg lebt und
hauptberuflich irgendwas mit Informatik macht, es schafft sein Album
in kompletter Eigenregie zu entwickeln und über ein eigenes und ganz
frisch gegründetes Label zu vertreiben.
Ebenso toll ist, dass der Künstler sich
in Gestaltungsfragen nicht irgendjemandem gegenüber verantworten
muss (sei es nun Sound, Texte, Cover oder irgendetwas anderes).
Nicht, dass das bisher im Falle von Wolfgang Müller ein Problem
gewesen wäre, aber trotzdem ist das insgesamt doch eine
wünschenswerte Tendenz (Ich möchte hier nicht die Authentizitäts-Debatte anstoßen, die Stoßrichtung lautet eher "Gesamtkunstwerk").
Und wo wir schon bei den Texten sind:
Wie immer sind diese Werke Herrn Müller ganz hervorragend gelungen.
Egal ob er dabei leicht humorig über die alternde Liebe erzählt
(wie in „Immer noch Fahrrad“, das schon auf dem vorangegangenen
Akustik-Album „Ahoi“ zu hören war), melancholisch über
Selbstverwirklichung sinniert („Auf die Füße“) oder sanft
Lebensmut in die Ohren des Hörers raunt (wie in dem Titelstück
„Über die Unruhe“), all das meistert er ohne zu schwanken stets
auf dem schmalen Grat, der zwar gefühlvoll aber nie kitschig ist.
Allerdings kann man nie allgemein sagen, welchen Tonus ein Lied hat; denn in der Regel sind "himmhochjauchzend" und "tottraurigbetrübt" nur einen Absatz weit voneinander entfernt. Aber gerade diese gekonnte Kontrastierung macht einen großen Teil des Reizes der Texte aus.
Allerdings kann man nie allgemein sagen, welchen Tonus ein Lied hat; denn in der Regel sind "himmhochjauchzend" und "tottraurigbetrübt" nur einen Absatz weit voneinander entfernt. Aber gerade diese gekonnte Kontrastierung macht einen großen Teil des Reizes der Texte aus.
"Betrachte diesen Handranatenring an meinem Finger,
Als ein Zeichen meiner Angst.
Fein eingraviert. So bist du bloß,
Weil du anders nicht sein kannst.
Jede neue Beule sagt sich,
War ja klar: Druck funktioniert nicht.
Über die Unruhe Nachts kommt man weg,
Mit verkühlten Zähnen und geöffnetem Verdeck.
Du gehörst nicht zu den Leuten,
Die Hinterher "Hab ich doch vorher gewusst" sagen,
Und das ist auch gut so,
Denn sonst kämst du aus dem Plaudern gar nicht raus."
War ja klar: Druck funktioniert nicht.
Über die Unruhe Nachts kommt man weg,
Mit verkühlten Zähnen und geöffnetem Verdeck.
Du gehörst nicht zu den Leuten,
Die Hinterher "Hab ich doch vorher gewusst" sagen,
Und das ist auch gut so,
Denn sonst kämst du aus dem Plaudern gar nicht raus."
- Über die Unruhe
Dass das
Namensgebende „Über die Unruhe“ insgesamt dann aber doch ein so aufmunterndes Lied ist,
passt insofern gut, dass das Album insgesamt häufiger positive Töne anschlägt. Die ermutigenden Lieder überwiegen und sind dem Hörer
eine unsichtbare, stützende Hand auf der Schulter (oder ein kleines
Lächeln im Mundwinkel).
„Aber alle Leute
die
Gute Ratschläge
gekauft haben,
Haben sich auch für
Zweifel interessiert.
Raus aus dünner
Haut.
Alles raus hier.
Wenn die Schiffe havarieren,
Alles raus hier.
Wenn die Schiffe havarieren,
Ist das nichts was
etwas bedeutet,
Nichts als die Welt
die sich neu häutet,
Was von Zeit zu
Zeit passiert.
Raus aus dünner
Haut.“
- Havarieren
Insgesamt wirkt das
Album – für Jemanden der Wolfgang Müller erst mit dem Ahoi-Album
kennen gelernt und nur als Solo-Künstler erlebt hat – sehr füllig.
Doch zum Glück drängen sich die Mitmusiker nie in den Vordergrund,
obwohl sie das sicher könnten. Doch ganz vorne steht immer diese
leicht raue, manchmal zerbrechliche Stimme und das großartige
Gitarrenspiel von Wolfgang selbst.
Und abschließend
noch eine Sache, die wirklich großartig an Crowdfunding ist: Wann
kriegt man sonst schon mal die Gelegenheit, dass der eigene Name im
Booklet einer CD im selben Atemzug wie Gisbert zu Knyphausen
abgedruckt wird? (Sören Reimer)
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