Mittwoch, 20. Februar 2013

Les Trucs – The Musical

(knertz – 2012)


Zwei Kinder, die in den Galvanisierungstank ihres Großvaters gefallen sind und dann zwanzig Jahre lang mit Spacerock-Instrumenten in einen dunklen Keller gesperrt herum experimentierten, spielen die Hauptrollen in diesem „Musical“, das uns Les Trucs da servieren.
Genauso schräg wie die Hintergrundgeschichte (die hier grob fahrlässig gekürzt wurde) klingt dabei auch die Musik des Duos aus Charlotte Simon und Zink Tonsur. Eine überraschende, flirrende und bisweilen erschreckende Mischung aus GameBoy-Sounds, Wave-Pop, NDW, Dadaismus, Volksmusik, Frickel-Elektro-Klitsch und Karlheinz Stockhausen. Man merkt schon, dass hier vergeblich nach Referenzen gesucht wird und gleichzeitig aber auch ein riesiges Feld aufgespannt wird, in dem sich Les Trucs austoben. Sicherlich gibt es Leute mit der nötigen Expertise, um hier die genauen Einflüsse benennen zu können, aber das kann und soll hier nicht geleistet werden. Denn wahrscheinlich wird es den meisten Menschen so gehen, dass sie zunächst mit der Musik etwas überfordert sind.
Dass die Reise durch die schrille Welt von Les Trucs aber trotzdem äußerst reizvoll ist, kann im Folgenden gezeigt werden. 
Das Album erfährt seine Rahmung durch den Spam-Disclaimer:

She has nothing to say!
He has nothing to say!
But she can speak and he can pretend to sing.
And that’s quite enough for a cultural spam!
 - She, he and the cultural spam

Irgendwie eine sehr nette und bescheidene Art ein Projekt zu eröffnen, das bei dem großspurigen Titel „The Musical“ erst mal ganz andere Erwartungen weckt (oder diese mit Absicht zerschlägt?). Aber bevor man richtig Zeit hat, sich dazu Gedanken zu machen, schlagen Les Trucs auch schon los: Der Galvanisator heißt der zweite Song und scheint auf seine krude Art und Weise den Kontrast von Zweckgebundenheit und Individualität darzustellen. In eine ähnliche Richtung geht auch der Titel Der Nostalgieabend der fordistischen Trachengruppe, der ziemlich offensichtlich eine Referenz an Aldous Huxley's Brave New World darstellt. Bei beiden Liedern scheint immer auch das Einheitliche, das Einfältige und das Praktische mit dem Alten gleichgesetzt zu werden. Das wird dann durch folkloristisch anmutende Chöre und vergleichbare Stilmittel verdeutlicht, auf der anderen Seite aber auch durch die Texte unterstrichen:

Reiterstandbilder in Silber und in Chrom gewappnet für jegliche Anforderung.“

 - Der Galvanisator



Es ist wahrscheinlich schon klar geworden, aber um es noch mal deutlicher zu sagen: Les Trucs halten sich bei ihrem Streifzug durch ihre silbrig glitzernde Welt an keine Regeln. Sie singen auch nicht nur in einer Sprache sondern in allen, in denen sie möchten. Und das auch durcheinander, wenn sie möchten. Machine à coudre wird eigentlich auf französisch gesungen, bricht dann aber im Refrain immer wieder ins Englische um. Der Gesang erinnert dabei stark an Bands wie Talking to Turtles oder The Act of Estimating as Worthless. Der Sound bleibt dabei aber höchst elektronisch und weckt Assoziationen irgendwo zwischen der letzten Runde Mario Land und einem LSD-Trip (oder an Nero's Day at Disneyland, falls das Jemandem was sagt).
Dieses Gefühl hat man zwar auf Tracks wie Kontemplation heute oder Analyse und Zerstreuung, aber dafür darf hier das Textverständnis kurz Pause machen.
Denn insgesamt werden einem Les Trucs schon heftige Brocken vor die Füße. Von Skipping the rope, bei dem aus dem Bruch von erwachsenem, postmodernem Verständnis zu kindlicher Leichtsinnigkeit und Freude eine Philosophie wird, bis hin zum Lied der Wohnmobile, das irgendwie zwischen Begeisterung und Ablehnung des klassischen Familienmodells schwankt, kann man sich aber nie ganz sicher sein, was Les Trucs dem geneigten Hörer sagen wollen. Eine Lawine aus Ideen, Klängen und Einflüssen bricht da über einem zusammen. Unterhaltsam ist dies zwar allemal, aber ob man alles verstehen kann (und will) ist kaum zu glauben.
Am Ende verabschieden sich Les Trucs wieder aus ihrer Spam-Pause und es verbleibt nur das Sonar in der Stille, das die bunte Unterbrechung der grauen Ordnung ortet und davor warnt. Aber verlockt nicht immer gerade die Gefahr? (Sören Reimer)

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