Dienstag, 26. Februar 2013

Interview: Exploding Whales

Die Spring-über-deinen-Schatten-Band“

Bild: Viktoria Thomas 

Im Dezember veröffentlichte die Band Exploding Whales ihr selbstbetiteltes Debüt-Album über das eigens gegründete Klein-Label Different Trains. Etwas mehr als zwei Monate später durfte ich Sänger und Gitarrist Matthias besuchen und mit ihm ein wenig über die Entwicklung der Band in den letzten Monaten reden. Klarinettistin Kerstin macht es sich in der Zeit mit einem Tee gemütlich und auch Schlagzeuger Basti hat für ein paar sarkastische Kommentare den kurzen Fußweg durch Paderborn in Kauf genommen. Basser Christoph („das rektale Fiberthermometer der Band“) ist leider in Berlin beschäftigt und Matthias Bruder Daniel (Tenor-Sax und Gitarre) verbleibt in seinem Studienort Münster.
Das Zimmer, in dem wir aus auf einer großen Couch niederlassen, zeigt mit seiner bunten Mischung aus Gitarren, Verstärkern, einem Mischpult und sogar einem alten Harmonium, dass hier ein Musiker wohnt.

Popperblog: Ich dachte mir, ich mache erst mal einen kleinen thematischen Rundumschlag und wir schauen dann mal, wo wir landen. Fangen wir doch mal mit der Frage an, wie zufrieden ihr mit dem Release eures Albums seid und wie die Entwicklung des Labels bis jetzt verlief.
Matthias: Naja, dieses Release war ja eher nur ein Testlauf für das Label. Eigentlich hätte man das ja so nicht gemacht. Wir hatten halt das Album fertig und wollten das unbedingt raus hauen. Wir haben da viel zu wenig Promo gemacht. Aber das ist ja auch durchaus etwas, was wir beim nächsten Mal dann mehr verfolgen können.
Aber ansonsten bin ich mit dem Album schon sehr glücklich. Also das ist schon so ein persönlicher Meilenstein. Nur jetzt die Zeit danach... Leider leben wir im Moment sehr verstreut und das ist für eine Band, die Auftritte spielen möchte wie betrunken Twister spielen.
Basti: Nur ohne den anschließenden Geschlechtsverkehr...
M: (lacht) Ist ja auch schwer. So um drei Uhr morgens, wenn man total voll ist.

P: Und steht ihr jetzt zu den Songs? Und arbeitet ihr schon an neuem Material?
M: Also irgendwie sind ja die Songs in dem Moment wo man sie aufnimmt schon alt. Und ja, bald gibt es auch neuen Scheiß. Da gibts dann auch mehr Instrumente und das wird alles ein bisschen breiter. Ich habe da letztens mal mit so einer Wurlitzer-Orgel rumprobiert oder auch mit dem Harmonium hier – das kriegt man so mit der Gitarre nicht hin.

P: Ihr mischt auf eurem Album ja schon extrem viele Stilrichtungen, aber wollt ihr da vielleicht eine Richtung genauer verfolgen oder etwas Neues einbringen?
B: Noch mehr? (lacht)
M: Mir hat auf dem letzten Album dieser un-folkige Touch von dem Song Campfire sehr gut gefallen, vielleicht geht das mehr in die Richtung. Also diese Mischung aus etwas sehr urwüchsig Brachialem, wie dem 2-Akkorde riff, brätzender Bass, stampfiges Schlagzeug und sphärischer Gesang ... und dann doch der klare Klang der Bläser.
B: Und du wolltest auch noch ein bisschen mehr was zum live abgehen machen, meintest du..?!
M: Ja stimmt. Ich möchte in Zukunft gerne mehr rumbrüllen, da hab ich richtig Bock zu. (überlegt kurz) Wie ein sanfter Schlag ins Gesicht. Und natürlich auch wieder schöne rührige Balladen. (grinst)

P: Das wirkt jetzt schon so, als würdest du alles Songs alleine schreiben, Matthias. Ist das auch so?
M: Ja, das ist schon so..
Kerstin: Du machst das ja auch sehr gut.
M: .. obwohl ich die anderen ja auch immer mal versuche zu ihrem Glück zu zwingen. (grinst)
B: Ich füge mich da ja auch gerne einer gerechten Diktatur.
M: Aber es ist trotzdem schon so, dass alle sich einbringen und es ist auch jede Meinung gerne gehört. Out of Water zum Beispiel ist in seiner jetzigen Form erst beim gemeinsamen Proben entstanden. Da kommt so ein kleines Chaos-Element ins Spiel.
B: Und einen Song auf dem Schlagzeug zu komponieren ist halt auch schwer.
P: Vielleicht ein Song, wo jeder eine Trommel spielt?
M: Oh ja. Wir sollte auf jeden Fall mehr so Performance-Zeug machen in Zukunft. Ich bin ja auch generell nicht so ein Fan von so althergebrachten Mustern. Also ich meine: Diese klassische Besetzung Zwei Gitarren, Schlagzeug und Bass. Das hat man doch auch schon oft genug gehört. Genau wie diese klassischen Songs mit so einem Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Muster hat man doch schon viel zu oft gehabt. Da geht doch noch mehr.

Bild: Viktoria Thomas

P: Das ist jetzt vielleicht auch mehr eine Frage für die anderen Beiden, da du, Matthias, in deiner Musik ja sehr zu Hause bist: Wie sehr habt ihr das Gefühl, dass ihr da etwas Besonderes macht? Das ist ja keine Musik die man einfach erklären könnte, oder die sehr geläufig ist.
B: Ich sag ja immer gerne: Wir machen die Anwendung von Piratentum auf Norah Jones und Tom Waits. Aber es ist halt echt schwierig. Und das ist eben alles sehr vielseitig. Während der eine Song noch so klingt, klingt der Nächste garantiert ganz anders.
M: Das gefällt mir mit der „Anwendung von Piratentum“. Ich zeige ja immer ganz gerne den Song Out of Water, wenn ich die Band vorstellen will. Weil der hat auch so schön krumme Takte und diesen typischen Sound. Wobei wir ja keine krummen Takte ganz stumpf benutzen, so dass das den Hörer stört. Es ist eher so, dass es noch was zu entdecken gibt, wenn man denn will.
P: Und inwiefern versucht ihr eure eigene musikalische Sozialisierung einfließen zu lassen, um euch damit zu identifizieren? Plant ihr einen Song mit Blast-Beats, damit der Basti sich zu Hause fühlt?
M: (lacht) Bei den Proben wird tatsächlich mehr geblastet, als man meinen sollte.
B: Aber es ist ja nicht so, dass uns diese Musik keinen Spaß machen würde. Es gibt da beim Musikgeschmack schon große Überschneidungen.
M: Und wenn nicht, sind wir in der Band auch sehr gut darin Ablehnungen zu überwinden. Hier musste eigentlich jeder schon mal was machen, was er erst nicht wollte, dann aber doch ganz gut gemacht hat. Wir sind wirklich die „Spring-über-deinen-Schatten-Band“.
B: Genau. Wie damals, als du bei der Aufnahme von Scumbag Love sagtest: Ich höre da so einen Männerchor im Hintergrund.
M: Und ihr sofort: Ist uns doch egal, was du da hörst! (lacht) Aber dann auf einmal Zack! Hatten wir einen Chor.

P: Um mal beim Songwriting zu bleiben. Matthias, du schreibst ja auch die Texte und da würde mich mal die Thematik interessieren, mit der du dich beschäftigst. Würdest du damit konform gehen, wenn ich es eine Außenseiter-Thematik nenne?
M: Hm, ich weiß nicht. Also ich kann nicht so gut narrativ schreiben. Stattdessen sind das eher immer so Collagen oder ein lautes Nachdenken über Gott, Frauen, Alkohol und Entwurzelung. Und das alles ist dabei aber irgendwie romantisiert. Irgendwie hat das auch immer was Nomaden-haftes. Man könnte es vielleicht auch eine privatisierte Romantik nennen.
B: Aber die siffige Variante mit dem Holzbein, das zehn Zentimeter zu kurz ist.
M: (lacht) Ja genau. Irgendwie ist es auch immer eine Unterschichten-Romantik. Und auch urbane Einsamkeit ist immer ein Thema.
P: Mir ist ja auch aufgefallen, dass die Musik den passenden Soundtrack liefert, wenn man nachts mit der Tram durch Köln fährt und um einen herum nur noch zerstörte Gestalten sitzen. Oder auch zum Auto fahren eignet sie sich hervorragend.
M: (nickt) Das nehme ich als Kompliment.

P: Ich durfte ja auch schon ein paar Konzerte von euch erleben und dabei konntet ihr das Publikum ja sogar mitreißen, wenn die euch vorher gar nicht kannten. Und bei eurem Heimspiel hier im Sputnik konnten die Leute ja sogar alle Texte von der EP mitsingen. Geht euch das immer so?
M: Ja erstaunlicherweise erhalten wir immer so eine gute Resonanz.
B: Geradezu frenetisch...
M: So ist auch echt jedes Konzert ein kleiner Ego-Boost. Das ist schon schön. Und dabei ist uns ja schon so viel Mist passiert. Aber irgendwie fanden die Leute es trotzdem immer gut. Ich glaube tatsächlich, dass das Schlechteste, was ich mal gehört habe von dem Chef von Uncle M, diesem Punklabel aus Münster kam. Und der sagte: Es ist halt kein Punkrock, aber es ist auch nicht völlig Scheiße. Das ist ja irgendwie auch noch ein Kompliment.
B: Ein Freund von mir aus Berlin sagte, die Musik wäre gut zum Baden, nur du würdest so viel jammern. (alle lachen)


Bild: Viktoria Thomas 

P: Da es ja so gut läuft für euch, wäre es für euch auch eine Option irgendwann mal das Label zu wechseln, oder bleibt ihr bei Different Trains?
M: Also ich denke schon, dass unsere Band finanzielles Potential hätte, wenn wir Jemanden hätten, der sich darum kümmern würde. Und ich würde meine Arbeit da auch gerne abtreten und dann lieber 20 Prozent von ein bisschen einstreichen, als 100 Prozent von Nix.
Aber eigentlich geht es uns ja nicht ums Geld. Das Spielen an sich ist uns wichtiger. Vielleicht hängen wir da so einem Old-School-Musik-Ideal nach, aber das ist ja auch schön.
Adda [Schade, Elektro-Künstler und Label-Mitinhaber; Anm. d. A.] meinte mal, dass es doch cool wäre, dass wir jetzt mit Different Trains so Indie sind. Voll Punkrock und so. Aber das ist ja keine bewusste Entscheidung. Um Indie zu sein mussten wir ja nichts tun. Nichtsdestotrotz wird Different Trains ganz sicher bleiben, auch wenn man manchmal bei der ganzen Arbeit vergisst, dass man eigentlich mal Songs schreiben wollte.

P: Was steht denn bei euch jetzt als Nächstes an? Womit dürfen wir rechnen?
M: Also wir wollen auf jeden Fall wieder mehr spielen. Und es sind auch schon ein paar neue Songs fertig und wir haben kürzlich so ein kleines Performance-Video im Orbit gedreht, das geht bald als Promo online, wir warten da nur noch auf das Finanzamt. Die lassen uns gerade noch zappeln, bis wir unseren Web-Shop online stellen können. Aber egal wie viel Pech wir auch haben: Wir sind eine so lustige Mischung aus Menschen, wir sind einfach nicht tot zu kriegen.
B: Dabei geben wir uns so viel Mühe.
M: Und wenn uns einer am Holzbein sägt!

(Sören Reimer)

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