Kaum eine Musikrichtung erfährt seit
einigen Jahren ein so ein großes Revival wie Folkmusik. Seit Mumford
& Sons, Avett Brothers, Bon Iver, Laura Marling etc. ist Folk
wieder uneingeschränkt salon- und mainstreamfähig. Die Gründe
dafür scheinen auf der Hand zu liegen: Besinnung auf Ruhe, Intimität
und Emotion in einer – Verzeihung für's Klischee – sich immer
schneller drehenden Welt mit Smartphones, Ständiger Erreichbarkeit,
Anonymität in Städten. Kennt man ja.
Vorstellen möchte ich einige
aufstrebende Folkbands, die es musikalisch verdient hätten auf die
große Bühne gestellt zu werden. Ob das für die Wirkung der
Darbietung ab- oder zuträglich wäre, sei dahingestellt.
Trampled By Turtles (US)
Die 5 Jungs aus Minnesota
veröffentlichten über BanjoDad Records dieses Jahr schon das 6.
Album ihrer Bandgeschichte namens Stars and Satellites, was ihnen
endgültig zum Durchbruch zu verhelfen scheint. So waren sie im April
in David Lettermans Late Show, spielten u.a. das Sasquatch Festival,
Austin City Limits, Lollapalooza und Bonnaroo und das Album stieg es
in den Amerikanischen Billboard Charts direkt auf Platz 32 ein. Vor
10-15 Jahren quasi undenkbar, dass eine so rückständige Musik einen
so großen Anklang findet. TbT spielen größtenteils Bluegrass,
welcher immer wieder gerne in eine folkige Singer-Songwriter Ecke
abdriftet. Harmoniegesang, ein wenig Hall, emotionsschwangere
Texte („Love and Love and nothing else.“), Banjo, Fiddle und
Mandoline dürfen hierbei natürlich nicht fehlen. Klingt langweilig,
ist es aber ganz und gar nicht. Durch tolle Melodien, großartiges
Songwriting („Alone“ !!!), tanzbares Bluegrass-Picking und den
kompletten Verzicht auf Percussioninstrumente überflügeln sie ihre
Bartträgerkollegen von beispielsweise Mumford & Sons locker, da
man von TbT eben nicht immer wieder zum Four-to-the-Flour genötigt
wird. Das perfekte Album für den Abend eines heißen Sommertags –
um mal wieder mit der Klischeekeule zu kommen.
Larry and his Flask (US)
Schon als Vorband der Dropkick Murphys,
Streetlight Manifesto und – was eine Überleitung – Trampled By
Turtles unterwegs gewesen, durfte die Band aus Oregon an der
diesjährigen Vans Warped Tour teilnehmen und Frank Turner auf seiner
US-Tour begleiten. Schon 2003 gegründet veröffentlichten sie
letztes Jahr ihr 4. Full-length Album All That We Know und im
September diesen Jahres eine sechs Song starke EP namens Hobo's
Lament (beide via Silver Sprocket Bicycle Club), auf der sich schon herauskristallisiert weshalb die Dropkick
Murphys oder die Macher der Warped Tour auf Larry und seinen
Flachmann setzten: Es klingt zuweilen wie eine (Ska-)Punk Version der
Avett Brothers, die sich um Posaune, Trompete und Baritonhorn
verstärkt haben. Die Vollbartfraktion kommt hier natürlich auch
nicht zu kurz („So Long“), auch wenn die Gesichtsbehaarung hier
eher an Obdachlose als an Trivago-Werbung erinnert. Mit diesem
Outlawimage wird nicht nur im Gesicht gespielt, sondern
augenscheinlich auch in Band- und Liednamen („Flask“, „Hobo's
Lament“), was ihnen aber gut – nun ja – zu Gesicht steht.
Überschäumende Konzerte scheinen bei dieser Musik auch auf großer
Bühne garantiert.
The Paper Kites (AUS)
Ganz anders verhält sich das bei den
Australiern von The Paper Kites. Christina Lacy und ihre vier männlichen
Mitstreiter veröffentlichten vor kurzem mit der Young North EP den
Nachfolger zu ihrer tollen letztjährigen Woodland EP (beide selbst released). Auch wenn das
Debütalbum scheinbar noch ein wenig auf sich warten lässt, bildet
sich schon – hauptsächlich in Australien - eine Fangemeinschaft,
angestachelt auch durch eine Tour mit den mittlerweile schon
altbekannten Boy & Bear. Von denen sind sie auch musikalisch
nicht ganz so weit entfernt. Zurückgenommene Folksongs schmeicheln
einem hier die Gehörgänge, laden zum Träumen ein und passen ganz
eindeutig nicht auf große Bühnen. Womit wieder das alte Dilemma
zwischen fanatischem Unterstützen und Angst vor dem „Ausverkauf“
zu Tage kommt. Diese Rufe sind bei den Melbournern momentan noch ganz
weit weg, also: Die Woodland EP hier kostenlos runterladen,
einschalten, den einfachen, aber schönen Liedern der beiden sehr
empfehlenswerten EPs lauschen und unbedingt das großartige Video zu
A Maker Of My Time anschauen und abfeiern.
The Lumineers (US)
Die Rufe nach Ausverkauf gibt es bei
den Lumineers aus Denver schon, was nicht weiter verwundert mit einem
Debütalbum (The Lumineers, via Dualtone) auf Platz 11 der Billboard Charts –
übrigens höher als Babel von Mumford & Sons – und
knapp 9,5 Millionen Views der Single Ho Hey auf YouTube und
als Support der nicht mehr wirklich alternativen Dave Matthews Band
im kommenden Dezember. Musikalisch passiert hier nichts ungehörtes,
jedoch kann halt auch das unglaublichen Spaß bereiten. Sei es die
Eingängigkeit des Klavierstakkatos bei Submarines, die
Eingängigkeit des Refraintextes bei Ho Hey oder die … nun
ja ... Eingängigkeit des Rhythmus' von Big Parade, der einen
direkt das Tanzbein schwingen lässt. Was jetzt böse klingt ist gar
nicht so gemeint, weil sie dabei musikalische und lyrische
Authentizität wahren. Ein Album was auf großen Bühnen
funktionieren kann, aber nicht muss. Wenn es weiterhin so bergauf
geht, wird man es zwangsläufig bald erfahren.
(Marius Wurth)
(Marius Wurth)
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