Totally Enormous
Extinct Dinosaurs. Dieses Musikprojekt des Engländers Orlando
Higginbottom begeistert momentan sowohl Kritik als auch Publikum.
Woran liegt das? Die Genese dieser breiten Akzeptanz bzw. eher
Begeisterung zu ergründen soll hier das primäre Ziel sein.
Beginnen wollen wir mit
der Person des ausgestorbenen Dinosauriers. Am auffälligsten ist für
mich – noch vor den Kostümen – sein immerwährender
Gesichtsausdruck, welcher sich irgendwo zwischen Traurigkeit,
Melancholie, Gleichgültigkeit, Konzentration und Relaxtheit bewegt, vielleicht vergleichbar mit da Vincis Mona Lisa, deren Gemütslage auch nicht
wirklich bestimmbar ist. Hinzu kommt das bei vielen Pressebildern zu
sehende, astronomisch anmutende Gebilde auf seinem Kopf, was diese
Undefinierbarkeit nochmals immens verstärkt. Allein das entwickelt
einen undurchschaubaren Mythos, welcher einen nach weiteren
Hintergrundinformationen lechzen lässt. Die sollen hier
natürlich nicht vorenthalten werden, da sie dies nur noch weiter
unterstützen. Allein Higginbottoms bürgerlicher Name ist schon so
außergewöhnlich – ganz zu schweigen von seinem Künstlernamen,
dass man mehr als zweimal hinschauen muss, um sich beide wirklich
merken zu können. Hinzu kommt, dass er der Sohn des Leiters des New
College, University of Oxford Chors ist und selber jahrelange
hochklassige Chorerfahrung hat, was auf den ersten Blick nicht
eindeutig in der Musik wiederzufinden ist. Insofern wirkt das
Verschwinden in der Masse eines Chors und seine undefinierbare
Gemütslage zuzüglich unüblichem Kopfschmuck als sehr
introvertiert.
Das mutet alles in
gewisser Weise spießbürgerlich an. Im krassen Gegensatz dazu stehen
ganz augenscheinlich sein Bühnenoutfit, sowie seine Show. Die Bühne
betritt er kategorisch nur kostümiert, sei es in prachtvoller
Indianermontur, welche einen gewollt oder ungewollt an die Village
People denken lässt, oder in diversen Dinosaurierkostümen.
Künstlerischen Charme versprühen diese nicht unbedingt, eher
erinnern sie an eine professionalisierte Version von üblichen
sogenannten „Party“kostümen, wie beispielsweise Morphsuits,
karnevaleske Bäreneinteiler oder auch Verkleidungen auf
Trashparties, dabei aber immer eine nerdige Attitüde bewahren. Sein
Bühnenbild hat sich im letzten Jahr weiter entwickelt, nachdem er zu
Beginn (erster Deutschlandauftritt: Melt-Festival 2011) nur einen mit seiner Ausrüstung vollgestopften Tisch und zwei Tänzerinnen vorweisen konnte,
hat er mittlerweile seine Peripherie auf der Bühne weiter ausgebaut.
So befinden sich neuerdings drei blinkende Feder- oder Sargartige Gebilde in seinem Rücken, sowie mehrere grell
leuchtende, aufs Publikum gerichtete Leselampen in seinem Umfeld. Die
Tänzerinnen – die ständig die Kostüme wechseln - sind immer noch
anwesend und kompensieren seine Zurückgezogenheit während des
Konzerts. Ebenso zünden sowohl er, als auch die Damen bei Drops
gerne mal Konfettikanonen oder werfen tierige Luftballons in die Menge.
Womit wir bei der Musik
wären. Diese changiert zwischen allen Möglichen elektronischen
Stilrichtungen wie Dance, Techno, 2Step, House, Eurodance, Dancehall,
Dubstep und so weiter und so fort, dabei aber immer ein gewisses
Indie (was auch immer das jetzt bedeuten mag) anmutendes Klangbild
erzeugt. Eine eindeutige Kategorisierung seines Schaffens ist
unmöglich, zu einzelnen Songs wäre dies zwar möglich, jedoch müßig
und hier jetzt eher nicht hilfreich. Wichtig ist, dass er damit viele
unterschiedliche potenzielle Zuhörer bedient und das auch mit
Erfolg. So ist zwischen Indiemädchen und Technoheads alles auf
seinen Konzerten zu finden. Diese Diskrepanz wird wiederum verstärkt
dadurch, dass Hot Chips Joe Goddard TEEDs erste EP All
In One Sixty Dancehalls auf seinem Nerdlabel Greco-Roman
veröffentlichte, was Kritikerherzen höher schlagen lässt und dass seine Musik
bei einem großen Telekommunikationsanbieter in der Fernseh- und
Kinowerbung zu hören ist. Wer sich von dieser Diversität selber
überzeugen möchte sollte sich auf der einen Seite Dipper oder Blood
Pressure, auf der anderen Seite Garden zu Ohren kommen lasssen; man
wird verwundert sein.
Wie jetzt hoffentlich
deutlich geworden ist, lässt sich bei TEED auf fast allen
Ebenen ein krasses Changieren zwischen entgegengesetzten Polen
finden. Dies macht mit Sicherheit einen großen Teil der Faszination und des
unglaublichen Hypes um Higginbottoms Musik und auch Person aus. Ob man
von da aus jetzt auf eine neue Bewegung innerhalb der Popmusik
schließen mag, welche (fast) alles zusammenbringt und nicht nur
einzelnes rezitiert sollen Andere beurteilen. (Marius Wurth)
Totally Enormous Extinct Dinosaurs Debütalbum Trouble ist seit dem 08.06.2012 via Polydor/Universal erhältlich.
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