Freitag, 19. Oktober 2012

Folk, Folk, Folk

Kaum eine Musikrichtung erfährt seit einigen Jahren ein so ein großes Revival wie Folkmusik. Seit Mumford & Sons, Avett Brothers, Bon Iver, Laura Marling etc. ist Folk wieder uneingeschränkt salon- und mainstreamfähig. Die Gründe dafür scheinen auf der Hand zu liegen: Besinnung auf Ruhe, Intimität und Emotion in einer – Verzeihung für's Klischee – sich immer schneller drehenden Welt mit Smartphones, Ständiger Erreichbarkeit, Anonymität in Städten. Kennt man ja.
Vorstellen möchte ich einige aufstrebende Folkbands, die es musikalisch verdient hätten auf die große Bühne gestellt zu werden. Ob das für die Wirkung der Darbietung ab- oder zuträglich wäre, sei dahingestellt.



Trampled By Turtles (US)

Die 5 Jungs aus Minnesota veröffentlichten über BanjoDad Records dieses Jahr schon das 6. Album ihrer Bandgeschichte namens Stars and Satellites, was ihnen endgültig zum Durchbruch zu verhelfen scheint. So waren sie im April in David Lettermans Late Show, spielten u.a. das Sasquatch Festival, Austin City Limits, Lollapalooza und Bonnaroo und das Album stieg es in den Amerikanischen Billboard Charts direkt auf Platz 32 ein. Vor 10-15 Jahren quasi undenkbar, dass eine so rückständige Musik einen so großen Anklang findet. TbT spielen größtenteils Bluegrass, welcher immer wieder gerne in eine folkige Singer-Songwriter Ecke abdriftet. Harmoniegesang, ein wenig Hall, emotionsschwangere Texte („Love and Love and nothing else.“), Banjo, Fiddle und Mandoline dürfen hierbei natürlich nicht fehlen. Klingt langweilig, ist es aber ganz und gar nicht. Durch tolle Melodien, großartiges Songwriting („Alone“ !!!), tanzbares Bluegrass-Picking und den kompletten Verzicht auf Percussioninstrumente überflügeln sie ihre Bartträgerkollegen von beispielsweise Mumford & Sons locker, da man von TbT eben nicht immer wieder zum Four-to-the-Flour genötigt wird. Das perfekte Album für den Abend eines heißen Sommertags – um mal wieder mit der Klischeekeule zu kommen. 




Larry and his Flask (US)

Schon als Vorband der Dropkick Murphys, Streetlight Manifesto und – was eine Überleitung – Trampled By Turtles unterwegs gewesen, durfte die Band aus Oregon an der diesjährigen Vans Warped Tour teilnehmen und Frank Turner auf seiner US-Tour begleiten. Schon 2003 gegründet veröffentlichten sie letztes Jahr ihr 4. Full-length Album All That We Know und im September diesen Jahres eine sechs Song starke EP namens Hobo's Lament (beide via Silver Sprocket Bicycle Club), auf der sich schon herauskristallisiert weshalb die Dropkick Murphys oder die Macher der Warped Tour auf Larry und seinen Flachmann setzten: Es klingt zuweilen wie eine (Ska-)Punk Version der Avett Brothers, die sich um Posaune, Trompete und Baritonhorn verstärkt haben. Die Vollbartfraktion kommt hier natürlich auch nicht zu kurz („So Long“), auch wenn die Gesichtsbehaarung hier eher an Obdachlose als an Trivago-Werbung erinnert. Mit diesem Outlawimage wird nicht nur im Gesicht gespielt, sondern augenscheinlich auch in Band- und Liednamen („Flask“, „Hobo's Lament“), was ihnen aber gut – nun ja – zu Gesicht steht. Überschäumende Konzerte scheinen bei dieser Musik auch auf großer Bühne garantiert.



The Paper Kites (AUS)

Ganz anders verhält sich das bei den Australiern von The Paper Kites. Christina Lacy und ihre vier männlichen Mitstreiter veröffentlichten vor kurzem mit der Young North EP den Nachfolger zu ihrer tollen letztjährigen Woodland EP (beide selbst released). Auch wenn das Debütalbum scheinbar noch ein wenig auf sich warten lässt, bildet sich schon – hauptsächlich in Australien - eine Fangemeinschaft, angestachelt auch durch eine Tour mit den mittlerweile schon altbekannten Boy & Bear. Von denen sind sie auch musikalisch nicht ganz so weit entfernt. Zurückgenommene Folksongs schmeicheln einem hier die Gehörgänge, laden zum Träumen ein und passen ganz eindeutig nicht auf große Bühnen. Womit wieder das alte Dilemma zwischen fanatischem Unterstützen und Angst vor dem „Ausverkauf“ zu Tage kommt. Diese Rufe sind bei den Melbournern momentan noch ganz weit weg, also: Die Woodland EP hier kostenlos runterladen, einschalten, den einfachen, aber schönen Liedern der beiden sehr empfehlenswerten EPs lauschen und unbedingt das großartige Video zu A Maker Of My Time anschauen und abfeiern.



The Lumineers (US)

Die Rufe nach Ausverkauf gibt es bei den Lumineers aus Denver schon, was nicht weiter verwundert mit einem Debütalbum (The Lumineers, via Dualtone) auf Platz 11 der Billboard Charts – übrigens höher als Babel von Mumford & Sons – und knapp 9,5 Millionen Views der Single Ho Hey auf YouTube und als Support der nicht mehr wirklich alternativen Dave Matthews Band im kommenden Dezember. Musikalisch passiert hier nichts ungehörtes, jedoch kann halt auch das unglaublichen Spaß bereiten. Sei es die Eingängigkeit des Klavierstakkatos bei Submarines, die Eingängigkeit des Refraintextes bei Ho Hey oder die … nun ja ... Eingängigkeit des Rhythmus' von Big Parade, der einen direkt das Tanzbein schwingen lässt. Was jetzt böse klingt ist gar nicht so gemeint, weil sie dabei musikalische und lyrische Authentizität wahren. Ein Album was auf großen Bühnen funktionieren kann, aber nicht muss. Wenn es weiterhin so bergauf geht, wird man es zwangsläufig bald erfahren.
(Marius Wurth)

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