„Die
Spring-über-deinen-Schatten-Band“
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Bild: Viktoria Thomas |
Im Dezember veröffentlichte die Band Exploding Whales ihr selbstbetiteltes Debüt-Album über das eigens gegründete Klein-Label Different Trains. Etwas mehr als zwei Monate später durfte ich Sänger und Gitarrist Matthias besuchen und mit ihm ein wenig über die Entwicklung der Band in den letzten Monaten reden. Klarinettistin Kerstin macht es sich in der Zeit mit einem Tee gemütlich und auch Schlagzeuger Basti hat für ein paar sarkastische Kommentare den kurzen Fußweg durch Paderborn in Kauf genommen. Basser Christoph („das rektale Fiberthermometer der Band“) ist leider in Berlin beschäftigt und Matthias Bruder Daniel (Tenor-Sax und Gitarre) verbleibt in seinem Studienort Münster.
Das Zimmer, in dem wir aus auf einer
großen Couch niederlassen, zeigt mit seiner bunten Mischung aus
Gitarren, Verstärkern, einem Mischpult und sogar einem alten
Harmonium, dass hier ein Musiker wohnt.
Popperblog:
Ich dachte mir, ich
mache erst mal einen kleinen thematischen Rundumschlag und wir
schauen dann mal, wo wir landen. Fangen wir doch mal mit der Frage
an, wie zufrieden ihr mit dem Release eures Albums seid und wie die
Entwicklung des Labels bis jetzt verlief.
Matthias:
Naja, dieses Release war ja eher nur ein Testlauf für das Label.
Eigentlich hätte man das ja so nicht gemacht. Wir hatten halt das
Album fertig und wollten das unbedingt raus hauen. Wir haben da viel
zu wenig Promo gemacht. Aber das ist ja auch durchaus etwas, was wir
beim nächsten Mal dann mehr verfolgen können.
Aber ansonsten bin ich mit dem Album
schon sehr glücklich. Also das ist schon so ein persönlicher
Meilenstein. Nur jetzt die Zeit danach... Leider leben wir im Moment sehr verstreut und das ist für eine Band, die Auftritte spielen möchte wie betrunken
Twister spielen.
Basti:
Nur ohne den anschließenden Geschlechtsverkehr...
M:
(lacht)
Ist ja auch schwer. So um drei Uhr morgens, wenn man total voll ist.
P:
Und steht ihr jetzt zu den Songs? Und arbeitet ihr schon an neuem
Material?
M:
Also irgendwie sind ja die Songs in dem Moment wo man sie aufnimmt
schon alt. Und ja, bald gibt es auch neuen Scheiß. Da gibts dann
auch mehr Instrumente und das wird alles ein bisschen breiter. Ich
habe da letztens mal mit so einer Wurlitzer-Orgel rumprobiert oder
auch mit dem Harmonium hier – das kriegt man so mit der Gitarre
nicht hin.
P:
Ihr mischt auf eurem Album ja schon extrem viele Stilrichtungen, aber
wollt ihr da vielleicht eine Richtung genauer verfolgen oder etwas
Neues einbringen?
B:
Noch
mehr? (lacht)
M: Mir hat auf dem letzten Album dieser un-folkige Touch von dem Song Campfire sehr gut gefallen, vielleicht geht das mehr in die Richtung. Also diese Mischung aus etwas sehr urwüchsig Brachialem, wie dem 2-Akkorde riff, brätzender Bass, stampfiges Schlagzeug und sphärischer Gesang ... und dann doch der klare Klang der Bläser.
B:
Und du wolltest auch noch ein bisschen mehr was zum live abgehen
machen, meintest du..?!
M: Ja stimmt. Ich möchte in Zukunft gerne mehr rumbrüllen, da hab ich
richtig Bock zu. (überlegt kurz) Wie
ein sanfter Schlag ins Gesicht. Und natürlich auch wieder schöne
rührige Balladen. (grinst)
P:
Das wirkt jetzt schon so, als würdest du alles Songs alleine
schreiben, Matthias. Ist das auch so?
M:
Ja, das ist schon so..
Kerstin:
Du machst das ja auch sehr gut.
M:
..
obwohl ich die anderen ja auch immer mal versuche zu ihrem Glück zu
zwingen. (grinst)
B:
Ich füge mich da ja auch gerne einer gerechten Diktatur.
M:
Aber es ist trotzdem schon so, dass alle sich einbringen und es ist
auch jede Meinung gerne gehört. Out
of Water
zum Beispiel ist in seiner jetzigen Form erst beim gemeinsamen Proben
entstanden. Da kommt so ein kleines Chaos-Element ins Spiel.
B:
Und einen Song auf dem Schlagzeug zu komponieren ist halt auch
schwer.
P:
Vielleicht
ein Song, wo jeder eine Trommel spielt?
M:
Oh
ja. Wir sollte auf jeden Fall mehr so Performance-Zeug machen in
Zukunft. Ich bin ja auch generell nicht so ein Fan von so
althergebrachten Mustern. Also ich meine: Diese klassische Besetzung
Zwei Gitarren, Schlagzeug und Bass. Das hat man doch auch schon oft
genug gehört. Genau wie diese klassischen Songs mit so einem
Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Muster hat man doch schon viel zu oft
gehabt. Da geht doch noch mehr.
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Bild: Viktoria Thomas |
P: Das ist jetzt vielleicht auch mehr eine Frage für die anderen Beiden, da du, Matthias, in deiner Musik ja sehr zu Hause bist: Wie sehr habt ihr das Gefühl, dass ihr da etwas Besonderes macht? Das ist ja keine Musik die man einfach erklären könnte, oder die sehr geläufig ist.
M:
Das gefällt mir mit der „Anwendung von Piratentum“. Ich zeige ja
immer ganz gerne den Song Out
of Water,
wenn ich die Band vorstellen will. Weil der hat auch so schön krumme
Takte und diesen typischen Sound. Wobei wir ja keine krummen Takte
ganz stumpf benutzen, so dass das den Hörer stört. Es ist eher so,
dass es noch was zu entdecken gibt, wenn man denn will.
P: Und inwiefern versucht ihr eure eigene musikalische Sozialisierung einfließen zu lassen, um euch damit zu identifizieren? Plant ihr einen Song mit Blast-Beats, damit der Basti sich zu Hause fühlt?
P: Und inwiefern versucht ihr eure eigene musikalische Sozialisierung einfließen zu lassen, um euch damit zu identifizieren? Plant ihr einen Song mit Blast-Beats, damit der Basti sich zu Hause fühlt?
M:
(lacht)
Bei den Proben wird tatsächlich mehr geblastet, als man meinen
sollte.
B:
Aber es ist ja nicht so, dass uns diese Musik keinen Spaß machen
würde. Es gibt da beim Musikgeschmack schon große Überschneidungen.
M:
Und wenn nicht, sind wir in der Band auch sehr gut darin Ablehnungen
zu überwinden. Hier musste eigentlich jeder schon mal was machen,
was er erst nicht wollte, dann aber doch ganz gut gemacht hat. Wir
sind wirklich die „Spring-über-deinen-Schatten-Band“.
B:
Genau.
Wie damals, als du bei der Aufnahme von Scumbag
Love
sagtest: Ich höre da so einen Männerchor im Hintergrund.
M:
Und
ihr sofort: Ist uns doch egal, was du da hörst! (lacht) Aber dann
auf einmal Zack! Hatten wir einen Chor.
P:
Um mal beim Songwriting zu bleiben. Matthias, du schreibst ja auch
die Texte und da würde mich mal die Thematik interessieren, mit der
du dich beschäftigst. Würdest du damit konform gehen, wenn ich es
eine Außenseiter-Thematik nenne?
M: Hm, ich weiß nicht. Also ich kann nicht so gut narrativ schreiben. Stattdessen sind das eher immer so Collagen oder ein lautes Nachdenken über Gott, Frauen, Alkohol und
Entwurzelung. Und das alles ist dabei aber irgendwie romantisiert.
Irgendwie hat das auch immer was Nomaden-haftes. Man könnte es
vielleicht auch eine privatisierte Romantik nennen.
B:
Aber
die siffige Variante mit dem Holzbein, das zehn Zentimeter zu kurz
ist.
M:
(lacht) Ja genau. Irgendwie ist es auch immer eine
Unterschichten-Romantik. Und auch urbane Einsamkeit ist immer ein
Thema.
P:
Mir ist ja auch aufgefallen, dass die Musik den passenden Soundtrack
liefert, wenn man nachts mit der Tram durch Köln fährt und um einen
herum nur noch zerstörte Gestalten sitzen. Oder auch zum Auto fahren
eignet sie sich hervorragend.
M:
(nickt) Das nehme ich als Kompliment.
P:
Ich durfte ja auch schon ein paar Konzerte von euch erleben und dabei
konntet ihr das Publikum ja sogar mitreißen, wenn die euch vorher
gar nicht kannten. Und bei eurem Heimspiel hier im Sputnik konnten
die Leute ja sogar alle Texte von der EP mitsingen. Geht euch das
immer so?
M:
Ja
erstaunlicherweise erhalten wir immer so eine gute Resonanz.
B:
Geradezu
frenetisch...
M: So ist auch echt jedes Konzert ein kleiner Ego-Boost. Das ist schon
schön. Und dabei ist uns ja schon so viel Mist passiert. Aber
irgendwie fanden die Leute es trotzdem immer gut. Ich glaube
tatsächlich, dass das Schlechteste, was ich mal gehört habe von dem
Chef von Uncle M, diesem Punklabel aus Münster kam. Und der sagte: Es ist halt
kein Punkrock, aber es ist auch nicht völlig Scheiße. Das ist ja
irgendwie auch noch ein Kompliment.
B:
Ein Freund von mir aus Berlin sagte, die Musik wäre gut zum Baden,
nur du würdest so viel jammern. (alle lachen)
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Bild: Viktoria Thomas |
P:
Da es ja so gut läuft für euch, wäre es für euch auch eine Option
irgendwann mal das Label zu wechseln, oder bleibt ihr bei Different
Trains?
M:
Also ich denke schon, dass unsere Band finanzielles Potential hätte,
wenn wir Jemanden hätten, der sich darum kümmern würde. Und ich
würde meine Arbeit da auch gerne abtreten und dann lieber 20 Prozent
von ein bisschen einstreichen, als 100 Prozent von Nix.
Aber eigentlich geht es uns ja nicht
ums Geld. Das Spielen an sich ist uns wichtiger. Vielleicht hängen
wir da so einem Old-School-Musik-Ideal nach, aber das ist ja auch
schön.
Adda [Schade, Elektro-Künstler und
Label-Mitinhaber; Anm. d. A.] meinte mal, dass es doch cool wäre,
dass wir jetzt mit Different Trains so Indie sind. Voll Punkrock und
so. Aber das ist ja keine bewusste Entscheidung. Um Indie zu sein
mussten wir ja nichts tun. Nichtsdestotrotz wird Different Trains
ganz sicher bleiben, auch wenn man manchmal bei der ganzen Arbeit
vergisst, dass man eigentlich mal Songs schreiben wollte.
P:
Was steht denn bei euch jetzt als Nächstes an? Womit dürfen wir
rechnen?
M:
Also wir wollen auf jeden Fall wieder mehr spielen. Und es sind auch
schon ein paar neue Songs fertig und wir haben kürzlich so ein
kleines Performance-Video im Orbit gedreht, das geht bald als Promo
online, wir warten da nur noch auf das Finanzamt. Die lassen uns
gerade noch zappeln, bis wir unseren Web-Shop online stellen können.
Aber egal wie viel Pech wir auch haben: Wir sind eine so lustige
Mischung aus Menschen, wir sind einfach nicht tot zu kriegen.
B:
Dabei
geben wir uns so viel Mühe.
M:
Und
wenn uns einer am Holzbein sägt!
(Sören
Reimer)