Samstag, 2. Juni 2012

Festivals an sich.


Die Festivalsaison ist mittlerweile in vollen Zügen dran, Zeit für eine kurze Typisierung dieser Großveranstaltungen.



Es ist augenscheinlich, dass in den letzten Jahren immer mehr, immer kleinere und immer lokalere Festivals aus dem Boden geschossen sind, wodurch auch ein immer größerer Prozentsatz auch nicht musik-interessierter Musikhörer die wohlbekannten und immer wieder wohlbegutachteten Bändchen mit Stolz um sein sonnengegerbtes Handgelenk trägt. Da will man natürlich seinen Freunden und Bekannten in nichts nach stehen und sucht sich das nächstbeste Umsonst & Draußen Festival aus, auf welchem man häßliche orange-schwarze Bänder zu 2€ erstehen kann, die einen dann die nächsten 1-2 Jahre begleiten, bevor sie zu abgewrackt aussehen, als dass man es noch länger ertragen könnte sie an sich zu lassen. Das Trinken und Eskalieren, das Entfliehen von den noch sehr mächtigen Eltern und das Ausrasten dürfen machen den Tag, sofern noch in der Erinnerung vorhanden, zu einem ganz besonders tollem Erlebnis, endlich darf man sich mal als Teil einer nicht-mehr-ganz-so-Subkultur fühlen. Die Musik ist natürlich auch MEGAGEIL, Culcha Cundela haben die beste Party, die Broilers den fettesten Moshpit, Madsen sind ja eh die Coolsten,die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt sooooo schön, .
Nach 2-3 Jahren des Besuchs dieser Feierlichkeit stellt man fest, dass einem das nicht mehr reicht. Man ist ja schließlich schon fast volljährig, trinkt mehr, ist – so gaukelt man sich gekonnt vor – unabhängiger von Mami und Papi und will weiter.
Erste Adresse sind dann selbstverständlich die Massenfestivals à la RaR/RiP und Hu/So, die neben altgedienten – böse Zungen würden sagen ausgedienten – Bands auf viel zu großen Bühnen vor viel zu großen Publikumsräumen mit mehreren Leinwänden, auch mit 5 Tage Dauercampen und vor allem -saufen dienen können. Der Alkoholkonsum wird hier zu neuen Grenzen getrieben, genau wie eine Assozialität die von purer Zerstörungswut (abgebrannte Zelte, auseinandergenommene Pavillions, umgekippte Dixis), bis hin zum Anbieten bepisster Bratwürste an Mitfestivalgänger reicht. Nach diesen 3-6 Tagen wird ein Saustall hinterlassen, der seinesgleichen sucht. Wozu gibt es denn auch Mülldienste und Putzfrauen? Die verlieren sonst ja ihren Job. Ach ja, die Dauerbeschallung durch die Böhsen Onkelz darf hier natürlich nicht fehlen.
Mit ein wenig Erziehung, eintretender geistiger Reife und einer Portion Glück, kommt es nach den üblichen 2-3 Jahren zu einem erneuten Sinneswandel. Dieser äußert sich in einer Fokussierung auf kleinere und andere Festivals. Hier steht der typische Festivalgänger an einem Scheideweg. Entscheidet er sich dafür auf den angesprochenen Massenfestivals zu bleiben, für die kleinere Version der Massenfestivals oder für eine pseudo-subkulturelle Version.
Fall 1: Alles bleibt so wie es ist. Deichkind machen die beste Party, Slayer und RATM haben die geilsten Moshpits, die Ärzte aus Berlin sind einfach die beste Band der Welt, die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt mal wieder sooooo schön.
Fall 2: Die ganze Schose verteilt sich nicht mehr auf 60-80.000 – für 5 Tage im Jahr glückliche – Seelen sondern auf 10-30.000. Ein Unterschied zu den Umsonst & Draussen bzw. den Massenfestivals ist kaum auszumachen. Frittenbude macht die beste Party, Rise Against haben die geilsten Moshpits, die „Beatsteaks aus Berlin“ sind einfach die beste Liveband der Welt, die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt immer noch sooooo schön. Solche Festivals zeichnen sich dann auch gerne durch extrem schlechtes Wetter („Rocco del Schlammo“) oder gewollt coole Nähe zur Natur aus („Wir beim Taubertal haben das Festivalgelände direkt an einem Fluss, wir sind ja solche Hippies!!!!“)
Fall 3: Dieser dritte Fall ist ein spezieller. Hier sind es beinahe Auserwählte, die dieses Festival besuchen dürfen (ca 4-8.000) und genauso auserwählt ist dann die Musik. WhoMadeWho machen die beste Party, Iceage haben die geilsten Moshpits, Wir sind Helden aus Berlin sind die beste Band der Welt, die Gitarristin der Blood Red Shoes ist einfach super heiß und Clueso, ähm Phillip Poisell singt sooooo schön. Hier wird die Assozialität zurückgeschraubt und zu einem wirklichem Pseudo-Hippietum – nicht wie oben genannt zu einem Möchtegern-Pseudo-Hippietum – umfunktioniert. Die Umwelt, die Dorfgemeinschaft und die Musik sind hier die wahren Werte und nicht einmal im Jahr aus dem grauen Alltagstrott herauszutreten und 5 Tage sich so benehmen können wie man möchte.
Flunkyball, der Sport des heruntergekommenen, stimmungs- und alkoholbedürftigen Festivalgängers wird auf allen gespielt. Ausnahme davon ist eine besondere Art des Festivals, ich nenne es jetzt mal die Stadtfestivals wie das Berlin Festival, das Reeperbahnfestival in Hamburg oder die c/o-pop in Köln. Hier wird sich dann vollkommen auf die Musik konzentriert, die Zeltplatzparty davor oder danach wird vollkommen vermieden, man geht nach den Konzerten und den Aftershowparties brav zu sich nach Hause oder in das gemietete Ho(s)tel und schläft gemütlich und langweilig in gemachten Betten, bevor es am nächsten Tag ausgeruht und in alter Frische weitergeht.

Jetzt bleibt mir nur noch eins: Dir viel Spaß zu wünschen auf dem Festival deiner Wahl. Für mich werden es dieses Jahr mindestens 4 werden. (Marius Wurth)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen