Die Festivalsaison ist mittlerweile in
vollen Zügen dran, Zeit für eine kurze Typisierung dieser
Großveranstaltungen.
Es ist augenscheinlich, dass in den
letzten Jahren immer mehr, immer kleinere und immer lokalere
Festivals aus dem Boden geschossen sind, wodurch auch ein immer
größerer Prozentsatz auch nicht musik-interessierter Musikhörer
die wohlbekannten und immer wieder wohlbegutachteten Bändchen mit
Stolz um sein sonnengegerbtes Handgelenk trägt. Da will man
natürlich seinen Freunden und Bekannten in nichts nach stehen und
sucht sich das nächstbeste Umsonst & Draußen Festival aus, auf
welchem man häßliche orange-schwarze Bänder zu 2€ erstehen kann,
die einen dann die nächsten 1-2 Jahre begleiten, bevor sie zu
abgewrackt aussehen, als dass man es noch länger ertragen könnte
sie an sich zu lassen. Das Trinken und Eskalieren, das Entfliehen von
den noch sehr mächtigen Eltern und das Ausrasten dürfen machen den
Tag, sofern noch in der Erinnerung vorhanden, zu einem ganz besonders
tollem Erlebnis, endlich darf man sich mal als Teil einer
nicht-mehr-ganz-so-Subkultur fühlen. Die Musik ist natürlich auch
MEGAGEIL, Culcha Cundela haben die beste Party, die Broilers den
fettesten Moshpit, Madsen sind ja eh die Coolsten,die Bassistin der
Subways ist einfach super heiß und Clueso singt sooooo schön, .
Nach 2-3 Jahren des Besuchs dieser
Feierlichkeit stellt man fest, dass einem das nicht mehr reicht. Man
ist ja schließlich schon fast volljährig, trinkt mehr, ist – so
gaukelt man sich gekonnt vor – unabhängiger von Mami und Papi und
will weiter.
Erste Adresse sind dann
selbstverständlich die Massenfestivals à la RaR/RiP und Hu/So, die
neben altgedienten – böse Zungen würden sagen ausgedienten –
Bands auf viel zu großen Bühnen vor viel zu großen Publikumsräumen
mit mehreren Leinwänden, auch mit 5 Tage Dauercampen und vor allem
-saufen dienen können. Der Alkoholkonsum wird hier zu neuen Grenzen
getrieben, genau wie eine Assozialität die von purer Zerstörungswut
(abgebrannte Zelte, auseinandergenommene Pavillions, umgekippte
Dixis), bis hin zum Anbieten bepisster Bratwürste an
Mitfestivalgänger reicht. Nach diesen 3-6 Tagen wird ein Saustall
hinterlassen, der seinesgleichen sucht. Wozu gibt es denn auch
Mülldienste und Putzfrauen? Die verlieren sonst ja ihren Job. Ach
ja, die Dauerbeschallung durch die Böhsen Onkelz darf hier natürlich
nicht fehlen.
Mit ein wenig Erziehung, eintretender
geistiger Reife und einer Portion Glück, kommt es nach den üblichen
2-3 Jahren zu einem erneuten Sinneswandel. Dieser äußert sich in
einer Fokussierung auf kleinere und andere Festivals. Hier steht der
typische Festivalgänger an einem Scheideweg. Entscheidet er sich
dafür auf den angesprochenen Massenfestivals zu bleiben, für die
kleinere Version der Massenfestivals oder für eine
pseudo-subkulturelle Version.
Fall 1: Alles bleibt so wie es ist.
Deichkind machen die beste Party, Slayer und RATM haben die geilsten
Moshpits, die Ärzte aus Berlin sind einfach die beste Band der Welt,
die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt
mal wieder sooooo schön.
Fall 2: Die ganze Schose verteilt sich
nicht mehr auf 60-80.000 – für 5 Tage im Jahr glückliche –
Seelen sondern auf 10-30.000. Ein Unterschied zu den Umsonst &
Draussen bzw. den Massenfestivals ist kaum auszumachen. Frittenbude
macht die beste Party, Rise Against haben die geilsten Moshpits, die
„Beatsteaks aus Berlin“ sind einfach die beste Liveband der Welt,
die Bassistin der Subways ist einfach super heiß und Clueso singt
immer noch sooooo schön. Solche Festivals zeichnen sich dann auch
gerne durch extrem schlechtes Wetter („Rocco del Schlammo“) oder
gewollt coole Nähe zur Natur aus („Wir beim Taubertal haben das
Festivalgelände direkt an einem Fluss, wir sind ja solche
Hippies!!!!“)
Fall 3: Dieser dritte Fall ist ein
spezieller. Hier sind es beinahe Auserwählte, die dieses Festival
besuchen dürfen (ca 4-8.000) und genauso auserwählt ist dann die
Musik. WhoMadeWho machen die beste Party, Iceage haben die geilsten
Moshpits, Wir sind Helden aus Berlin sind die beste Band der Welt,
die Gitarristin der Blood Red Shoes ist einfach super heiß und
Clueso, ähm Phillip Poisell singt sooooo schön. Hier wird die
Assozialität zurückgeschraubt und zu einem wirklichem
Pseudo-Hippietum – nicht wie oben genannt zu einem
Möchtegern-Pseudo-Hippietum – umfunktioniert. Die Umwelt, die
Dorfgemeinschaft und die Musik sind hier die wahren Werte und nicht
einmal im Jahr aus dem grauen Alltagstrott herauszutreten und 5 Tage
sich so benehmen können wie man möchte.
Flunkyball, der Sport des
heruntergekommenen, stimmungs- und alkoholbedürftigen
Festivalgängers wird auf allen gespielt. Ausnahme davon ist eine
besondere Art des Festivals, ich nenne es jetzt mal die
Stadtfestivals wie das Berlin Festival, das Reeperbahnfestival in Hamburg oder
die c/o-pop in Köln. Hier wird sich dann vollkommen auf die Musik
konzentriert, die Zeltplatzparty davor oder danach wird vollkommen
vermieden, man geht nach den Konzerten und den Aftershowparties brav
zu sich nach Hause oder in das gemietete Ho(s)tel und schläft
gemütlich und langweilig in gemachten Betten, bevor es am nächsten
Tag ausgeruht und in alter Frische weitergeht.
Jetzt bleibt mir nur noch eins: Dir
viel Spaß zu wünschen auf dem Festival deiner Wahl. Für mich
werden es dieses Jahr mindestens 4 werden. (Marius Wurth)
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