(Roll Call Records, 2012)
Wie sollte eine Plattenkritik sein? Sie
sollte die Musik ein wenig beschreiben, in einen historischen Kontext
einordnen, Vergleiche ziehen können, dabei möglichst objektiv
bleiben und eine auf mehr oder weniger festen Fakten beruhende
Bewertung folgen lassen.
Wie sollte Musik sein? Musik muss
gefühlsbeladen sein, sie muss subjektiv rezipiert, verstanden und
erlebt werden. Der Genuss musikalischer Erzeugnisse darf – oder
sollte - nicht auf Fakten über den Künstler/die Band beruhen. Wer
würde ansonsten noch Pete Doherty oder die Gallaghers hören? Musik
muss einen abholen, mitschleifen und emotional ausgelaugt
liegenlassen.
Abholen. Was ist besser geeignet einen
mitzunehmen als eine butterweiche, betörende, einnehmende Stimme die
schon im Opener des Albums einem sein ganzes Lebensleid offenbart: „I
can only find you/ if you are looking for me“. Eine herzöffnende
Ansage, ohne Gnade, ohne Schutz, ohne Selbstmitleid, ohne
Versteckspiel. Das pure leid, das pure Gefühl. „Where will I go?“
Mitschleifen. Das Hauptaugenmerk bei
dieser Platte fällt zwangsläufig auf Paul Murphy's Stimme und die
wunderbar einfachen, aber prägnant einfachen Texte, welche einen
über die gesamte Spielzeit immer wieder in den Bann ziehen und
mitnehmen. Ein Lösen von eben jener ist nur bei Call Me
Maybe-Sängern oder gefühlskalten Eismenschen vorstellbar. Die –
zugegeben – nicht unglaublich hohe lyrische Qualität wird durch
die Stimme Murphys aufs Abstellgleis verfrachtet. Zeitweise macht
sich der Eindruck breit, als ob man seinem Opa beim Geschichten
erzählen beiwohnen würde, so vertraut und heimisch wird einem der
wunderbare Singsang irgendwann. „I wanna stay/ If it's alright“
Liegenlassen. Nach der vollen Spielzeit
dieses Albums ist man keineswegs körperlich, geistig oder
intellektuell überfordert. Auf emotionaler Ebene ist dieser
Seelenstrip von Album jedoch in gewisser Hinsicht anstrengend oder
wenigstens mitreißend. Doch was passiert danach? Man wird achtlos
zurück auf die Straße zurück geworfen und hofft, dass einen
nochmal jemand mitnehmen kann. Ein so großes Herz haben in der
wirklichen Welt leider nicht so viele, so wird man auf der Straße
liegend gnadenlos von der Wirklichkeit überfahren oder mindestens
dort bis zum erfrieren liegen gelassen wird.
„All jokes aside“ Innovationsdrang,
Exklusivität oder gar Avantgardismus werden auf dieser Platte
vollkommen außen vor gelassen, was ein herzloser Kritiker als Anlass
nehmen könnte, diese Platte in den Boden zu stampfen. Jedoch sollte
Musik sich nicht zwingend auf Fortschritt beschränken, sondern einen
abholen, mitschleifen und liegenlassen können. Emotionen für alle!
Die seit Jahren immer wieder
aufkommende Frage, warum diese überaus grandiose Band immer noch
keine Stadien füllt, ist nur mit dem fehlenden Starpotential zu
beantworten, den sie einfach nicht besitzen und wohl auch niemals
besitzen werden. Auch nach dem mittlerweile 5. Album bleibt diese
Frage stehen. Wahrscheinlich ist diese dadurch verursachte Intimität
jedoch besser um immer wieder aufs Neue abgeholt, mitgeschliffen und
liegen gelassen zu werden.
„You're still the one“
(Marius Wurth)
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